Carlos Oñatibia und sein Wunschkind

Der Fotograf Carlos Oñatibia projiziert Sehnsüchte bei Elsi del Río

Von Susanne Franz

Was geschieht, wenn man sich sehnlichst ein Kind wünscht und es nicht haben kann? Viele Paare erleben den Albtraum der frustrierten Versuche, bis an die Grenze des Zerbrechens der Beziehung, die physische und psychische Belastung einer künstlichen Befruchtung – vielleicht die Entscheidung für eine Adoption. Was geschieht aber, wenn selbst diese Alternative nicht offen steht? Was passiert, wenn ein homosexueller Mann sich wünscht, Vater zu sein? Er hat nicht die geringste Chance, dass sein Wunsch in Erfüllung geht. Zumindest nicht in der heutigen Gesellschaft.

Im Rahmen der Ausstellung „ST II – Sobre homosexualidad masculina“ (Ohne Titel II – Über die männliche Homosexualität), die noch bis zum 23. Dezember in der Galerie Elsi del Río in Palermo Hollywood zu sehen ist, macht der Fotograf Carlos Oñatibia dieses Thema zum Zentrum seines Beitrags zu der von Alina Tortosa kuratierten Gemeinschaftsausstellung.

Eine Reihe von vier relativ kleinformatigen Fotografien zeigen ihn selbst mit einer Schaufensterpuppe eines etwa 10-jährigen Jungen – eine Puppe, die er einmal in einem Schaufenster gesehen hat. Er betrat das Geschäft, erwarb die Puppe, kaufte ihr Kleider, und verbrachte einen Tag mit ihr, so wie ein Vater und ein Sohn einen Tag miteinander verbringen würden: mit einem Besuch auf dem Spielplatz, einem Spaziergang durch den Park.

Wie in dem Märchen, in dem eine Jungfer sich aus den feinsten Zutaten den erwünschten Geliebten backt, projiziert Carlos Oñatibia seine Sehnsucht in eine Schaufensterpuppe und erschafft sich sein Wunschkind. In seinen Fotos symbolisieren eine traumgleiche Stimmung, ein lichtdurchflutetes Umfeld und warme Farben das ersehnte Zusammensein – und akzentuieren die Abwesenheit der geliebten Person umso stärker. Es ist so, als ob, wie in dem Märchen, jeden Moment eine Zauberfee vorbeikommen könnte, die der Puppe Leben einhaucht. Das Leben, das er an seiner Seite haben möchte.

(„ST II – Sobre homosexualidad masculina“, Werke von Arturo Aguiar, José Luis Anzizar, Sergio Avello, Carlos Oñatibia, Angel Pini, Malcom Pozzi. Kuratorin: Alina Tortosa. Produktion: Fernando Entín. Elsi del Río, Arévalo 1748, Palermo Hollywood. Di-Fr 15-20, Sa 11-14 Uhr. 19.10.-23.12.)

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