Magier der Farbe

Yves Klein-Retrospektive in der Fundación Proa

Von Susanne Franz


Der französische Avantgarde-Künstler Yves Klein (1928-1962) gilt als Vorläufer der Pop Art und der Konzeptkunst. Erverfasste Essays, komponierte Musik und drehte Filme. Bekannt sind aber vor allem seine monochromen Bildkompositionen, insbesondere diejenigen, die er in einem von ihm entwickelten und unter dem Namen “International Klein Blue” (IKB) patentierten Ultramarinblau anfertigte. In Buenos Aires wird am morgigen Samstag in der Fundación Proa eine bedeutende Retrospektive des visionären Künstlers eröffnet, die bis zum 31. Juli zu sehen sein wird.

Kuratiert von Daniel Moquay von den Yves Klein Archives – er ist heute mit Rotraut Klein, der Witwe Yves Kleins und Schwester von Günter Uecker verheiratet – und unter der Schirmherrschaft der Französischen Botschaft in Argentinien, vereint die Ausstellung die wichtigsten Werke Yves Kleins – 70 an der Zahl. Zum ersten Mal wird sein Werk so ausführlich in Lateinamerika gewürdigt.

Neben den ersten monochromen Werken von 1955, den Gemälden in seinem berühmten Blau und den Feuergemälden sind auch seine Schwammreliefs und Werke in Gold ausgestellt. Einige der wegweisenden Performances Yves Kleins sind anhand von Dokumenten und Fotografien aus dem umfangreichen Archiv des Künstlers zu sehen.

Die Ausstellung in der Fundación Proa (Av. Pedro de Mendoza 1929) ist vom 18. März bis 31. Juli 2017 dienstags bis sonntags von 11 bis 19 Uhr zu sehen, der Eintritt kostet 50 Pesos. Es gibt zahlreiche Angebote im Umfeld der Schau – einen Kurs über Yves Klein, eine Aufführung eines seiner Konzerte, Butoh-Tanz, Performances, die sein Werk zum Thema haben, und im Juni ein internationales Yves Klein-Kolloquium.

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Sein erstes Werk schuf Yves Klein 1946, als er – in Nizza am Strand liegend – den blauen Himmel signierte.

Künstler zwischen den Welten

Argentinier Scasso eröffnet Pollock-Jahr in Mülheim/Ruhr

Von Susanne Franz


Der argentinische Künstler Alejandro Scasso, der 20 Jahre in Köln gelebt und dort eine Familie gegründet hat, hat zwar vor vier Jahren seinen Hauptwohnsitz wieder nach Buenos Aires zurück verlegt, verbringt aber weiterhin mehrere Monate im Jahr in Deutschland. Diesmal ist der Doppelstaatsbürger seit kurz vor Weihnachten im kalten Europa. Schlittenfahren an den Wochenenden gehört dabei genauso zu seinem Programm wie ausgedehnte Streifzüge durch die Museen und Galerien in Köln und Umgebung. Und es läuft gerade eine erfolgreiche Ausstellung des Künstlers in Mülheim an der Ruhr.

Frage: Du hast am 4. Februar eine Ausstellung in der “Galerie an der Ruhr” (Ruhr Gallery) eröffnet. Wie war die Resonanz des Publikums/der Medien?

Alejandro Scasso: Die Ausstellung war sehr gut besucht, und besonders erfreulich war es, dass viele Freunde aus den verschiedensten Ecken Deutschlands angereist sind. Es sind einige Artikel in verschiedenen Zeitungen erschienen und in dem Fernsehmagazin WDR lokal wurde ein kurzer Beitrag über die Ausstellung gesendet.

Frage: Mit deiner Ausstellung wurde in der “Galerie an der Ruhr” das “Pollock-Jahr” eröffnet. Siehst du Parallelen zwischen deiner Arbeit und der des US-amerikanischen abstrakten Expressionisten?

Alejandro Scasso: Ja, in meinen Arbeiten setze ich mich sehr intensiv mit den Elementen und der Grammatik des abstrakten Expressionismus und seinem Einfluss auseinander, wobei ich über Sinn und Bedeutung der menschlichen Geste nachdenke und wie diese im Kontext des digitalen Zeitalters überleben kann.

Frage: Konntest du neue Kontakte knüpfen, haben sich Gelegenheiten zu weiteren Ausstellungen ergeben?

Alejandro Scasso: Ja, ich nehme an der Pollock-Ausstellung der “Galerie an der Ruhr” im Mai teil, und gleichzeitig habe ich eine große Ausstellung im Hauptgebäude der “Banco Ciudad” in Buenos Aires (Florida / Ecke Sarmiento), welches gerade renoviert wurde. Damit wird das Einzelausstellungsprogramm dieses Ortes eröffnet.

