Traumdeutung mit feministischem Unterton

“Grete Stern: Los sueños” noch bis zum 1. Juli im Malba

Von Philip Norten


Im Malba-Museum sind noch bis zum 1. Juli unter dem Titel “Los sueños / Die Träume 1948–1951” Fotomontagen der deutsch-argentinischen Künstlerin Grete Stern zu sehen. Ausgestellt werden Originale, sogenannte Vintage-Abzüge, aus der Sammlung Costantini.

Die Montagen erschienen unter dem Titel “El psicoanálisis le ayudará” in der Zeitschrift “Idilio”, einer populären Frauenzeitschrift. Deren Leserinnen konnten in Form von Leserbriefen der Zeitschrift von ihren Träumen berichten, worauf diese vom Herausgeber der Zeitschrift Gino Germani, unter dem Pseudonym Richard Rest, gedeutet wurden. Diese Traumanalysen wurden schließlich, ergänzt von den Fotomontagen Sterns, veröffentlicht. Im Verlauf von drei Jahren entstanden so annähernd 150 Collagen.

Stern verwendete die Technik der Fotocollage – die Zusammensetzung von verschiedenen bereits vorhandenen Fotos –, die von Avantgardekünstlern der surrealistischen und der Dada-Bewegung in den 1920er Jahren entwickelt worden war. In ihren “Los sueños”-Collagen zeigt sie Frauen in unterschiedlichen, aber immer absurden Situationen, die einen Einblick in eine surreale Traumwelt zu geben scheinen. Sterns Frauen wirken dabei manchmal verängstigt oder bedroht, andere friedlich, wie die eingeschlossene Frau in der Flasche, oder einfach nur verwirrt, wie die Frau, die durch ein Zwitterwesen aus Schildkröte und Zug bedroht wird.

Doch wie auch bei anderen surrealistischen Kunstwerken steckt hinter der absurd komischen Fassade der Collagen eine wahre Botschaft. Denn die Traumwelten der Leserinnen decken ein Frauenbild auf, das sich damals in einem fundamentalen Wandel befand. Das Bild der modernen Frau entstand und bedrohte das traditionelle Familienmodell und Rollenverständnis. Grete Sterns eigene Biografie ist ein gutes Beispiel für diese Entwicklung: 1904 in Wuppertal geboren, studierte sie 1923-1925 an der Kunstgewerbeschule Stuttgart und arbeitete anschließend als Grafikerin und Fotografin in Berlin, wo sie auch Kurse am Bauhaus belegte.

Aufgrund ihrer jüdischen Herkunft musste sie schließlich nach England emigrieren, wo sie den bekannten argentinischen Fotografen Horacio Coppola heiratete. Mit diesem kam sie nach Argentinien, wo sie als Fotografin für Zeitschriften arbeitete und schnell Anschluss an die lokale Kunstszene fand. So arbeite sie u.a. für das Magazin “Sur” von Victoria Ocampo. Später war sie auch als Professorin tätig, und sie entwickelte eine berühmt gewordene Fotoserie über die Ureinwohner des Gran Chaco. Grete Stern starb 1999 in Buenos Aires.

  • Bis zum 1.7. einschließlich.
  • Malba, Av. Figueroa Alcorta 3415, Buenos Aires.
  • Do-Mo und feiertags 12-20, Mi bis 21 Uhr, dienstags geschlossen.
  • Eintritt 32 Pesos; Studenten, Lehrer, Rentner oder über 65-Jährige mit gültigem Ausweis 16 Pesos. Behinderte: gratis; Kinder unter 5: gratis. Mi: Eintritt 16 Pesos; Studenten, Lehrer und Rentner mit gültigem Ausweis: gratis. Behinderte: gratis.

Foto:
Grete Stern: “Botella al mar”, Fotomontage, 1950.

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