Bilder von Flucht

Amnesty International zeigt “Menschen auf der Flucht” im Kulturhaus Zanders in Bergisch Gladbach


Was heißt es, auf der Flucht zu sein? Was bedeutet es, Bedrohung und Tod zu begegnen und das eigene Zuhause verlassen zu müssen, um einen sicheren Ort zu suchen? Die Bergisch Gladbacher Gruppe von Amnesty International zeigt eine Ausstellung der berühmten Fotoagentur “Magnum Photos” im Kulturhaus Zanders über Menschen auf der Flucht, die bis zum Zweiten Weltkrieg zurückgeht und deutlich macht, dass große Fluchtbewegungen nichts Neues sind.

Zur Eröffnung am Freitag, 2. März 2018, spricht Christel Neudeck (Grünhelme e.V.) über ihre langjährigen Erfahrungen in der Flüchtlingsarbeit.

Die beeindruckenden Bilder der Fotoausstellung erlauben einen Einblick in die alltäglichen Geschichten von geflüchteten Menschen. Gegliedert ist die Schau in die Themenblöcke “Krieg und Chaos”, “Suche nach Sicherheit, Leben in Unsicherheit”, “Mauern und Zäune”, “Leben von Tag zu Tag” und “Geteilte Verantwortung”.

Für die Agentur “Magnum Photos” arbeiten seit 1947 die besten Fotografinnen und Fotografen der Welt. Die Agentur steht für unabhängige dokumentarische und künstlerische Fotografie. Die Ausstellung wurde gemeinsam von Magnum Photos und Amnesty International konzipiert, Amnesty International verfasste die Texte zu den Fotos.

Die Ausstellung ist vom 2. bis 21. März 2018, dienstags und donnerstags von 16 bis 18 Uhr und sonntags von 11 bis 13 Uhr im Kulturhaus Zanders, Hauptstr. 267-269, 51465 Bergisch Gladbach, zu sehen.

Schillernd und facettenreich

Mary Bauermeisters “Zeichen, Worte, Universen” in der Villa Zanders in Bergisch Gladbach


Vom 10.12.2017–08.04.2018 wird im Kunstmuseum Villa Zanders in Bergisch Gladbach/Deutschland in der Reihe “Ortstermin” die Ausstellung “Zeichen, Worte, Universen” von Mary Bauermeister gezeigt.

Das künstlerische Werk Mary Bauermeisters (geb. 1934) zählt allein aufgrund seiner Vielseitigkeit zu den ungewöhnlichsten Oeuvres der zeitgenössischen Kunst. Weit über 50 Jahre umspannt dieses enorm produktive Schaffen, das bereits 1962 zu einer ersten bahnbrechenden Museumspräsentation im Stedelijk Museum in Amsterdam führte.

Mary Bauermeisters Werk ist ebenso schillernd und facettenreich wie ihre Persönlichkeit. Früh experimentierte sie mit außergewöhnlichen Materialien wie optischen Linsen, Prismen, Leinentüchern, Kieselsteinen und vielem mehr. In ihren Zeichnungen, Bildern und Objekten, aber auch in ihren als Gesamtkunstwerk angelegten Land-Art-Projekten manifestiert sich eine ganz eigene, die Grenzen von Bild und Skulptur in eine utopische Dimension erweiternde Bildsprache, mit der sie vor allem in den USA für Furore sorgte.

Nicht minder weitreichend war ihr Einfluss als Katalysator für die Musik- und Kunstszene im Köln der 60er Jahre, als ihr Atelier in der Kölner Lintgasse zum Zentrum einer künstlerischen Avantgarde wurde und Musiker und bildende Künstler aus aller Welt anzog. Mary Bauermeister gilt als Schlüsselfigur der Fluxus-Bewegung, die im Umfeld des Studios für Elektronische Musik des WDR entstand.

Bis heute fasziniert sie mit einem eigenwilligen Werk, das von einem tiefen Gespür für den Einklang von Mensch und Natur geprägt ist und universelle Phänomene von Struktur, Rhythmus und Zahl in immer neuer Form zum Ausdruck bringt. Logik und Mathematik beschäftigen Bauermeister ebenso wie Musik und Klang, Märchen und Mythen, Licht und Schatten. Sie wendet sich existentiellen Fragestellungen zu und findet zu mal zauberhaften, mal provokanten oder abstrakten Antworten. Immer liegt ihren Äußerungen ein beeindruckendes Menschenbild zugrunde, das fest in der Natur und in archaischen Traditionen verwurzelt ist.

Die Ausstellung konzentriert sich auf den großen Komplex ihres Werkes, der durch Chiffren, Zeichen, Worte und Zitate gekennzeichnet ist. Hier greift die stets die intellektuelle Herausforderung suchende Künstlerin Kernfragen des Seins auf und bindet sie mit spielerischer Leichtigkeit und kraftvoller Vitalität in ihr ganzheitlich geprägtes Universum.

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog im Kettler Verlag, 96 Seiten, 19 Euro.

Kunstmuseum Villa Zanders, Konrad-Adenauer-Platz 8, 51465 Bergisch Gladbach, Deutschland. Tel. 02202-142356/142334.

