Paradiesische Zustände
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Himmlische Ausstellung von Miguel Rothschild bei Ruth Benzacar
Von Susanne Franz
Triumphbögen des Konsums, errichtet aus leeren Lebensmittelverpackungen, und sechs wie Kirchenfenster leuchtende, große Hinterglas„malereien“, drei voller paradiesischer Leckereien, drei voll höllischer Zigarettenmarken, Streichholzschachteln und Firmenlogos fallen als erstes ins Auge, wenn man die Galerie Ruth Benzacar dieser Tage betritt. Alles so schön bunt hier! „Ich übe keine Kritik am Konsum“, sagt der seit 14 Jahren in Berlin lebende argentinische Künstler Miguel Rothschild, der regelmäßig in der renommiertesten Galerie von Buenos Aires ausstellt. Konsum existiere eben, zuckt der 42-Jährige mit den Schultern. Zur Eröffnung seiner Ausstellung „Celestial“ (Himmlisch) am 3. August ist er extra in die argentinische Hauptstadt gereist. Himmel und die Hölle als Antagonistin des Paradieses sind die Themen, mit denen sich seine hier gezeigten Werke befassen. „Aber light“, sagt der Künstler entspannt, „für mich ist auch die Hölle light.“
Eine Wand hat Rothschild aus Kartons der Eis-Marke „Paradies“ errichtet. Sie dient als eine Art Raumteiler und grenzt eine Videoleinwand ab, auf die er Fotos projiziert: Schnappschüsse, die er überall in der Welt von Läden oder Schildern gemacht hat, die den Namen „Paradies“ tragen. Es handele sich um ein „Work in Progress“, erzählt der Künstler, der weltweit weiter Bilder mit dem Motiv sammelt.
Auch Rothschilds Gemälde spielen sich in Himmeln ab. Die beiden 58 x 58 cm großen Werke „La noche que vio las estrellas“ (Die Nacht, die Sterne sah) I und II wirken wie Momentaufnahmen vom Big Bang. Der Künstler beschreibt die zackenförmig auseinanderstrebende Schwärze so: „Es sieht so aus, als hätte ich die Nacht auf die Leinwand geschleudert.“ Wie in allen ausgestellten Gemälden prägen auch hier Comic-Elemente das Bild: In einem Fall begleiten ausgeschnittene Sternchen das auseinanderrasende Schwarz, in dem anderen lautmalerische Interjektionen wie „Blof!“ oder „Kawumm!“
Titel wie Wettervorhersagen haben zwei weitere der relativ kleinformatigen Gemälde: „Nubosidad variable. Vientos moderados del sector norte“ (Bewölkt, leichte Nordwinde) zeigt einen dunklen Himmel voller Wolken, in dem Denkblasen hochsteigen. „Die Gedanken der Menschen schweben nach oben und brauen sich zu einem Sturm zusammen“, sagt Rothschild. In „Inestable con lluvias aisladas hacia la noche“ (Unbeständig, Schauer am Abend) hat sich der Sturm bereits entladen und ein Regen in Form von Ausrufezeichen fällt auf die Erde. In dem großformatigen Bild „Celestial“ (200 x 300 cm) erhellen statt Sternen gezackte gelbe Preisschilder die Nacht.
Rothschild beschreibt mit subtilem Humor, was in der globalisierten Welt als Paradies vorgegaukelt und vor allem – verkauft wird. Dabei weint er weder um eine verlorene Idylle noch drückt er eine utopische Sehnsucht aus. Er zeigt die Dinge, wie sie sind. Von einer wunderbaren Ästhetik, besitzen seine Werke die Energie einer aufziehenden Gewitterfront.
(Miguel Rothschild, „Celestial“. Ruth Benzacar, Florida 1000. Mo-Fr 11.30-20, Sa 10.30-13.30 Uhr. Bis 3.9.)
Der Artikel erschien am 13.8.05 im “Argentinischen Tageblatt.