Frage: Wie gefällt dir die Kunstszene in Köln und im Ruhrgebiet, sind momentan besonders interessante Ausstellungen zu sehen?

Alejandro Scasso: Köln ist eine Stadt, wo man im Umkreis von 50 Kilometern viele verschiedene Museen und Galerien besuchen kann. In Köln ist beispielsweise das Museum Ludwig, wo momentan die 26 neuen abstrakten Gemälde von Gerhard Richter ausgestellt werden, die alle 2016 entstanden sind. Dies ist seinem 85. Geburtstag gewidmet. Ein weiteres spannendes Museum, welches die Kultur Asiens gut in einer großen Sammlung repräsentiert, ist das Museum für Ostasiatische Kunst. Ein Museum, welches ich letztens zum ersten Mal besucht habe, war das Max Ernst-Museum in Brühl, es hat mich aufgrund seiner umfangreichen Sammlung der Arbeiten des Künstlers sehr beeindruckt. Am Dienstag war ich in Essen und habe den neuen, erstaunlichen Anbau des Museums Folkwang bestaunen können.

Frage: Fährst du nächste Woche auf die spanische Kunstmesse Arco, wo Argentinien in diesem Jahr Gastland ist?

Alejandro Scasso: Ja, da möchte ich einige Sammler treffen, und die Gelegenheit nutzen, um Kontakte für weitere Ausstellungen zu knüpfen. Demnächst kann ich gerne über die Eindrücke der Messe berichten.

Vielen Dank für das Gespräch!

(Alejandro Scassos Ausstellung in der “Galerie an der Ruhr”, Ruhrstr. 3 / Ecke Delle, Mülheim an der Ruhr, ist noch bis zum 24. Februar geöffnet.)

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Die Chemie stimmt zwischen Argentinien und Deutschland: Alejandro Scasso (links) mit Galerist Ivo Franz bei der Eröffnung in der “Galerie an der Ruhr”.
(Foto: Stephan Wirges)

Begegnungen auf Augenhöhe

Künstlerporträts von Angelika Platen im Willy-Brandt-Haus in Berlin

Von Nicole Büsing und Heiko Klaas


Ob Joseph Beuys, Christo, Man Ray oder Walter de Maria. Die Ausstellung “Künstlern auf der Spur – Portraits 1968-2008”, die am 26. Januar mit einer launigen Eröffnungsrede von Krist Gruijthuijsen, dem frischgebackenen neuen Leiter der Kunst-Werke Berlin – KW Institute for Contemporary Art, im Willy-Brandt-Haus in Berlin eröffnet wurde, versammelt ikonische Schwarz-Weiß-Aufnahmen der bekanntesten Künstler der letzten fünf Jahrzehnte.

Ob bei der 4. Documenta in Kassel 1968, in Künstlerateliers, im Stadtraum oder bei den damals überall stattfindenden Happenings und Aktionen im Rheinland, in Hamburg oder Berlin: Die Frau mit der Kamera war um 1968 fast überall dabei. Die Fotografin Angelika Platen machte über viele Jahre einfühlsame Künstlerporträts von Andy Warhol bis Blinky Palermo, von Sigmar Polke über Günther Uecker bis Gerhard Richter. Sie war ihnen stets auf den Fersen, ob bei der Arbeit im Atelier, beim Installieren im Ausstellungsraum oder der Auszeit irgendwo in der Natur.

Ihre Schwarz-Weiß-Fotos entwickelte sie ganz klassisch in der Dunkelkammer und veröffentlichte sie in Zeitschriften und Magazinen. Heute lebt Angelika Platen, die auch als Journalistin für die Wochenzeitung “Die Zeit”, als Galerieleiterin in Hamburg und Kommunikationsleiterin eines Automobilunternehmens in Paris tätig war, in Berlin und Cannes.

Nach 20 Jahren Pause hat sie seit den späten 1990er Jahren ihre alte Tätigkeit wieder aufgenommen. Zu den “Platen Artists” der zweiten Phase zählen Julian Rosefeldt, John Armleder, Jeff Koons oder Jonathan Meese. Aber auch gealterte, von Krankheit gezeichnete Künstler wie Hanne Darboven hat sie kurz vor ihrem Tod noch einmal besucht. Im Willy-Brandt-Haus hängt jetzt eindrucksvoll das Foto von der jungen Konzeptkünstlerin neben der Aufnahme der alten Grande Dame aus Hamburg.


Angelika Platen macht unermüdlich weiter. Stets auf der Suche nach jungen Künstlern der nächsten Generation, den neuen charismatischen Köpfen. Die diesjährige Documenta wird ihr dafür sicherlich viel Futter liefern.

