Spuren der Zivilisation

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„Construcción“ – Fotos von Rivarola

Von Susanne Franz


„S/T“, 80 x 80 cm, Kopie auf Metallfolie.

Enrique López Rivarola ist Bauingenieur. Der nüchternste Beruf, den man sich vorstellen kann. Der verantwortungsvollste Job, den man sich nur denken kann. Er ist einer von denen, auf die man sich 100 Prozent verlässt. Ohne auch nur darüber nachzudenken. Denn wie könnte man sonst irgendein „ganz normales“ Haus betreten? Die Treppe hochsteigen, sich an die Wand lehnen, Türen öffnen oder schließen? Hier fühlt sich jeder Bürger der sogenannten Zivilisation geborgen. Hier wird ihm nichts passieren! Alles ist berechnet, kalkuliert, die Koordinaten sind vorgegeben, sie sind bereits in jedes Hirn programmiert. Man muss sich nicht mehr die Mühe machen, selber nachzudenken. Kein Panik-Moment, kein Alarm-Signal, kein Riss in der Oberfläche zwingen dazu. Welch trügerische Sicherheit!

Denn selbst Enrique López Rivarola begegnet manchmal einem Monster. Er nennt es Rivarola, der Einfachheit halber. Es ist nicht immer da.

Rivarola sieht andere Sachen als er selbst. Rivarola sieht das Skelett der Dinge. Er sieht die Dinge, die noch da sein werden, wenn kein Leben mehr da sein wird. Die im erkalteten Beton zurückgelassenen Spuren menschlicher Schritte. Abgerissene Kabel, wo vorher noch Verbindungen bestanden. Fetzen von Baustellen-Absperrungen, wenn keiner mehr die „Betreten verboten!“-Schilder liest. Die Mauersteine von lange nicht mehr bewohnten Häusern. Komplizierte Rohrleitungssysteme, die nur noch Selbstzweck sind. All das hält er in seinen Fotografien fest. Er selbst hält sich fest in einer sehr kontrollierten Ästhetik. Es ist diese Ästhetik und Perfektion, in der sich Enrique López Rivarola, der Bauingenieur, und Rivarola, der Künstler, sehr ähnlich sind.

Und deshalb weiß Enrique López Rivarola, dass er dem Künstler Rivarola noch lange nicht das letzte Mal begegnet ist.

(Rivarola, „Construcción“, Fotos. 180 Grados Arte Contemporáneo, Filo’s, San Martín 975. Mo-Fr 17-23, Sa 13-16 Uhr. Bis 19.1.)

Der Artikel erschien am 14.01.06 im „Argentinischen Tageblatt“.

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