Öffnungszeiten: Di-Sa 14-18, Do 14-20, Sonn- und Feiertag 11-18 Uhr. Feiertagsregelung: 23.-26.12. und 31.12.17 sowie 01.01.18 geschlossen.

Eintrittspreise: Eintritt 4,00 €, ermäßigt 2,00 €.

Foto:
Mary Bauermeister, Needless Needles Vol. 5, 1964, Mixed Media (Detail aus Linsenkasten), ©VG BILD-KUNST Bonn, 2017. (Foto: M. Wittassek)

Offenbarungen in Schwarz-Weiß

Photographie-Ausstellung von Gerardo Korn

Von Susanne Franz

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Am kommenden Mittwoch, 11. Oktober 2017, um 19 Uhr, wird Gerardo Korns Ausstellung “BUENOS AIRES – OFFENBARUNGEN” im Generalkonsulat und Zentrum für Wirschaftsförderung der Republik Argentinien in Frankfurt am Main, Eschersheimer Landstrasse 19-21, 60322 Frankfurt/Main, eröffnet.

Aus diesem Anlass hier unser Artikel anlässlich seiner Ausstellung in Buenos Aires im vergangenen Jahr:

“Ich wurde im Jahr 2011 von diesem Rausch erfasst”, erklärt Gerardo Korn an einem regnerischen Nachmittag im Centro Cultural Borges seine Motivation, Buenos Aires auf eine besondere Art und Weise zu fotografieren. Wir sind gerade durch seine Ausstellung “Revelaciones” gegangen, wobei sich herausgestellt hat, dass dieser so trübe Tag ganz besonders gut geeignet ist, seine menschenleeren Schwarz-Weiß-Bilder der Stadt zu betrachten, die er nachts oder abends oder in den frühen Morgenstunden aufgenommen hat, wenn das Licht diffus und magisch ist. “Buenos Aires sieht man sonst meist nur mit strahlend blauem Himmel, überall wimmelt es von Menschen”, meint Gerardo, der nach eigenem Bekunden keine Ahnung hatte, auf was er sich einließ, als er seine künstlerische Laufbahn begann. “Ich wusste damals nicht, dass ich für einige Bilder drei Jahre brauchen würde.”

Gerardo erzählt von seiner Liebe zur klassischen Fotografie und schwärmt von den Städten Paris und New York, die die Fotografie-Städte schlechthin seien. Er wollte, dass es ähnliche Bilder auch von Buenos Aires gäbe – Bilder voller Melancholie, die die Stadt in einem zeitlosen Zustand zeigen. “Gerade Buenos Aires, eine Stadt, die im Alltag oft aggressiv zu den Bewohnern ist”, reflektiert der in Argentinien geborene Sohn deutscher Eltern, der mit seiner Kunst die Beziehung der Menschen zu ihrer Stadt wiederherstellen möchte, indem er sie in einem friedlichen Zustand zeigt.

Gerardo Korns wunderschöne Bilder stellen einen besonderen Rundgang durch die Stadt Buenos Aires dar. Die meisten Motive kennt man oder hat sie schon hundertmal auf Bildern gesehen – aber noch nie so wie hier. An Stelle von Konsum steht hier Augenschmaus. Jeder einzelne Mensch steht alleine an dieser Stelle und schaut mit dem Fotografen durch das Obektiv, schaut auf einmal richtig hin und kann in Stille und innerer Ruhe mit dem Gesehenen kommunizieren.

Einer, der sofort erkannt hat, dass es sich bei den Bildern Gerardo Korns um wahre Kunstwerke handelt, war der renommierte argentinische Maler Guillermo Roux. Diesen sprach Gerardo an, als er begann, einen Ausstellungsraum zu suchen, um seine Kunst bekannter zu machen. Warum gerade Roux? Ganz einfach – die beiden sind Nachbarn und waren dies bereits seit 40 Jahren. Immer grüßte man sich freundlich aus der Ferne, deshalb war Roux zunächst überrrascht, als Gerardo bei ihm vorbeischaute und ihn bat, ob er ihm seine Bilder zeigen dürfte. Er sagt Ja – und war begeistert. Innerhalb von fünf Tagen hatte er einen Text geschrieben, aus dem auch der Titel der Ausstellung, “Revelaciones” (Offenbarungen) stammt, und Gerardo war zu Tränen bewegt. “Seit diesem Tag im April 2015, als ich bei Guillermo Roux geklingelt habe, ist mein Leben nicht mehr, wie es vorher war”, sagt Gerardo. Der große alte Maler, der mittlerweile zu einem Freund geworden ist, gab ihm die Kraft, seine Zweifel zu überwinden, und unterstützte und unterstützt ihn.

Drei der Werke, die in der Ausstellung hängen, sind Gemeinschaftsarbeiten der beiden: Fotografien von Gerardo Korn mit einer Intervention von Roux. Mit Absicht sind die Roux‘schen Elemente nur sehr sparsam eingefügt, um die friedliche Stille der Werke nicht zu zerstören. So geben sie ihnen einen surrealistischen, überraschenden Anstrich. Acht von zehn Werken, die die beiden als Zusammenarbeit angestrebt haben, sind bereits fertig, die drei, die Gerardo am liebsten mag, sind in der Ausstellung zu sehen.

