Erbe verpflichtet

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Die “12 Sibyllen von San Telmo” ohne passenden Ausstellungsort

Von Maria Buck

Sibilas33.jpgDie “Sibyllen von San Telmo”, eine einmalige Bilderserie aus dem 18. Jahrhundert, zählen zu den beeindruckendsten und wichtigsten Kunstschätzen der lateinamerikanischen Kolonialmalerei. Dargestellt sind die zwölf Sibyllen, welche das Leben Jesu Christi vorhersagen. Man sollte annehmen, diese zwölf Gemälde sind in einem der vielen wunderschönen Museen in Buenos Aires ausgestellt, perfekt beleuchtet und jederzeit für die Öffentlichkeit zugänglich. Doch weit gefehlt. Die Bilder befinden sich in der Sakristei von “San Pedro Giménez Telmo” in San Telmo, kaum zugänglich in einem für sie völlig unwürdigen Raum, da die Sakristei in einem desolaten Zustand ist und dringend renoviert werden muss. Feuchte Wände, abbröckelnder Putz, ein modriger Geruch und außer einer grellen Lampe in der Raummitte alles recht dunkel – keine passenden Voraussetzungen also, um antike Bilder unterzubringen.

Sibilas22.jpgDurch die Initiative des deutschen Kunstfreundes Gerhard Krummacher, der seit einigen Jahren in Buenos Aires lebt, und des “Club Europeo”, konnte in einem ersten Schritt das Gemäuer der Sakristei trockengelegt werden. Allerdings fallen nun noch weitere nötige Arbeiten an: Die Wände müssen neu verputzt und gestrichen werden, eine bessere Beleuchtung muss eingebaut werden und ein Sicherheitssystem muss dringend installiert werden, um die wertvollen Gemälde zu schützen. “Wir haben eine gewisse Verantwortung gegenüber dem kulturellen und künstlerischen Erbe unserer Vorfahren.”, begründet Krummacher sein aktives Engagement. “Die Politik hat im Moment kein Interesse, Geld für den Bereich Kunst und Kultur auszugeben. Deshalb muss man eben einen Teil aus eigener Tasche bezahlen”, sagt er weiter.

Doch weshalb sind diese Bilder so besonders, dass sie solch eine Aufmerksamkeit verdienen? Nun, die Sibyllen, die “Gottesberaterinnen”, sind außergewöhnliche Gestalten, deren Tradition weit zurückreicht. Sie stammen ursprünglich aus der griechischen Mythologie und wurden als Seherinnen verehrt, die aber im Gegensatz zu den Orakeln den Menschen unaufgefordert die Zukunft vorhersagten. In der römischen Geschichte ist vor allem eine Sibylle von großer Bedeutung: Die Sibylle von Cumae gilt als Führerin des Aeneas in der Unterwelt, wie es Vergil in seiner “Aeneis” beschrieben hatte. Die christliche Tradition sieht in den Sibyllen den Beleg für die ständige Erwartung der Erlösung der Menschheit und die Verkörperung der matriarchalen Weisheit.

In der Kunst werden sie seit dem 12. Jahrhundert dargestellt, meistens zusammen mit den biblischen Propheten. So sind zum Beispiel in der Sixtinischen Kapelle im Petersdom in Rom fünf Sibyllen von Michelangelo gemalt worden. In Lateinamerika erscheinen sie zum ersten Mal 1595 in Mexiko-City. Dort wurden sie von Alonso de Villasana in der “Santuaria de la Virgen de los Remedios” bildlich dargestellt.

Sibilas11.jpgDie Sibyllen von San Telmo sind jeweils einzeln porträtiert, dargestellt in wunderschönen Kleidern. Jede von ihnen sagt ein bestimmtes Ereignis aus dem Leben von Jesus Christus voraus. Diese Voraussagen sind in einem ovalen Medaillon dargestellt, das von Blumenranken umgeben ist. Sie kündigen damit das Kommen des Erlösers, des Heilands, an. Die Sibylle Pérsica sieht beispielsweise Jesu Taufe voraus. “Sie werden ihn im Fluss Jordan taufen”, ist auf einer Inschrift ihres Gemäldes zu lesen, und das Medaillon zeigt, wie Jesus im Fluss stehend von Johannes getauft wird.

Das Einzigartige an den Sibyllen von San Telmo ist aber, dass sie die einzige Bilderserie weltweit sind, bei der alle zwölf Sibyllen dargestellt sind. Denn ansonsten sind es immer nur ein paar von ihnen. Woher diese zwölf Sibyllen-Gemälde stammen, ist allerdings unklar. Fest steht, dass sie nicht in Argentinien gefertigt worden sind, sondern erst später hierher gebracht wurden. Auch Untersuchungen während der aufwendigen Restaurationsarbeiten vor fünf Jahren, die von der “Universidad Nacional de San Martín” initiiert wurden, führten zu keinen neuen Erkenntnissen. Es kommen weiterhin zwei unterschiedliche Herkunftsmöglichkeiten in Frage: Spanien oder das Andengebiet, wobei letzteres für wahrscheinlicher gehalten wird.

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Padre Ernesto.

Fest steht aber, dass diese Gemälde gewürdigt werden müssen. Nach Beendigung der Restaurationsarbeiten waren sie zwar für kurze Zeit im “Museo Nacional de Arte Decorativo” in Buenos Aires zu sehen, doch nach Ende der Ausstellung wurden sie wieder in die Sakristei zurückgebracht. Gemeinsam mit Padre Ernesto, dem Pfarrer der Kirchengemeinde San Telmo, wird Gerhard Krummacher auch in Zukunft dieses Projekt unterstützen, denn eines liegt ihm sehr am Herzen: “Das kulturelle Erbe muss erhalten werden.” Er ist davon überzeugt, dass diese Pflicht jeden einzelnen betrifft, der die Möglichkeit und Mittel hat.

Un comentario sobre “Erbe verpflichtet”

  1. Gerhard Krummacher dice:

    Immer wieder bin ich s e h r froh, wenn ich diesen Artikel für weitere Sponsoren ausdrucken und verschicken kann – Vielen Dank !
    Es sind bereits weitere Arbeiten vorgenommen worden, dank besonders auch der Unterstützung durch den Club Europeo de Buenos Aires.


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