Das Auto und die alte Dame

Die Berlinerin Heidi Hetzer umrundet mit ihrem Oldtimer die Welt

Von Marcus Christoph

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“Ich wollte etwas für mich nachholen.” So beschreibt Heidi Hetzer ihre Motivation, in einem Oldtimer um die Welt zu fahren. Vor fast zwei Jahren startete die heute 79-jährige Berlinerin in einem “Hudson Great Eight” (Baujahr 1930) ihre Mammut-Tour, die sie bereits durch 33 Länder geführt hat. Nach insgesamt 70.000 Reisekilometern hat sie vor wenigen Tagen Buenos Aires erreicht, wo sie ein paar Tage Pause macht, ehe es im südlichen Afrika weitergeht.

Als Vorbild diente Hetzer, die früher bei Rallyes um Bestzeiten und Pokale kämpfte, die deutsche Automobil-Pionierin Clärenore Stinnes. Diese unternahm von 1927 bis 1929 eine Weltrundfahrt in einem “Adler Standard 6”. “Ich will mich nicht mit Clärenore messen. Aber ich möchte zumindest das Gefühl haben, wie es ist, mit einem alten Auto um die Welt zu fahren”, erläutert Hetzer.

Dabei kam ihr Entschluss, am 27. Juli 2014 am Brandenburger Tor zu einer mehrjährigen Weltumrundung aufzubrechen, eher spontan. Es war jedenfalls kein langgehegter Sehnsuchtsplan, sondern resultierte aus der Situation, dass keines ihrer beiden Kinder Interesse hatte, das familieneigene Autohaus weiterzuführen. Dieses hatte Heidi Hetzer einst von ihrem Vater übernommen und über 40 Jahre lang erfolgreich geführt. So entschloss sich die Unternehmerin 2012, “Opel Hetzer” mit den Standorten in Charlottenburg und Steglitz zu verkaufen.

Zeit und finanzielle Mittel waren vorhanden, um sich auf die Spuren von Clärenore Stinnes begeben zu können. Heidi Hetzer erwarb einen Oldtimer, den sie auf den Namen “Hudo” taufte – ein Wortspiel aus dem Markennamen Hudson und Udo, dem Vornamen der Verkäufers.

Der Auftakt war indes ein wenig holprig. Da der Motor merkwürdige Geräusche machte, kehrte sie bei Dresden heimlich um und ließ sich in Berlin einen neuen Motor einsetzen. Dieser sollte tatsächlich bis Australien durchhalten. Auch mit dem als Beifahrer vorgesehenen Fotografen Jordane Schönfelder stimmte die Chemie nicht. Er blieb nur wenige Tage mit an Bord, so dass Hetzer große Teile ihrer Welttour alleine bestritt.

Zuerst ging es durch Tschechien, Österreich, Ungarn und den Balkan. Dann in die Türkei, den Kaukasus, den Iran und durch zentralasiatische Staaten wie Kasachstan, Usbekistan und Kirgistan nach China. Vor allem die Fahrt über den bis zu 3750 Meter hohen Torugart-Pass hatte es in sich. “Bei 21 Grad minus war alles eingefroren. Zudem habe ich kaum Luft bekommen. Es war furchtbar”, beschreibt Heidi Hetzer die Strapazen.

Im “Reich der Mitte” wählte sie eine Route durch das Landesinnere, die auch an der legendären Terrakotta-Armee bei Xi’an vorbeiführte. Nächstes Land der Reise war Laos, in dessen Hauptstadt Vientiane sie Weihnachten und Neujahr feierte. Im Getümmel der südostasiatischen Stadt musste sie sich auch eines Diebes erwehren, der vom Motorrad aus versuchte, der Berliner Seniorin die Handtasche zu entreißen.

Nach Thailand, Malaysia und Singapur stand die erste Passage mit einem Containerschiff an, das Heidi Hetzer und “Hudo” ins australische Perth transportierte. An der Südküste von “Down Under” entlang fuhr sie bis Melbourne, wo der Motor ausgewechselt werden musste. Hetzer ließ sich den am Anfang der Tour ersetzten Motor kommen. Dieser machte zwar immer noch bedenkliche Geräusche, leistete aber nichtsdestotrotz treue Dienste.
Den vielleicht schönsten Teil ihrer Reise erlebte die Berlinerin in Neuseeland. “Die Natur, die Berge, das Meer, die Tiere” – der Inselstaat am anderen Ende der Welt gefiel ihr in jeder Hinsicht. Auch das Zwischenmenschliche passte. Ein Hostelmanager verzichtete gar auf die Bezahlung, so begeistert sei dieser von der Idee der Weltreise im Oldtimer gewesen. Gegen mögliche Probleme des Linksfahrens wappnete sich Hetzer, indem sie sich jeden Abend einen entsprechenden Erinnerungszettel aufs Steuer legte. So fädelte sie sich an den folgenden Tagen morgens gleich richtig in den Verkehr ein.

Die Pazifiküberquerung meisterten Heidi und “Hudo” getrennt. Während das Auto wieder auf ein Containerschiff geladen wurde, nahm seine Fahrerin diesmal ein Flugzeug. In Los Angeles ging die Fahrt weiter. Zunächst in Begleitung eines Reporterteams des NDR nach Las Vegas, dann alleine die Westküste der USA hinauf bis nach Kanada. Von dort an zeigte die Kompassnadel immer Richtung Osten, bis Heidi Hetzer schließlich am US-Bundesstaat Maine den Atlantik erreichte. Nächster wichtiger Orientierungspunkt war Florida, wo die Berlinerin sich wieder einschiffen ließ, um durch den Panama-Kanal nach Lima zu gelangen. Von der ursprünglich geplanten Fahrt durch Mexiko und Zentralamerika sah die Seniorin ab, nachdem sie zahlreiche Warnungen hinsichtlich der Sicherheitslage erhalten hatte.