Im vergangenen argentinischen Sommer hat Roux Gerardo Korn eingeladen, fotografisch und filmisch ein Werk von ihm zu dokumentieren: Er wollte eine Göttin in sein Schwimmbad malen, und dann begeisterte er sich und malte das ganze Schwimmbad aus. Der Maler, der im Rollstuhl sitzt, wurde dabei von einem Freund hin und hergeschoben und malte mit einem Pinsel, der an einem ein Meter langen Bambusstab befestigt war. “Das war der Sommer, in dem ich vier Monate in einem Schwimmbad ohne Wasser verbracht habe”, lacht Gerardo, der in Zusammenarbeit mit dem Regisseur Martín Serra in Kürze einen Entwurf des Filmes vorstellen will, der aus dem Material entstehen soll.

“Die Welt ist mein Land”, sagt Gerardo Korn, der seine mit Kodak Professional Tri-X fotografierten Filme nach Halle in Deutschland schickt, wo ein darauf spezialisierter Betrieb sie entwickelt und digitalisiert. Die digitalisierte Version sendet Gerardo nach London, wo die Werke auf feinstem Papier ausgedruckt werden, um dann den Weg zurück nach Argentinien zu finden. Die hohe Qualität der Werke und besonders auch die gewagten, äußerst wirkungsvollen 60 x 90-Formate (die neben anderen in 30 x 45 hängen) tragen mit zu dem Zauber bei, den Gerardos Fotografien ausstrahlen.

Die Ausstellung im Centro Cultural Borges und die Veröffentlichung einiger Werke der Serie “Revelaciones” in Jorge Tardittis Luxus-Kunstmagazin “Georges” sowie das “Göttin im Schwimmbad”-Projekt sind erst der Beginn und nur ein Teil der Pläne des entspannten und zugleich mit viel positiver Energie geladenen Künstlers – momentan arbeitet er auch an einem Tango-Projekt. Sein Ziel? Die Welt, die seine Heimat ist.

Weitere Infos auf der Webseite des Künstlers bzw. bei Facebook.

Foto:
Gerardo Korn, “Barrio de Retiro, Plaza San Martín, 2012”.

La versión en castellano del artículo se encuentra aquí.

Internationales Flair

26. Kunstmesse arteBA vom 24. bis 27. Mai im Messezentrum La Rural

Von Susanne Franz

Vom 24.5. bis einschließlich 27.5. zelebriert die wichtigste Messe Zeitgenössischer Kunst Argentiniens, arteBA, ihre 26. Ausgabe. Von den 91 teilnehmenden Galerien aus 20 Ländern kommen diesmal mehr als die Hälfte aus Deutschland, Österreich, Frankreich, Spanien, Portugal, dem Kosovo, Japan, Uruguay, Brasilien, Bolivien, Chile, Peru, Mexiko, Kolumbien, Ecuador, der Dominikanischen Republik, Venezuela, Puerto Rico und den USA.

Der Hauptsektor der Messe umfasst “Special Projects”‚ “Cabinet” sowie das “Junge Viertel” (Barrio Joven Chandon), daneben gibt es wieder spezielle, eigens kuratierte Sektoren wie “U-TURN Project Rooms by Mercedes-Benz”, “Solo Show” und “Dixit” sowie die “Isla de Ediciones” mit den Veröffentlichungen der Messe. Die seit dem 13.5. parallel in Buenos Aires an verschiedenen Orten stattfindende Performance-Biennale “BP.17” ist auf arteBA mit der von Rodrigo Alonso kuratierten “Performance Box” dabei.

Das Nebenprogramm “Open Forum” bietet bei freiem Eintritt – es gibt einen Extra-Eingang zu dem Messebereich – Diskussionen und Rundtischgespräche mit führenden Experten der Kunstszene. Insbesondere soll, wie auch in anderen Messebereichen wie “Dixit”, über “die Zukunft der Kunst” nachgedacht werden.

Adresse: Messezentrum La Rural, Blauer und Grüner Pavillon, Av. Sarmiento 2704. Zeit: 24.-27. Mai. Eröffnung: 23.5., 18.30 Uhr (nur mit Einladung). Öffnungszeiten: 14-21 Uhr. Eintritt: 160 Pesos, Rentner und Studenten mit Ausweis 80 Pesos. Für 2 Tage 250 Pesos, für 4 Tage 320 Pesos. 2×1 mit Club La Nación (gilt nur bis zu einer festgesetzten Grenze).

Internationale Buchmesse von Buenos Aires

43. “Feria Internacional del Libro de Buenos Aires” wird am Donnerstag eröffnet

Von Susanne Franz


Drei Wochen, eine Million Besucher, 12.000 Experten aus der Buchbranche, 45.000 Quadratmeter Fläche, 1500 Aussteller aus 40 Ländern: Die Internationale Buchmesse von Buenos Aires ist ein Mammut-Event, das von vielen als das wichtigste Kulturereignis des Jahres gewertet wird. Die 43. Ausgabe der größten Buchmesse Lateinamerikas wird am Donnerstag, den 27. April, um 18.30 Uhr im Jorge Luis Borges-Saal im “Pabellón Frers” eröffnet. Die renommierte argentinische Schriftstellerin und Journalistin Luisa Valenzuela wird die Eröffnungsrede halten. Die Messe geht bis zum 15. Mai.