  • “Künstlern auf der Spur. Portraits 1968-2008” von Angelika Platen
  • Willy-Brandt-Haus Berlin
  • Bis 5. März 2017, Di-So 12-18 Uhr.
  • Parallel dazu: “Angelika Platen. Dialog.digital.analog”.
  • Galerie Michael Schultz, Berlin.
  • Bis 18. März 2017, Di-Fr 10-19 Uhr, Sa 10-14 Uhr.

Fotos von oben nach unten:
Angelika Platen: bpk, Günther Uecker, Düsseldorf, 1971.
© Angelika Platen

Angelika Platen: bpk, Julian Rosefeldt, Berlin, 2001.
© Angelika Platen

Comiczeichner zum Anfassen

“Noche de los dibujantes” in der Ciudad Cultural Konex

Von Susanne Franz


Originelle “Wettkämpfe” zwischen Comiczeichnern, Ausstellungen und Versteigerungen von Originalzeichnungen, eine Bibliothek unter den Sternen, Stand-Up- und andere Shows, Live-Interviews mit beliebten Stars aus der Zeichner- und Karikaturistenszene und offene Ateliers, in denen man den Künstlern beim Malen und Erfinden über die Schulter schauen kann: Am morgigen Freitag, den 17. Februar, ist in der Ciudad Cultural Konex so richtig was los. Die “Noche de los dibujantes” ist eine Mega-Veranstaltung für die ganze Familie, in deren Rahmen man seine Stars von Nahem bewundern kann, ihnen zuschauen oder zuhören oder sogar mit ihnen sprechen kann – zum Beispiel in der Bar der Ciudad Cultural Konex. Hier setzen sich die Künstler extra zu dem Zweck an die Tische, damit sich ihre Fans zu ihnen gesellen und sich mit ihnen unterhalten können.

Zu den vielen bekannten Comiczeichnern, die an der “Noche de los dibujantes” teilnehmen, gehören Ale Lunik, Aleta Vidal, Altuna, Andrés Alvez, Andrés Lozano, Ariel López V., Ariel Olivetti, Augusto Costhanzo, Ayar, Bernardo Erlich, Bobillo, Braian Janchez, Cacho Mandrafina, Capitán Manu, Carlos Aon, Clara Lagos, Daniel Paz, Dante Ginevra, Delius, Diego Greco, Emilio Utrera, Federico Pazos, Fernando Calvi, Gastón Souto, Gory, Gustavo Deveze, Horacio Langlois, Huron, Ignacio Noé, Iñaki Echeverría, Isol, Iván Riskin, Jok, Jorh (Jorge Luis Lepera), Joris, José Mazzaroli, Juan Manuel Puerto, Julieta Arroquy, Kiko, Lalia, Langer, Lara Lee, Laura Salomone, Lautaro Fiszman, Lea Caballero, Lito Fernández, Lucas Giraldez, Maartje, Maicas, Majox, Mantrul, Marcos Vergara, Martin Túnica, Max Aguirre, Nahuel Amaya, Niño Rodríguez, Oscar Capristo, Pablo Filippo, Pablo Túnica, Parès, Pati, Patricia Breccia, Pedro Mancini, Pipi Sposito, Podetti, Powerpaola, Quique Alcatena, Razz, Rep, Rodrigo Lujan, Rovella, Sala, Salvador Sanz, Santiago Fredes, Sagarnaga, Sebastián Ramseg, Sole Otero, Tute und Von Chuyo.

Spaß und interessanter Input sind vorprogrammiert: von 19 Uhr bis 2 Uhr morgens am 17. Februar, im Ciudad Cultural Konex, Sarmiento 3131, Buenos Aires. Eintrittspreise: 250 Pesos (eingeschlossen ist 1 Spezialblatt mit Aufdruck, auf dem man vom Karikaturisten seiner Wahl eine Zeichnung anfertigen lassen kann) bzw. 350 Pesos (eingeschlossen sind 2 Spezialblätter). Kinder unter 10 Jahren haben freien Eintritt. Infos hier.

Neues Domizil für die Berliner DAAD-Galerie

In den neuen Räumlichkeiten auf der Oranienstraße werden die Stipendiaten in Zukunft mit Bildender Kunst, Literatur, Musik und Film, Tanz und Performance ihren Auftritt haben

Von Nicole Büsing und Heiko Klaas

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Weihnachten ist vorbei, und die ausrangierten Tannenbäume verrotten längst im Schneematsch auf den Berliner Bürgersteigen. Dennoch erklang am 14. Januar vor zahllosen Eröffnungsgästen noch einmal die traditionelle Melodie “O Tannenbaum”. Die südkoreanische Künstlerin Minouk Lim benutzte das weltweit bekannte Lied und seine diversen Varianten in einer Performance, die im Rahmen ihrer Ausstellung “New Town Ghost GAGA HOHO” im neu eröffneten Domizil der DAAD-Galerie in Berlin-Kreuzberg stattfand. So wie es in ihrer Heimat üblich ist, vollzog Lim ein traditionelles Ritual, um das Wohlwollen der Hausgeister für die neuen Bewohner zu erbitten.

