Horror zum Anfassen
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Zeichnungen und genähte Skulpturen von Pablo Peisino bei Elsi del Rio
Von Susanne Franz
Der aus Córdoba stammende Pablo Peisino ist ein Lebens-Künstler. Sein Geld verdient er als Hausmeister in einem privaten Parkhaus. Das Gute daran – dort unten unter der Erde hat er einen kleinen, 2×3 Meter messenden Raum, den er als Atelier nutzt. Da sitzt er in seiner freien Zeit und näht – in letzter Zeit hauptsächlich Knochen. In der Kunstgalerie Elsi del Rio in Palermo Hollywood, die ihre Saison 2006 am 8. März mit Peisinos Ausstellung “Mutantópolis” eröffnete, ist ein ganzer Knochenberg auf dem Boden zu sehen. Größere und kleinere Knochen liegen da, in der Mehrzahl grau. Sie wirken kuschelig wie Plüschtiere – und so makaber wie ein anonymes Massengrab.
Auch die anderen genähten Skulpturen Peisinos haben es in sich. So steht unten am Sockel ein über dem Knöchel abgeschnittener Fuß, die Schnittstelle ist mit rotem Stoff bedeckt. Nicht niedlich ist auch eine etwa 1,50 m große, bunte Puppe, die an der Wand hängt und deren auffallendstes Merkmal ein gasmaskenähnlicher Rüssel ist. Peisino erzeugt in seinen Skulpturen ein Spannungsfeld zwischen dem weichen, zum Anfassen einladenden Material und den grauenerweckenden Objekten, die er darstellt. Das passt nicht, das erwartet man nicht – das stört und stört auf.
Der Künstler arbeitet in Córdoba neben dem Hausmeisterjob auch noch in einem Comic-Buchladen. Seine Zeichnungen, die die Ausstellung komplettieren, sind stark an dieses Genre angelehnt. Auch in ihnen besteht ein Kontrast zwischen dem teilweise gewollt unbeholfenen Stil und dem düsteren Inhalt – Kämpfer in einer apokalyptischen Zukunft, ein Pianist, der mit einem letzten Konzert den Untergang begleitet, ein Junge und ein Hund neben einem riesigen Knochenberg, eine Spinne, die ihr Opfer rettungslos eingesponnen hat und sich ihm nun nähert, um es zu fressen.
Peisinos Werk ist düster-pessimistisch und zugleich prosaisch, es will kein Aufruf sein, die Welt zu ändern, um das Schlimmste zu verhindern, sondern vermittelt eine stoische Gewissheit, dass es nicht zu ändern ist. Und obwohl Peisinos Werk Humor besitzt, macht er keine Witze. Einen Hoffnungsschimmer könnte man in der Wahl seiner Materialien sehen – das Weiche der Skulpturen und die Unfertigkeit der Striche in den Zeichnungen zeugen von dem Glauben an einen positiven Entwicklungsspielraum im Hier und Jetzt.
Im Mai wird Elsi del Rio das interessante Werk Pablo Peisinos auch auf der Kunstmesse arteBA präsentieren.
Pablo Peisino, „Mutantópolis”. Elsi del Río Arte Contemporáneo, Arévalo 1748, Palermo Hollywood. Di-Fr 15-20, Sa 11-14 Uhr. Bis 15.4.
Dieser Artikel erschien am 25.3.2006 im “Argentinischen Tageblatt”.