Zahlreiche Gäste aus dem Ausland haben ihr Kommen angesagt, darunter der deutsche Autor Bernhard Schlink, Carlos Ruiz Zafón, nach Cervantes der am meisten gelesene Spanier; der italienische Schriftsteller, Journalist und Dramaturg Alessandro Baricco, der US-Bestsellerautor John Katzenbach und die irische Romanschriftstellerin Cecelia Ahern. Aus der Gaststadt Los Angeles kommen Gregg Hurtiz, Jim C. Hines und Héctor Tobar.

Zum “Festival Internacional de Poesía”, das zum 12. Mal innerhalb der Buchmesse veranstaltet wird – vom 28. bis 30. April – kommen unter anderem der chilenische Dichter Raúl Zurita und die spanischen Poeten Luis García Montero und Andrés Sánchez Robayna. Das von der Jugend heiß geliebte Internationale Booktuber-Treffen – am 12. und 13. Mai – kann dieses Jahr im Rahmen seiner 3. Ausgabe den berühmten spanischen Booktuber Sebastián García Mouret als Stargast begrüßen.

Geöffnet ist die Messe montags bis freitags von 14 bis 22 Uhr, samstags, sonntags und am 1. Maifeiertag von 13 bis 22 Uhr. Der Eintritt kostet an Wochentagen 70 und am Wochenende und Feiertagen 100 Pesos. Es gibt zahlreiche Vergünstigungen. Zugänge zur Messe sind auf der Av. Santa Fe 4201, Av. Sarmiento 2704 und Av. Cerviño 4474. An der Av. Santa Fe stehen Rollstühle für Gehbehinderte bereit. Alle Infos hier.

Buenos Aires im Filmfieber

Die 19. Ausgabe des Filmfestivals BAFICI ist gestartet

Von Michaela Ehammer


“Klappe zu, Vorhang auf und Film ab!”, heißt es seit Mittwoch für alle Kinoliebhaber in Buenos Aires. Die 19. Ausgabe des Filmfestivals für Independent-Filme BAFICI begeistert bis zum 30. April mit über 400 Filmen und vereint 56 Länder von fünf Kontinenten.

“Lassen Sie sich von einem grandiosen BAFICI überraschen”, freut sich Direktor Javier Porta Fouz und verspricht gleichzeitig ein noch nie dagewesenes Festival – vollgepackt mit Filmperlen, namhaften Stars und attraktiven Premieren.

Der deutsche Beitrag “Casting”, eine Komödie von Nicolas Wackerbarth, war am Mittwoch eindrucksvoller Auftakt des diesjährigen Festivals im Espacio INCAA Gaumont. Der improvisierte Fernsehfilm feierte auf der diesjährigen Berlinale seine Premiere. Wackerbarth, der gemeinsam mit Johannes Held auch für das Drehbuch verantwortlich war, begibt sich in “Casting” (2017) hinter die Kulissen einer Filmproduktion und hat daraus einen ebenso klugen wie unterhaltsamen Film gemacht, der von spannenden Wendepunkten und einer gehörigen Portion Humor geprägt ist.

Das Werk “La vida de Calabacín” (Ma vie de Courgette/Mein Leben als Zucchini) von Claude Barras leitete zudem am Mittwochabend an der Plaza Francia die an Kinder und Familien gerichtete Festivalsektion BAFICITO ein. Die Open-Air-Veranstaltung war trotz des unschönen Wetters gut besucht, und alle Zuschauer, die der Kälte trotzten, wurden durch die Präsenz des Regisseurs belohnt. Barras hat mit seinem Film, der in der Kategorie “Bester Animationsfilm” für den diesjährigen Oscar nominiert war, ein wahrhaftes Meisterwerk geschaffen. Nicht nur für Kinder erhält der Film das Prädikat “Sehenswert”. “La vida de Calabacín” (Frankreich/Schweiz 2016) erzählt auf einfühlsame Art und Weise die Geschichte des Waisenkindes Zucchini, das nach familiären Schicksalsschlägen in einem Kinderheim landet und sich dort gemeinsam mit seinen neuen Freunden auf die Suche nach Geborgenheit, Akzeptanz und Liebe begibt.

Jahr für Jahr hat sich das BAFICI zu einer bedeutenden Ausstellung der weltweiten Filmindustrie etabliert und ist heutzutage zu einem Muss für unabhängige Filmemacher, Schauspieler, Produzenten und Filmliebhaber geworden. Dies wird vor allem auch durch die Präsenz von Filmen berühmter Regisseure wie Alex de la Iglesia (El Bar), Walter Hill (The Assignment) oder Raúl Perrone (Cínicos) deutlich.