Die neuen Bewohner der rund 500 Quadratmeter großen, sich über zwei Etagen erstreckenden Räumlichkeiten sind die Mitarbeiter und Gäste des Berliner Künstlerprogramms des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD). Gegründet wurde das Berliner Künstlerprogramm 1965 als Nachfolger eines bereits zwei Jahre zuvor von der US-amerikanischen Ford Foundation aufgelegten Programms. Zu einer Zeit also, als der Mauerbau noch frisch war und die Stadt drohte, international isoliert zu werden. Den Initiatoren galt West-Berlin damals als “verletzliche Insel inmitten des kommunistischen Meeres”, die es auch in kultureller Hinsicht zu stärken galt – was auch gelang.

Die Liste der rund 1000 bisherigen Stipendiaten liest sich denn auch wie ein Who’s Who der Kulturgeschichte der letzten 50 Jahre: Ingeborg Bachmann, Susan Sontag, Nan Goldin, Ilya Kabakov, Nam June Paik, Jim Jarmusch, Damien Hirst oder Cees Nooteboom. Sie alle waren auf Einladung des DAAD für ein Jahr in Berlin und hatten in dieser Zeit mit Ausstellungen, Lesungen oder Filmpräsentationen ihren Auftritt im Rahmen des Berliner Künstlerprogramms. Viele sind länger in der Stadt geblieben oder kehren seitdem regelmäßig zurück. Heute kommen bis zu 20 Stipendiaten pro Jahr, die, ausgestattet mit einem monatlichen Zuschuss von 2300 Euro, 12 Monate lang vor Ort arbeiten können.

Am neuen, zentralen Ort auf der Oranienstraße 161, mitten im belebten Kreuzberger Kiez, werden in Zukunft Bildende Kunst, Literatur, Musik und Film, Tanz und Performance, mithin also alle Sparten des international angesehenen und maßgeblich vom Auswärtigen Amt und dem Berliner Senat finanzierten Residenzprogramms ihren Auftritt haben.

Umgebaut hat die in einem Jugendstilgebäude des jüdisch-ungarischen Architekten Oskar Kaufmann (1873-1956) gelegenen Räume das Architekturbüro Kuehn Malvezzi. Die Berliner gelten spätestens seit dem Umbau der Kasseler Binding-Brauerei 2002 für die Documenta 11 als Spezialisten für clevere Lösungen im Kunstsektor. Zu den weiteren realisierten Projekten gehört etwa die Flick Collection im Hamburger Bahnhof, der Umbau der Berlinischen Galerie oder die Julia Stoschek Collection in Düsseldorf.

Mit dem Umzug in die Oranienstraße verlässt die DAAD-Galerie auch ihre bisherigen Räumlichkeiten in der Zimmerstraße beim Checkpoint Charlie. Als sie dort im Jahr 2005 ihre Zelte aufschlug, galt die Gegend noch als Hotspot der Berliner Galerienlandschaft. Doch die Galerien sind längst weitergezogen und haben eher touristischen Angeboten Platz gemacht. Höchste Zeit also auch für die DAAD-Galerie, sich eine passendere Nachbarschaft zu suchen. Zusammen mit Bazon Brocks Debattenwerkstatt Denkerei als Nachbar zur linken Seite und dem ebenfalls umtriebigen Programm des Aufbau Hauses zur rechten Seite am Moritzplatz gelegen, entsteht jetzt ein kulturelles Cluster, das Kreuzberg gut zu Gesicht steht.

Foto:
DAAD-Galerie, Außenansicht.
(Foto: Heiko Klaas)

Tage wie diese

Ausstellung und Buch von Omar Panosetti in der Galerie Ensemble

Von Susanne Franz

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Argentinien ist zwar ein junges Land, aber es schaut auf eine turbulente Geschichte zurück, voller Ereignisse, die sich unauslöschlich in die Erinnerung jedes Einzelnen und in das kollektive Bewusstsein eingegraben haben und die identitätsstiftend geworden sind. “Un Día de Esos” (Einer von diesen Tagen) nennt der argentinische Künstler Omar Panosetti seine Ausstellung mit begleitendem Buch, die Mitte November in der Galerie Ensemble eingeweiht wurde. Die über 20 unveröffentlichten Werke des 1960 geborenen Meisters haben beispielsweise den Malwinenkrieg, das Attentat auf die Amia 1994, die Krise 2001 oder den Brand in der Diskothek Cromañon zum Thema, aber auch die mutigen Märsche der Mütter der Plaza de Mayo oder die Errungenschaft der gleichgeschlechtlichen Ehe sind Themen – und natürlich die “Hand Gottes”, das umstrittene Tor, das Diego Maradona 1986 in Mexiko gegen Großbritannien erzielte.

