Vulkan- und andere Ausbrüche

Der Roman “Territorium” von Germán Kratochwil – spannende und vielschichtige Lektüre

Von Susanne Franz

territoriumMit den Roman “Territorium”, der Ende 2016 im Picus-Verlag Wien erschienen ist, hat der österreichisch-argentinische Schriftsteller Germán Kratochwil seine Patagonien-Trilogie zu Ende geführt. Er begleitet die mit autobiographischen Zügen versehene Figur Ed Böhm, einen 77-jährigen ehemaligen Sozialwissenschaftler, in seine Holzhütte am Rande des idyllisch wirkenden patagonischen Städtchens Quemquemtréu. Die Hütte hatte vor vielen Jahren sein Vater dort errichtet, Ed hat sie mittlerweile mit ein wenig mehr Luxus ausgestattet – Strom und fließendem Wasser – und er fühlt sich dort wohl mit seinen Büchern und seinem Kater Zeno, dessen Gesellschaft er ebenso schätzt wie seine Unabhängigkeit.

Seine Frau Matilda hasst diese Einsiedelei. Sie bleibt in Buenos Aires, wo sie als Kinderärztin tätig ist, und im Grunde ist das Paar sich einig, dass Ed sich dann und wann auch für längere Zeit alleine nach Patagonien absetzt. Aber Matilda macht sich auch Sorgen um Ed, das vertraut sie ihrem Jugendfreund Carl Gustav, kurz Tse Ge, an, der auch mit Ed gut befreundet ist und diesen nun zum allerersten Mal in Patagonien besuchen will.

Tse Ge ist nicht der einzige Gast, den Ed erwartet – aus den Vereinigten Staaten kommt die Seismologin Clara Shuman, die Tochter seines alten Freundes Roy – und in die hat Ed sich Hals über Kopf verliebt. Zwischen Ed und der jungen Clara beginnt es gleich gehörig zu knistern, und als Tse Ge, der Bestseller-Autor aus Hamburg, der immer einen Spruch auf den Lippen hat, später hinzukommt, versucht er wieder einmal, wie schon damals bei Matilda, Ed die Angebetete auszuspannen.

Vor der Ankunft der beiden Gäste hat der Leser des sehr kurzweiligen und mit viel Sex gewürzten Romanes schon viele der Bewohner Quemquemtréus kennengelernt, denn fast alle Nachbarn waren auf einer Hochzeit: Rückwanderer aus Israel, die ein Hostel betreiben, in dem sich israelische Tramper auf ihrer Weltreise nach ihrem Militärdienst entspannen, der syrische Kaufmann Nadim Obeid, die 100-jährige Mapuche-Schamanin Kilakina Aurora und ihr elfjähriger Urenkel Cefo, der ihr einmal nachfolgen soll, der Aussteiger aus Italien Francesco Napoletano und seine Frau Betty sind nur einige davon. Auf den Ausflügen, die Ed in den folgenden Tagen mit Clara und Tse Ge unternimmt, begegnet man noch weiteren bunten Gestalten.

Auf den ersten Blick scheint die Multikulti-Gesellschaft in dieser paradiesischen Landschaft gut zu funktionieren und ein wahrer Rückzugsort von den Enttäuschungen der globalisierten Welt zu sein – aber unter der Oberfläche brodelt es. Das betrifft nicht nur die Gemeinschaft vonQuemquemtréu, wo es am Ende zu einem schrecklichen rassistischen Vorfall kommen wird, sondern auch den in der Nähe liegenden Vulkan Millaqueo, der wieder aktiv zu werden scheint. Und die Prophezeiungen der Schamanin sagen Fürchterliches voraus…

Von Anfang an sind alle Geschehnisse des vielschichtigen Romanes von Unruhe und Vorahnungen durchzogen. Kratochwil erzeugt mit sprachlicher Meisterschaft eine zugrundeliegende Spannung, die es schwer macht, das Buch aus der Hand zu legen.
Wenn man dementsprechend auch Einiges erwartet – am Ende verblüfft der Autor den Leser dann doch noch einmal vollkommen.

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