Zahlreiche Gespräche mit Filmkünstlern, diverse Ausstellungen rund um die Film- und Kinowelt sowie interessante Workshops bereichern Groß und Klein, Jung und Alt, angehende Filmemacher sowie alle Kinobegeisterten und laden dazu ein, gemeinsam mit nationalen wie internationalen Filmgrößen ein Stück zu wachsen. Auf der Gästeliste der Stars fallen in diesem Jahr vor allem Namen wie Alex Ross Perry, Heinz Emigholz, Stéphane Brizé, Johannes Nyholm oder Gabriel Abrantes auf.

Im Bereich “Focos y Homenajes” liegt der Schwerpunkt vor allem auf dem Italiener Nanni Moretti, dessen Werke schon bei der allerersten Ausgabe des Filmfestivals im Jahre 1999 zu sehen waren. Seine Kurz-, Mittel- und Langfilme, darunter etwa “Bianca” (1985), “Caro Diario” (1993) oder “Habemus Papa” (2011) stellt er alle persönlich in Buenos Aires vor. Zudem lädt der Regisseur, Produzent, Schauspieler und Schriftsteller zu spannenden Gesprächen ein.

In diesem Jahr gibt es neben den musikalischen Zyklen “La Mar en Coche” und “La Mar en acción” in der Usina del Arte noch einen ganz besonderen Schwerpunkt: “Britannia Lado B: 40 Años de Punk”. Ein Filmzyklus des britischen Punk, der vom British Council unterstützt wird und ein “Must-See” für alle ehemaligen sowie anhaltenden Punk-Fans ist. Der Zyklus umfasst Filme wie “The filth and the fury” von Julien Temple, der sich auf die Spuren der erfolgreichen Karriere der Sex Pistols begibt, oder den mystischen Film “Jubiliee” von Derek Jarman, der zu Hochzeiten des Punk entstanden ist. So wird dem Festival für Independent-Filme gehörig Leben eingehaucht!

Eintrittskarten sind zum Preis von 45 Pesos erhältlich. Studenten und Rentner dürfen sich über einen ermäßigten Preis von 30 Pesos freuen. Die Gespräche im Auditorio El Aleph des Centro Cultural Recoleta sowie alle Filmvorführungen im Freien sind gratis und erfordern keine Anmeldung. Für alle weiteren kostenlosen Vorführungen muss man sich registrieren.

Unsere BAFICI-Tipps:

  • “The Wedding Ring” von Rhamatou Keïta (Niger/Burkina Faso/Frankreich 2016)
  • “Keep that Dream Burning” von Rainer Kohlberger (Österreich/Deutschland 2014)
  • “Take me Home” von Abbas Kiarostami (Iran 2016)
  • “Cantar con sentido, una biografía de Violeta Parra” von Leonardo Beltrán (Chile 2016)
  • “New Voices in an Old Flower” von Quino Piñero (Äthiopien/Spanien 2016)
  • “The Other Side of Hope” von Aki Kaurismäki (Finnland/Deutschland 2017)
  • “KFC” von Lê Bình Giang (Vietnam 2016)
  • “La Vida de Calabacín” von Claude Barras (Frankreich/Schweiz 2016 – BAFICITO)
  • “Aprile” von Nanni Moretti (Italien 1998)
  • “The Clash: Westway to the World” von Don Letts (Großbritannien 2000 – Teil des Punk-Zyklus)

Alle Infos hier.

Foto:
Claude Barras mit seinem Filmhelden Zucchini.

¿Quién está dónde? Who is where?

Proyecto artístico argentino-suizo en Basilea


Proyecto coordinado por dos curadores independientes Monika Dillier (Basel) y Santiago Bengolea (Buenos Aires); el cual consiste en el trabajo en conjunto de artistas y curadores de Basilea y Buenos Aires durante 15 días produciendo in-situ una muestra en colaboración donde también se realizarán charlas, debates, comidas, música, proyecciones, etc. El programa completo se desarrollará del 16 al 30 abril de 2017.

“¿Quién está dónde? Who is where?” se basa en la investigación y desarrollo de la práctica del dibujo en todas sus manifestaciones y variaciones, siempre desde el trabajo en colaboración, las experiencias grupales, la potencia de la no individualidad, la horizontalidad y el replanteo de los límites (los roles, el lenguaje, la geografía, etc) y como funciona exponencialmente el trabajo conjunto, las distintas miradas fundidas en una obra o en una actividad en común.

El proyecto tendrá lugar en Villa Renata, Basel, del 16 al 26 de abril, y la exposición se abrirá al público del 27 al 30 de abril, ocupando todas las instalaciones del Centro Cultural y los alrededores de la ciudad de Basel.

Los artistas y curadores participantes de Basel y Buenos Aires son Monika Dillier, Santiago Bengolea, Birgit Kempker, Gaspar Acebo, Chris Hunter, Melina Berkenwald, Mariano Ferrante, Julia Geröcs, Guido Nussbaum, Mónica Giron, Antonio Panno, Maria Magdalena Z’Graggen, Julim Rosa, Andrea Saemann y Augusto Zanela.

Foto:
Panno, Ferrante, Giron, Bengolea, Berkenwald, Zanela.