Panosettis unnachahmlicher Malstil gibt seinen Bildern den Anstrich von Leichtigkeit, als sei das Werk ohne viel Mühe entstanden – das Ergebnis einer langen, fundierten Laufbahn, die es ihm erlaubt hat, immer freier und gewagter seiner künstlerischen Sprache Ausdruck zu verleihen. Seine schrägen Perspektiven sind mit typischen Pano-Elementen wie Hochhäusern, Hunden, Herzen und an Karikaturen anmutenden Menschen bevölkert, und in dieser Serie auch “nationalen” Symbolen wie der Flagge, der Pyramide auf der Plaza de Mayo oder dem Obelisken.

Das bunte Chaos, das wie zufällig zusammengewürfelt scheint, ergibt ein perfektes Ganzes, das auch die gesamte Gefühlsbandbreite des jeweiligen Ereignisses transportiert – den Horror angesichts der fast 200 verbrannten jungen Menschen in Cromañon, die Tragik der Versenkung der “Belgrano”, die Verzweiflung angesichts des schrecklichen AMIA-Attentats, die Untergangsstimmung und zugleich die Absurdität der Krisentage um den 19. Dezember 2001.

Omar Panosetti ist ein wahrer Meister und seine Werke ein Genuss. Wie gut, dass die Ausstellung in der neu eröffneten Galerie Ensemble im schicken Stadtviertel Recoleta (Guido 1746) noch bis März 2017 geöffnet sein wird! Man kann die Bilder auch zu relativ erschwinglichen Preisen erwerben: Jedes der Werke existiert in einer limitierten Auflage von 10 signierten Exemplaren (30×40 cm-Giclée-Drucke auf 240gsm Aquarellpapier). Preise und Details zum Versand kann man in der Galerie oder bei omarpanosetti@gmail.com oder durch eine Nachricht auf seiner Facebook-Seite erfragen.

In dem die Ausstellung begleitenden schönen Büchlein, das für 300 Pesos zu haben ist, sind die Werke von Texten verschiedener Autoren aus dem Kulturbereich, Journalisten oder Geschichtswissenschaftlern begleitet.

  • Omar Panosetti, “Un Día de Esos”, Aquarelle.
  • Galería Ensemble, Guido 1746, Buenos Aires.
  • Mo-Fr 11-19 Uhr.
  • Bis März 2017.

Foto:
Omar Panosetti, “La Mano de Dios”.

Vulkan- und andere Ausbrüche

Der Roman “Territorium” von Germán Kratochwil – spannende und vielschichtige Lektüre

Von Susanne Franz

territoriumMit den Roman “Territorium”, der Ende 2016 im Picus-Verlag Wien erschienen ist, hat der österreichisch-argentinische Schriftsteller Germán Kratochwil seine Patagonien-Trilogie zu Ende geführt. Er begleitet die mit autobiographischen Zügen versehene Figur Ed Böhm, einen 77-jährigen ehemaligen Sozialwissenschaftler, in seine Holzhütte am Rande des idyllisch wirkenden patagonischen Städtchens Quemquemtréu. Die Hütte hatte vor vielen Jahren sein Vater dort errichtet, Ed hat sie mittlerweile mit ein wenig mehr Luxus ausgestattet – Strom und fließendem Wasser – und er fühlt sich dort wohl mit seinen Büchern und seinem Kater Zeno, dessen Gesellschaft er ebenso schätzt wie seine Unabhängigkeit.

Seine Frau Matilda hasst diese Einsiedelei. Sie bleibt in Buenos Aires, wo sie als Kinderärztin tätig ist, und im Grunde ist das Paar sich einig, dass Ed sich dann und wann auch für längere Zeit alleine nach Patagonien absetzt. Aber Matilda macht sich auch Sorgen um Ed, das vertraut sie ihrem Jugendfreund Carl Gustav, kurz Tse Ge, an, der auch mit Ed gut befreundet ist und diesen nun zum allerersten Mal in Patagonien besuchen will.

Tse Ge ist nicht der einzige Gast, den Ed erwartet – aus den Vereinigten Staaten kommt die Seismologin Clara Shuman, die Tochter seines alten Freundes Roy – und in die hat Ed sich Hals über Kopf verliebt. Zwischen Ed und der jungen Clara beginnt es gleich gehörig zu knistern, und als Tse Ge, der Bestseller-Autor aus Hamburg, der immer einen Spruch auf den Lippen hat, später hinzukommt, versucht er wieder einmal, wie schon damals bei Matilda, Ed die Angebetete auszuspannen.