Doch bevor sie in Südamerika richtig loslegen konnte, musste Heidi Hetzer erst einmal eine Lymphdrüsenkrebserkrankung überstehen, wegen der sie ihre Tour unterbrach und sich in Deutschland operieren ließ. Zurück in Peru galt es, mit anderen Schwierigkeiten fertig zu werden: der Sprachbarriere und Höhen von mehr als 4000 Metern. Bei manchen Steigungen stieß “Hudo” an seine Grenzen. Entschädigt wurde die Berlinerin, die mittlerweile von der Coburger Fotografin Liliana Frevel (28) begleitet wurde, durch die Schönheit von Orten wie Cuzco und Machu Picchu oder dem Titicacasee.

Von Bolivien aus gelangten Hetzer und ihre Beifahrerin nach Argentinien. Über Salta fuhren sie nach Mendoza. Der Aufenthalt in der argentinischen Weinmetropole zählt aber eher zu den Tiefpunkten der Reise. Denn erstens waren dortige Mechaniker nicht in der Lage, “Hudos” Motor zu reparieren. Und zweitens entwendeten Diebe der Weltbummlerin die Handtasche mit Geld, Handy, Pass, Video-Kamera, Tagebuch und iPad.

heidi_hetzerII11Doch Hetzer gab nicht auf. Sie organisierte einen Hänger für den Transport ihres Oldtimers nach Santiago de Chile, wo sie mit Hilfe eines dortigen Opel-Händlers schließlich die Reparatur des betagten Fahrzeuges erreichte. Heikel war der Grenzübertritt. Denn nach den argentinischen Zollbestimmungen ist es nicht möglich, ein abgeschlepptes Fahrzeug ins Nachbarland durchzulassen. So baute die gelernte Kfz-Mechanikerin Hetzer die zwei defekten der insgesamt acht Zylinder aus. Mit den verbleibenden sechs Zylindern konnte sie immerhin einige Kilometer fahren und auf diese Weise nach Chile gelangen.

Nach der Reparatur des Oldtimers kehrte die nun mittlerweile wieder allein reisende Berlinerin nach Argentinien zurück. Über Bariloche und Bahía Blanca ging es nach Balcarce, wo das Museum des legendären Formel-1-Champions Juan Manuel Fangio ein Muss für Hetzer war. Argentinien erwies sich aber weiterhin als schwieriges Pflaster. Probleme mit den Geldüberweisungen aus Deutschland und der Akzeptanz von Kreditkarten sorgten für Bargeldengpässe.

Aber es gab auch sehr schöne Momente, wie beispielsweise beim Oldtimer-Treffen in Berazategui. In dem Vorort von Buenos Aires waren “das Auto und die alte Dame” im Mittelpunkt des Interesses. “Vier Tage mit netten Menschen”, so Hetzer, die die herzliche Abschiedsszene beschreibt: “Fünf Männer verabschiedeten mich. Alle mit Tränen in den Augen.” Bei dem Treffen der Auto-Freaks stieß Hetzer auch auf eine Kopie ihrer einstigen Startnummer von der Rallye Monte Carlo. Die Welt ist manchmal ein Dorf.

In Buenos Aires kam Hetzer bei Mitarbeitern der deutschen Botschaft unter. Wie ihr überhaupt die deutschen Auslandsvertretungen während der gesamten bisherigen Tour eine verlässliche Hilfe gewesen seien, lobt die Berlinerin. Gleiches gelte für die Reederei “Hamburg Süd”, die die interkontinentalen Transporte des Oldtimers ermöglicht habe. Unterstützung kommt auch von “Eberswalder Wurst”. Die Brandenburger Firma spendet für jedes von Hetzer durchfahrende Land 1000 Würstchen, die bei Charity-Events verkauft werden. Das auf diese Weise eingenommene Geld soll sozialen Einrichtungen in Berlin und Brandenburg zugute kommen.

Was nun noch fehlt, ist Afrika. Dort will Hetzer bis Dezember durch Südafrika, Botswana und Namibia fahren. Zudem denkt sie an einen Abstecher zu den Viktoria-Wasserfällen, sofern Sicherheitsbedenken dem nicht im Weg stehen. Danach geht es wieder aufs Containerschiff, um im Januar in Portugal wieder europäischen Boden zu betreten. Über Spanien und Frankreich will Hetzer wieder heimatliche Gefilde ansteuern mit dem Ziel, ihre Tour im März des kommenden Jahres unter dem Brandenburger Tor zu beenden. “Das genaue Datum steht noch nicht fest. Aber es sollte ein Sonntagvormittag sein. Da haben die Leute Zeit”, blickt Hetzer voraus.

Auch für die Zeit nach der Reise hat die rüstige Rentnerin schon Pläne: “Möglich ist, dass ich mit Hilfe eines Ghostwriters ein Buch über meine Weltumrundung schreibe.” Aber bis dahin sind ja noch einige Tausend Kilometer Reisestrecke zurückzulegen.

Foto:
Heidi Hetzer mit ihrem Oldtimer “Hudo”.
(Foto: Marcus Christoph)

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