Hommage an Rodolfo Walsh

Nationalbibliothek in Buenos Aires erinnert mit Ausstellung an den Journalisten

Von Marcus Christoph


Er gilt als Begründer des investigativen Journalismus: Rodolfo Walsh. Vor 40 Jahren, am 25. März 1977, wurde der kritische Journalist und Schriftsteller von Schergen der Militärdiktatur auf offener Straße in Buenos Aires erschossen. In der Nationalbibliothek in Buenos Aires erinnert in diesen Wochen die Ausstellung “Los oficios de la palabra” (Das Handwerk des Wortes) an Walsh.

Dargestellt wird das Werk des Autors in allen seinen Facetten. Beispielsweise Materialien und Manuskripte für Bücher wie “¿Quién mató a Rosendo?” (Wer erschoss Rosendo G.?), in dem Walsh über den Mord an dem Gewerkschaftsführer Rosendo García im Jahr 1966 schreibt.

Eine nachgestellte Müllkippe in einem Gang der Ausstellung erinnert an die Erschießungen auf der Müllhalde in José León Suárez (Provinz Buenos Aires) in der Nacht des 9. Juni 1956, veranlasst durch die damalige Militärregierung von Pedro Aramburu. Walsh traf einen Überlebenden des Massakers und begann zu recherchieren. Das daraus resultierende Werk “Operación Masacre” wurde zu einem Meilenstein der lateinamerikanischen Literatur und zu einem Vorläufer des New Journalism, der sich in den USA entwickelte. 1972 wurde “Operación Masacre” von Jorge Cedrón verfilmt. Am Drehbuch wirkte Walsh mit. Auf einer Wandprojektion kann man den Film in der Ausstellung sehen.

Walsh wirkte auch außerhalb von Argentinien. 1959 gründete er mit anderen Kollegen im revolutionären Kuba die Nachrichtenagentur “Prensa Latina” mit. Später kehrte er in sein Heimatland zurück und schrieb für die Zeitschriften “Primera Plana” und “Panorama”. 1973 schloss er sich der Guerrillabewegung “Montoneros” an, die er aber zwei Jahre später wieder verließ.

Nach dem Staatsstreich der Militärs 1976 gründete Walsh das Informationsnetzwerk ANCLA. Am 24. März 1977 verfasste er seinen “Offenen Brief eines Schriftstellers an die Militärjunta”, in dem er die Verbrechen des Militärregimes anprangerte. Diesen sandte er an argentinische Tageszeitungen und Auslandskorrespondenten. Die Machthaber veranlassten daraufhin die Verhaftung des Autors. Als dieser sich widersetzte, kam es zu einem Schusswechsel, bei dem Walsh ums Leben kam. Dies ereignete sich an der Straßenecke San Juan und Entre Ríos. Die dort befindliche U-Bahnstation der Linie E trägt heute den Namen “Entre Ríos – Rodolfo Walsh”.

Die Ausstellung in der Nationalbibliothek (Aguero 2502) ist noch bis Juli 2017 montags bis freitags von 9 bis 21 Uhr sowie sonnabends und sonntags von 12 bis 19 Uhr zu sehen.

Filmperlen und neue Spielstätten

Kinofestival BAFICI 2017 vom 19. bis 30. April / Vorverkauf hat begonnen

Von Michaela Ehammer und Susanne Franz


Die 19. Ausgabe des “Buenos Aires Festival Internacional de Cine Independiente” (BAFICI) findet in diesem Jahr vom 19. bis 30. April statt. Vollgepackt mit über 400 Filmen bietet das diesjährige Programm eine große Auswahl an Filmperlen für jeden Geschmack und jedes Alter, wie Festivaldirektor Javier Porta Fouz vor wenigen Tagen bei der Pressekonferenz zur Vorstellung des Festivals in der Usina del Arte in Buenos Aires betonte. Das Festival glänzt mit über 100 internationalen Filmpremieren und mehr als 100 Lateinamerikapremieren und bietet im Nebenprogramm zahlreiche Workshops, Ausstellungen sowie Gespräche mit Größen aus dem Filmbusiness, wie dem Italiener Nanni Moretti.

Mit insgesamt 32 Spielstätten zeigt das BAFICI, dass es von Jahr zu Jahr durch die Liebe der Kinobegeisterten wächst und gedeiht. Neue Ausstrahlungsorte befinden sich in diesem Jahr beispielsweise im Stadtteil Chacarita (die Kultureinrichtung Carlos Gardel), in Paternal (Resurgimiento) oder in Boedo (Julián Centeya und Nicolás Olivari).

Auch das Freilichtkino erhält in der diesjährigen Ausgabe einen höheren Stellenwert. Zum bereits etablierten Kino im Amphitheater des Parque Centenario kommen nun auch Leinwände an der Plaza Martín Fierro und im Patio Salguero. Zudem finden an der Plaza Francia täglich kostenlose Filmvorführungen im Freien statt – ideal für Familien, Freunde oder Verliebte.

Eröffnet wird das Filmfestival im Cine Gaumont mit der deutschen Komödie “Casting” von Nicolas Wackerbarth, die bei der diesjährigen Berlinale Premiere feierte. Weitere deutsche Filme im Programm sind u.a. die Dokumentation “Beuys” von Andres Veiel, die als Lateinamerikapremiere gezeigt wird, und “Goodbye Berlin” von Fatih Akin (Foto). Akins Film basiert auf dem Bestseller “Tschick” (2010) des deutschen Schriftstellers Wolfgang Herrndorf (1965-2013).