Vor der Ankunft der beiden Gäste hat der Leser des sehr kurzweiligen und mit viel Sex gewürzten Romanes schon viele der Bewohner Quemquemtréus kennengelernt, denn fast alle Nachbarn waren auf einer Hochzeit: Rückwanderer aus Israel, die ein Hostel betreiben, in dem sich israelische Tramper auf ihrer Weltreise nach ihrem Militärdienst entspannen, der syrische Kaufmann Nadim Obeid, die 100-jährige Mapuche-Schamanin Kilakina Aurora und ihr elfjähriger Urenkel Cefo, der ihr einmal nachfolgen soll, der Aussteiger aus Italien Francesco Napoletano und seine Frau Betty sind nur einige davon. Auf den Ausflügen, die Ed in den folgenden Tagen mit Clara und Tse Ge unternimmt, begegnet man noch weiteren bunten Gestalten.

Auf den ersten Blick scheint die Multikulti-Gesellschaft in dieser paradiesischen Landschaft gut zu funktionieren und ein wahrer Rückzugsort von den Enttäuschungen der globalisierten Welt zu sein – aber unter der Oberfläche brodelt es. Das betrifft nicht nur die Gemeinschaft vonQuemquemtréu, wo es am Ende zu einem schrecklichen rassistischen Vorfall kommen wird, sondern auch den in der Nähe liegenden Vulkan Millaqueo, der wieder aktiv zu werden scheint. Und die Prophezeiungen der Schamanin sagen Fürchterliches voraus…

Von Anfang an sind alle Geschehnisse des vielschichtigen Romanes von Unruhe und Vorahnungen durchzogen. Kratochwil erzeugt mit sprachlicher Meisterschaft eine zugrundeliegende Spannung, die es schwer macht, das Buch aus der Hand zu legen.
Wenn man dementsprechend auch Einiges erwartet – am Ende verblüfft der Autor den Leser dann doch noch einmal vollkommen.

Tage wie diese

Ausstellung und Buch von Omar Panosetti in der Galerie Ensemble

Von Susanne Franz

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Argentinien ist zwar ein junges Land, aber es schaut auf eine turbulente Geschichte zurück, voller Ereignisse, die sich unauslöschlich in die Erinnerung jedes Einzelnen und in das kollektive Bewusstsein eingegraben haben und die identitätsstiftend geworden sind. “Un Día de Esos” (Einer von diesen Tagen) nennt der argentinische Künstler Omar Panosetti seine Ausstellung mit begleitendem Buch, die Mitte November in der Galerie Ensemble eingeweiht worden ist. Die über 20 unveröffentlichten Werke des 1960 geborenen Meisters haben beispielsweise den Malwinenkrieg, das Attentat auf die Amia 1994, die Krise 2001 oder den Brand in der Diskothek Cromañon zum Thema, aber auch die mutigen Märsche der Mütter der Plaza de Mayo oder die Errungenschaft der gleichgeschlechtlichen Ehe sind Themen – und natürlich die “Hand Gottes”, das umstrittene Tor, das Diego Maradona 1986 in Mexiko gegen Großbritannien erzielte.

Panosettis unnachahmlicher Malstil gibt seinen Bildern den Anstrich von Leichtigkeit, als sei das Werk ohne viel Mühe entstanden – das Ergebnis einer langen, fundierten Laufbahn, die es ihm erlaubt hat, immer freier und gewagter seiner künstlerischen Sprache Ausdruck zu verleihen. Seine schrägen Perspektiven sind mit typischen Pano-Elementen wie Hochhäusern, Hunden, Herzen und an Karikaturen anmutenden Menschen bevölkert, und in dieser Serie auch “nationalen” Elementen wie der Flagge, der Pyramide auf der Plaza de Mayo oder dem Obelisken. Das bunte Chaos, das wie zufällig zusammengewürfelt scheint, ergibt ein perfektes Ganzes, das auch die gesamte Gefühlsbandbreite des jeweiligen Ereignisses transportiert – den Horror angesichts der fast 200 verbrannten jungen Menschen in Cromañon, die Tragik der Versenkung der “Belgrano”, die Verzweiflung angesichts des schrecklichen AMIA-Attentats, die Untergangsstimmung und zugleich die Absurdität der Krisentage um den 19. Dezember 2001.

