Faszinierendes, unbekanntes Kuba
“Caminos de la vanguardia cubana” im Malba
Von Vanessa Bersis
Ein Streifzug durch das Malba ist immer wieder ein künstlerischer Hochgenuss, diesmal noch viel mehr. Denn der zweite Stock des Gebäudes widmet sich der kubanischen Avantgardekunst. Mit dem vielversprechenden Ausstellungstitel “Caminos de la vanguardia cubana” und insgesamt 150 Werken wird ein anderer ungewöhnlicher, aber dennoch faszinierender Blick auf Kuba und seine Kunst zwischen 1920 und 1940 geboten. Die Ausstellung ist für die meisten Besucher eine spektakuläre visuelle Reise in ein zum Großteil unbekanntes künstlerisches Kuba.
Demnach ist es nicht verwunderlich, dass sich jeder, der Rang und Namen in der Kunstkritikerszene von Buenos Aires hat, die Einladung dankend annahm, um sich auf dieses etwas andere, aber hoch faszinierende, Kuba einzulassen. Wissbegierig drängten sich die feinen Damen in die erste Reihe, um der euphorischen Kuratorin Lilian Llanes zu lauschen, die jedes kleine Detail der Gemälde und deren Erschaffer zu beschreiben wusste. Die Liebe der Kuratorin zur Kunst, aber auch ihr Ehrgeiz, sie den Betrachtern zu vermitteln und deren Blick auf die Einzelheiten zu schärfen, war das Highlight für die Anwesenden des Abends.
Die Ausstellung selbst besteht aus einer Auswahl an Themen und Werken, welche am eindringlichsten die “vanguardia cubana” ausdrücken. Die künstlerische Avantgarde in Kuba war ein wichtiger Zeitraum für die Entwicklung der kubanischen Identität. Darüber hinaus wurden durch die künstlerische Darstellung Themen aufgezeigt, die zu dieser Zeit neu waren, aber von großer Relevanz für das kubanische Alltagsleben.
Die Ausstellung ist in drei thematische Schwerpunkte gegliedert: Frauen, Nationalismus und politischer Konflikt. Der erste Teil mit Werken von René Portocarrero, Condrado Masageurs, Joaquín Blez und Carlos Enriquez widmet sich der Frau, ihrer Erotik und Sinnlichkeit. Dabei wird die Frau außerhalb der häuslichen Sphäre dargestellt. Ein Vorhaben, das für die damalige prüde kubanische Gesellschaft als frivol und obszön angesehen wurde, jedoch einen Umbruch in der Sichtweise mit sich brachte.
Ein weiteres wesentliches Thema der avantgardistischen Bewegung und somit ein Schwerpunkt der Ausstellung war jenes des Nationalismus und Universalismus. Nationalismus bedeutete, sich auf die intensive Suche nach den kubanischen Wurzeln und der kubanischen Identität zu machen. Dies wird vor allem durch die Gemälde von Wifredo Lam, der sich mit den afrikanischen Wurzeln und der kubanischen Kultur beschäftigte, veranschaulicht. Einen wichtigen künstlerischen Beitrag, vor allem durch die Auseinandersetzung mit dem criollismo, leistete auch die Malerin Amelia Peláez, die ebenfalls durch ihre Werke repräsentiert ist.
Zu den herausragendsten Künstlern dieser Zeit zählen auch der oft unterschätzte Marcelo Pogolotti mit seiner sozialpolitischen kritischen Malerei und Eduardo Abela, der durch seine karikaturistische Arbeit und dem darin verpackten Humor auf diesem Terrain Vorreiter war.
Abschließend lohnt es sich auch einen Blick auf die Werke von José Manuel Acosta, dessen fotografisches Können nach wie vor zeitlos erscheint. Zudem sind noch Arbeiten von Mario Carreno, Mariano Rodríguez, Victor Manuel García, Fidelio Ponce de León und Arístides Fernández zu sehen.
All jene Künstler beschäftigten sich mit der Hauptfrage nach der kubanischen Identität. Jedoch lag der bedeutendste Beitrag der kubanischen Kunst für die Moderne wohl in der Art, wie nationale Probleme formuliert wurden. Die Künstler der “vanguardia cubana” waren stets auf der Suche nach ihren Wurzeln. Ihre herausragenden Charakteristika sind mit Sicherheit die Würde und Liebe, die sie ihren Leuten und ihrer Kultur entgegenbrachten. Genau das spiegelt sich in der Ausstellung wieder.
- „Caminos de la vanguardia cubana“, 150 Werke: Gemälde, Fotos, Zeichnungen und dokumentarisches Material aus dem Museo Nacional de Bellas Artes von Havanna, der kubanischen „Fototeca“ und Privatsammlungen. Kuratorin: Lilian Llanes. Malba, Av. Figueroa Alcorta 3415, Saal 5 (2. Stock). Do-Mo und feiertags 12-20 Uhr, mittwochs bis 21 Uhr, dienstags geschlossen. Eintritt 18 Pesos, Lehrer und Rentner 9 Pesos, Studenten 9 Pesos, unter 5-Jährige gratis. Mittwochs: Eintritt 6 Pesos, Lehrer und Rentner 3 Pesos, Studenten gratis. 18.3.-17.5.