Der Kartenvorverkauf läuft seit dem 10. April im Village Recoleta oder online.

Wunderschön, subtil und tragisch

Dostojewskis “La mansa” in César Bries Adaptation und Inszenierung

Von Susanne Franz

Die Adaptation des argentinischen Theatermachers César Brie der Novelle “Die Sanfte” (1876) von Fjodor Dostojewski kommt mit sparsamsten Mitteln aus und verlässt sich vor allem auf die Darstellungskunst der beiden Hauptpersonen. Das Ergebnis ist eine meisterhafte Inszenierung (César Brie führt auch Regie).

Eine junge Frau liegt auf einem Tisch, sie ist tot, und ein schon älterer Mann versucht, Gründe dafür zu finden, warum sie sich umgebracht hat. Er erzählt die Geschichte der beiden, und die Darstellerin spielt die Frau, an die er sich erinnert und die noch vor wenigen Stunden neben ihm geatmet hat.

Der Mann, ein Pfandleiher, entdeckt das 16-jährige Mädchen, als es bei ihm Familienerbstücke versetzt, um eine Stellenanzeige in der Zeitung aufgeben zu können. Sie ist Waise und lebt seit drei Jahren bei ihren tyrannischen Tanten, die sie nun mit einem alten, reichen Kaufmann verheiraten wollen, der bereits zwei Ehefrauen im Suff totgeschlagen hat. Als der Pfandleiher sie um ihre Hand bittet, sieht sie in ihm einen Retter in der Not.

Doch die Ehe der beiden ist von Anfang an zum Scheitern verurteilt, denn der Mann will das Mädchen beherrschen, und er erzählt ihr nichts von seinen Schwächen und Ängsten. Nach einem Streit bricht sie aus und trifft sich mit einem Offizier, der Mann holt sie zurück, und in der Nacht fühlt er, wie sie eine Pistole an seine Schläfe hält. Er rührt sich nicht, und sie gibt den Wunsch, ihn zu töten, nach einer Weile auf. Dies ist das Ende ihrer Beziehung, denn er wertet das Ereignis als Sieg, sie aber verachtet ihn für seine Feigheit. Als der Mann schließlich Monate später seine Liebe zu ihr gesteht, ist es zu spät.

Während das Stück einerseits die patriarchalischen Verhältnisse im Russland des 19. Jahrhunderts widerspiegelt, ist es zugleich universell gültig: Für alle, deren Notsituation oder Schwäche ausgenutzt werden und die sich dennoch eine innere Freiheit bewahren, und sollte sie den Tod bedeuten. Für diejenigen, die in der aussichtslosen Spirale des Schweigens in der Liebe gefangen sind, in der man sich immer weiter voneinander entfernt, obwohl man sich anscheinend nicht losgelassen hat. Und für alle, die einen geliebten Menschen verloren haben und angesichts des Todes alles Ungesagte und Ungelebte bereuen. “Liebt einander”, sagt die Sanfte im Augenblick ihres Todes zum Publikum gewandt, und jedem wird bewusst, wie kostbar das Leben ist.

César Bries Inszenierung ist wunderschön, subtil und stimmig in jedem Detail: Angefangen bei der Kostümierung im Stil der Epoche von Carolina Ferraioulo über die Originalmusik und die Arrangements von Pablo Brie bis zu Bühnenbild und Beleuchtung (Duilio della Pittima). Aber das Beeindruckendste ist die Schauspielkunst der beiden Protagonisten: Abril Piterbarg als die Sanfte, deren ausdrucksvolle Bewegungen die Tänzerin verraten und die auch als Sängerin brilliert, aber besonders Iván Hochman, der erst Anfang 20 ist, aber den 40-jährigen Pfandleiher ebenso brillant verkörpert wie den schleimigen fetten Kaufmann und den lüsternen Offizier: Hier sieht man ein Schauspielertalent, vor dem man sich nur verneigen kann.

“La mansa. Un cuento ruso” kann man nur noch bis zum 21. April sehen: im Teatro El Extranjero, Valentín Gómez 3378, freitags um 21 Uhr. Eintritt: 200 Pesos. Es wird empfohlen, zu reservieren: 4862-7400 oder bei Alternativa Teatral.

Foto:
Abril Piterbarg und Iván Hochman in “Die Sanfte”.

Warte, warte nur ein Weilchen

Hamburger Kunsthalle zeigt Ausstellung “WARTEN. Zwischen Macht und Möglichkeit”

Von Nicole Büsing & Heiko Klaas


Fünf Minuten, zehn Minuten, eine Viertelstunde. Warten gehört zum Alltag. Egal ob im Feierabendstau, an der Bushaltestelle, beim Check-in am Flughafen oder – der Klassiker – beim Hausarzt im Wartezimmer voller schniefender und dauerhustender Patienten. Wir alle kennen dieses enervierende Gefühl, diesen unproduktiven Zwischenzustand im minutiös durchgetakteten Tagesablauf.