Omar Panosetti ist ein wahrer Meister und seine Werke ein Genuss. Wie gut, dass die Ausstellung in der neu eröffneten Galerie Ensemble im schicken Stadtviertel Recoleta (Guido 1746) noch bis März 2017 geöffnet sein wird! Wer ein originelles Weihnachtsgeschenk sucht: Jedes der Werke existiert in einer limitierten Auflage von 10 signierten Exemplaren (30×40 cm-Giclée-Drucke auf 240gsm Aquarellpapier). Preise und Details zum Versand kann man in der Galerie oder bei omarpanosetti@gmail.com oder durch eine Nachricht auf seiner Facebook-Seite erfragen.

In dem die Ausstellung begleitenden schönen Büchlein, das für 300 Pesos zu haben ist, sind die Werke von Texten verschiedener Autoren aus dem Kulturbereich, Journalisten oder Geschichtswissenschaftlern begleitet.

Ein Gespräch mit dem Künstler in der Galerie ist für den 10. Dezember um 19.30 Uhr angesetzt.

  • Omar Panosetti, “Un Día de Esos”, Aquarelle.
  • Galería Ensemble, Guido 1746, Buenos Aires.
  • Mo-Fr 11-19 Uhr.
  • Bis März 2017.

Foto:
Omar Panosetti, “La Mano de Dios”.

Experimenteller Mega-Event

FASE 8 vom 30.11. bis 18.12. im Centro Cultural Recoleta

Von Susanne Franz

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“Pensar la praxis” (Praxisorientiert denken), ist das Motto der diesjährigen achten Ausgabe des experimentellen Mega-Events FASE, der Kunst, Wissenschaft und Technologie verschmelzen lässt. Kunstprojekte werden in sogenannten “Kliniken” unter die Lupe genommen oder in Workshops realisiert, und unter den zahlreichen avantgardistischen Angeboten, die den Besucher erwarten, sind audiovisuelle Sets, Performances, Videomapping, interaktive Installationen und Projektionen von Videokunst.

Den Eröffnungsabend am kommenden Dienstag, den 29.11., sollten Menschen mit einem Hang zur Klaustrophobie meiden. Das Centro Cultural Recoleta (Junín 1930) wird sich an jenem Abend in einen reinen Hexenkessel verwandeln. Auch an den “normalen” Besuchertagen ist FASE besonders für dasjunge Publikum Jahr für Jahr ein großer Anziehungspunkt. Aber man hat dann wenigstens die Chance, in die hochinteressanten Projekte der Aussteller einzutauchen.

Mit dabei sind in diesem Jahr 25 nationale und internationale Institutionen und Kollektive sowie fast 300 Künstler, Kuratoren und Produzenten. Argentinien trumpft u.a. mit Aynilab. dem experimentellen Forschungszentrum der UNTREF, den Filmforschern des CIC, dem Espacio PLA, Forward sowie den Unis UBA/FADU, UMSA, UNA, UCA, UNLP, Bellas Artes. del Litoral. Maimonides und Quilmes. Aus dem Ausland kommen u.a. der Kunstraum EAC ausMontevideo, ORT Uruguay und das Künstlerkollektiv “Arte bajo Cero” aus Chile, das “Formularkunst” präsentiert.

Bei FASE 8 bekommt man einen Vorgeschmack auf die Zukunft der transmedialen Kunst. Ob es die “Maschine fürs Nicht-Fernsehen” ist, ein Klang-Dom, die Kunst in Videospielen, ein ängstliches Origami oder “Volvox”, ein Laboratorium, in dem man Bakterien kommunizieren und sich fortpflanzen sehen kann – es gibt jede Menge zu entdecken.

FASE 8 steht unter der Leitung von Marcela Andino und Patricia Moreira, als Kuratoren wirkten Silvana Spadaccini, Marcelo Marzoni und Jazmin Adler mit.

  • “FASE 8” – Encuentro de Arte, Ciencia y Tecnología.
  • Centro Cultural Recoleta, Junín 1930, Buenos Aires.
  • Öffnungzeiten: Di 13.30-20.30 Uhr, Mi-Fr 13.30-22 Uhr, Sa, So und feiertags 11.30-22 Uhr.
  • Eintritt frei.
  • 30.11.-18.12.

Foto:
Bunt, bunter, FASE – hier ein experimentelles Projekt von “Forward”.
(Foto: FASE 8)

Hinter verschlossene Türen blicken

Neue Edition von OPEN HOUSE Buenos Aires

Von Michaela Ehammer

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Nach London, New York, Wien, Melbourne, Dublin und vielen weiteren Metropolen rund um den Globus heißt es am 3. und 4. Dezember bereits zum vierten Mal für 48 Stunden: OPEN HOUSE Buenos Aires. Ein kultureller Genuss und eine einzigartige Möglichkeit für alle Neugierigen sowie Liebhaber der Architektur, über 90 versteckte und der Öffentlichkeit sonst nicht zugängliche emblematische Gebäude in der Stadt zu betreten und von einer neuen Perspektive zu bestaunen. Es öffnen sich nicht nur Türen, sondern auch Herzen, und es erschließen sich Teile der Geschichte von Buenos Aires.