Doch halt: Bedeutet Warten wirklich immer nur etwas Negatives? Lässt sich der vermeintliche Zeitverlust nicht auch produktiv oder kreativ nutzen? “Wer es aushalten kann, zu warten, der gewinnt immer!”, diese Erkenntnis gab schon Robert Musil seinem “Mann ohne Eigenschaften” mit auf den Weg.

Die Galerie der Gegenwart in der Hamburger Kunsthalle geht dem ambivalenten Phänomen des Wartens jetzt genauer auf den Grund. 23 internationale Künstler präsentieren in der groß angelegten Ausstellung “WARTEN. Zwischen Macht und Möglichkeit” Videoarbeiten, Installationen, Skulpturen, Fotografien und Performances zum Thema.

Brigitte Kölle, die Kuratorin der Schau, will mit ihrer Auswahl aber auch zeigen, dass es sich durchaus lohnen kann, sich dem Warten wieder ganz bewusst auszusetzen: “Geduld und Langmut geraten in unserer Zeit, in der alles jederzeit und überall verfügbar erscheint, vermehrt aus dem Blick. Pausenfüllender Konsum und der minütliche Kontrollblick aufs Smartphone vertreiben das Warten und damit auch eine mögliche Zeit der Reflexion und des Bei-Sich-Seins.”

Genau das scheinen sich auch die unter einer Autobahnbrücke in Nigeria verharrenden Ölarbeiter in einer Videoinstallation des Belgiers David Claerbout zu Herzen zu nehmen. Einen kurzen, aber heftigen Regenschauer nutzen sie, um sich mit ihren Sinnen ganz dem Naturereignis auszusetzen.

Was gibt es noch zu sehen? Gleich im Lichthof der Galerie der Gegenwart hat das dänisch-norwegische Künstlerduo Elmgreen & Dragset ein Rollgerüst aufgebaut. Oben drauf sitzt ein barfüßiger blonder Junge mit Jeans und Kapuzenjacke, neben sich eine Cola-Dose. Seine Turnschuhe liegen auf dem Boden. Worauf wartet er? Auf das Heranwachsen, die Erkenntnis der Welt? Oder nur auf seine Kumpel, die gleich um die Ecke biegen?

Der Düsseldorfer Fotograf Andreas Gursky ist mit vier Aufnahmen aus seiner frühen Serie “Pförtner” (1982-1987) vertreten. Gursky porträtiert hier Empfangsmitarbeiter in den Respekt einflößenden Lobbys von Industrieunternehmen und Versicherungskonzernen. In ihrer statuarischen Ernsthaftigkeit erinnern sie an den unerbittlichen Wächter aus Franz Kafkas Türhüter-Parabel “Vor dem Gesetz”.

Dass uns das Warten, insbesondere an Bushaltestellen, immer wieder heimsucht, stellen gleich mehrere Künstler unter Beweis. Von der Berliner Fotografin Ursula Schulz-Dornburg sind Schwarz-Weiß-Aufnahmen von modernistischen Bushalte-stellen in Armenien zu sehen – im Überschwang sozialistischer Utopien haben die Architekten ihrer Phantasie und dem Sichtbeton hier freien Lauf gelassen.

Gleich gegenüber der Kunsthalle auf dem Glockengießerwall hat Michael Sailstorfer ein Wartehäuschen der besonderen Art aufgebaut: Der ursprünglich aus dem ländlichen Bayern stammende Künstler transferiert eine ausgediente Bushaltestelle aus seiner Heimat nach Hamburg und richtet sie mit dem Nötigsten ein: Bett, Küche, Wasser, Strom und WC – genau die richtige Grundausstattung, falls der Bus dann doch mal später kommt.

Wundern sollten sich Besucher der Hamburger Kunsthalle in den nächsten Monaten auch dann nicht, wenn sie hier und da auf eine sich plötzlich bildende Warteschlange stoßen: Der slowakische Konzeptkünstler Roman Ondák erzeugt mit unangekündigten Performances beim Betrachter Neugier, aber auch das nagende Gefühl, von etwas ausgeschlossen zu sein.

Auch wenn es dem Einzelnen gelingen mag, das Warten hin und wieder als kreative Auszeit zu nutzen – am Ende spiegelt es immer auch gesellschaftliche Machtverhältnisse wider. Eine ernüchternde Erkenntnis von Brigitte Kölle lautet denn auch: “Privilegierte und Menschen mit Macht warten nicht; sie lassen warten.”

  • Ausstellung: WARTEN. Zwischen Macht und Möglichkeit
  • Ort: Hamburger Kunsthalle, Galerie der Gegenwart
  • Zeit: 17. Februar bis 18. Juni 2017. Di-So 10-18 Uhr. Do 10-21 Uhr
  • Katalog: zu dieser Ausstellung erscheint keine Publikation
  • Internet

Fotos von oben nach unten:
Tobias Zielony (*1973), “Lee + Chunk”, 2000.
(Zielony)

Ursula Schulz-Dornburg (*1938), “Erevan-Parakar”, 2004.
(Schulz-Dornburg)

Roman Ondak (*1966), “Good Feelings in Good Times”, inszenierte Warteschlange, 2003.
(Tate/Riechers)