Unter den zu besichtigenden Gebäuden sind in diesem Jahr unter anderem das “Edificio Comega”, das Teatro Colón, der Palacio Barolo, die Casa Scout, das “Edificio Bencich” oder die Biblioteca Nacional. Erstmals in diesem Jahr öffnen auch neue Häuser ihre Pforten, wie der “Torre Espacial” des Parque de la Ciudad, die “Cooperativa Vaya” von Fermín Bereterbide (1895-1979), die Bubble Studios (Fotostudio von Gaby Herbstein) und der Polo Científico y Tecnológico (die ehemaligen “Bodegas Giol”). Vier weitere simultan stattfindende Aktivitäten – Open Bici, Open Foto, Open Muro sowie Camina Buenos Aires – runden das umfangreiche Angebot ab. Auch für Kinder wird jede Menge an Spaß und Unterhaltung geboten.

Das Projekt Open House wurde 1992 in London ins Leben gerufen und hat sich seither zu einem Besuchermagneten in über 30 Städten weltweit etabliert. CoHabitar Urbano, eine Gruppe junger Architekten, Musiker, Dozenten und Fotografen, hat dieses kulturelle Highlight in Argentiniens Hauptstadt eingeführt – bislang ist es die einzige Stadt in Lateinamerika, die Open House bietet.

Die Besichtigung der architektonischen Schönheiten ist bei freiem Eintritt von 10 bis 14 Uhr sowie von 15 bis 19 Uhr möglich – da die Kontingente jedoch begrenzt sind, ist es unabdingbar, sich unter vorher anzumelden. Reservierungen – seit dem 15. November – hier.

Foto:
Auch im kulturellen Zentrum der katalanischen Gemeinschaft, dem Casal de Catalunya, kann man einen Blick hinter die Kulissen werfen.
(Foto: Pablo Corral)

Argentinische Tänze mal anders

“Tres danzas argentinas” im Teatro de la Ribera

Von Susanne Franz

adentroDie drei Hauptsäle des bedeutendsten Theaters der Stadt Buenos Aires, des San Martín-Theaters, sind weiterhin geschlossen und man wagt schon kaum noch zu hoffen, dass sie 2017 wirklich wieder eröffnet werden. Zum Glück hat der Theaterkomplex noch weitere Säle in Buenos Aires, kleine, schöne Stadtviertel-Theater z.B. neben dem ehemaligen Zoo, in Colegiales oder im Stadtteil La Boca. Und da werden weiterhin interessante und spannende – und billige – Theater- und Tanzveranstaltungen geboten, die man im Auge behalten sollte! Denn das San Martín-Team ist weiter aktiv und hat seine Qualitätsstandards in keinster Weise schleifen lassen.

Im “Teatro de la Ribera” des Stadtteils La Boca (Av. Pedro de Mendoza 1821) wird beispielsweise in wenigen Tagen ein sehr interessantes Tanz-Programm gezeigt. Zeitgenössischen Tanz inspiriert an argentinischen Folkloretänzen und argentinischer Folkloremusik, das zeigen drei Choreografen, die jeweils mit drei argentinischen Komponisten zusammengearbeitet haben. Die drei “Duette” sind Diana Szeinblum/Axel Krygier, Iván Haidar/Carmen Baliero und Pablo Lugones/Gabo Ferro.

Im Rahmen des Zyklus “Danza al borde” (Tanz auf der Kippe) kommt “Tres danzas argentinas” ab dem 26. November und bis zum 11. Dezember auf die Bühne. Hier wird die Gegenwart des Tanzes auf einzigartige Weise mit dem historischen Erbe Argentiniens verbunden. Ganz neu interpretiert werden etwa der Zamba, der Tango, der Malambo und die Chacarera, allesamt tief verankert im kollektiven Bewusstsein der Argentinier. Die Veranstaltung trägt ihren Namen als Hommage an die “Tres danzas argentinas” von Alberto Ginastera in seinem 100. Geburtsjahr.

Die drei Stücke “¡Adentro!” von Szeinblum/Krygier, “El accidente” von Haidar/Baliero und “Diabólico” von Lugones/Ferro nehmen im ganzen 70 Minuten in Anspruch. Vorstellungen sind samstags und sonntags am 26. und 27.11., 3. und 4.12. sowie 10. und 11.12. jeweils um 15 Uhr. Der Eintritt kostet schlappe 50 Pesos, für Rentner 20 Pesos. Weitere Infos findet man hier.

Foto:
“¡Adentro!” von Szeinblum/Krygier.
(Foto: CTBA)