Buenos Aires Loop in Wien
Zeitgenössische argentinische und südamerikanische Videokunst und Kunstfilme in der KUNSTHALLE wien
Eduardo Navarro, “on/off”.
Im Rahmen des FOL (Festival Onda Latina), das vom 20. April bis 4. Juni anlässlich des EU-Lateinamerika-Gipfels in Wien 2006 veranstaltet wird, wird vom 5. Mai bis 6. Juni das Projekt “Buenos Aires Loop” – zeitgenössische Videokunst und Kunstfilme aus Argentinien und Südamerika – an drei Schauplätzen der KUNSTHALLE wien gezeigt: in der “ursula blickle videolounge”, der “video wall” und im “project space karlsplatz”.
Die argentinische Privatinitiative MALBA (Museo de Arte Latinoamericano de Buenos Aires) und die Galería Belleza y Felicidad präsentieren dieses Projekt, das dem Kurator Enrique Guitart anvertraut wurde.
In der “ursula blickle videolounge” wird eine Auswahl der Werke von jungen Künstlern aus Südamerika gezeigt, die neue Formen der Darstellung ihrer eigenen Beobachtungen anstreben, darunter Paula Delgado, Daniel Gimelberg, Ruy Krygier, Eduardo Navarro und Dani Umpi. Auf der “video wall” lenkt Jorge Macchi die Aufmerksamkeit auf das, was fehlt oder auf das, was zu viel ist. Im “Kunsthalle Wien project space karlsplatz” wird vom 5.-31. Mai die Slide-Show “Doppeldecker” (2006) – Wien-Eindrücke des venezolanischen Künstlers Gustavo Mendez-Liska – gezeigt.
Enrique Guitart schreibt über die ausstellenden Künstler:
Ruy Krygier, geb. 1972 in Buenos Aires, lebt und arbeitet in Buenos Aires:
Mit seinen Interventionen in Theater und Kino ist Ruy Krygier einer der jungen argentinischen Künstler, der sich in den letzten Jahren am meisten etabliert hat. Die urbane Sprache und die Kraft seiner Videoarbeiten reflektieren das soziale, politische und ökonomische Umfeld, in dem er lebt. Innerhalb der langen Tradition des Mediums Film auf dem Kontinent zieht Ruy Krygier den formalen Abstand zum schon Gemachten vor, um eine neue Art und Sprache zu suchen. Trotzdem verweisen seine Themen immer noch auf seine Kultur und Tradition und sind Metapher seiner Wirklichkeit, die durch die Absurdität eine zentrale Rolle spielen. Diese beide Aspekte, der formale und der referentielle, unterscheiden ihn von den anderen und machen ihn zu einem typischen Vertreter der neuen Videokunstströmungen in Buenos Aires.
Daniel Gimelberg, geb. 1965 in Buenos Aires, lebt und arbeitet in Buenos Aires und Barcelona:
Mit starken Wurzeln im Video Clip und der VideoArt, verfolgt Daniel Gimelberg für Lateinamerika unkonventionelle Wege. Mit seinem trockenen und scharfen Humor, hat sein erster Spielfilm “Hotel Room” beachtliche Kritiken und enormes Echo in Buenos Aires und Barcelona gefunden. Er arbeitet mit den Methoden von Suspense und Krimi; sein Hauptaugenmerk liegt aber auf dem Zufall, durch den kleine Details ein Leben verändern können. Da der Film in Schwarz/Weiß gedreht wurde, assoziiert der Zuschauer die Bilder sofort mit alten Hitchcock-Filmen. Durch die Art des Humors und seine zeitgenössische Relevanz macht sich der Regisseur den Zuschauer aber zum Komplizen in der Gegenwart. Die Produktionsbedingungen und die wirtschaftliche Situation auf dem Kontinent sind wiederum in seinen Werken nicht zu übersehen: “Hotel Room” hat Gimelberg in seiner eigenen Wohnung gedreht; “1150 Kg” hat als Setting nur einen Aufzug.
Eduardo Daniel Navarro, geb. 1979 in Buenos Aires, lebt und arbeitet in Buenos Aires:
“Skulptur ist, wie wenn die Schauspieler einen Zweifel, eine Fantasie spielen; sich im Juni als Santa Claus verkleiden”, meint Eduardo Navarro. Und das zeigt sich auch in seinen Werken. Sie sind Komplizen des Betrachters, die ihn zum Grinsen einladen. Seine aufblasbaren Objekte, seine dick gepolsterten Menschen oder seine Installationen mit nutzlosen elektrischen Geräten gehören zu einer Welt der Übertragung. Dieser junge Künstler übernimmt eine erzählerische Tradition, die in Buenos Aires nicht zu übersehen ist. Seine Annährung an soziale Themen sind in der fantastischen Literatur eines Julio Cortázar zu finden. Es gibt eine Leichtigkeit, die seinen dicken Figuren widerspricht. Bekannte Themen bekommen eine neue Optik. In “on/off” unternimmt ein junger Mann eine lange Reise, um das spirituelle Licht zu empfinden und zu sehen. In einem Land, in dem die Religion eine so starke Rolle spielt, hat diese Inszenierung keine geringe Bedeutung. Trotzdem findet man aber auch Parallelen zu europäischer Religiosität und Spiritualität, die zeigen, dass seine Werke weit über lokale Realitäten hinausgehen.
Jorge Macchi, geb. 1963 in Buenos Aires, lebt und arbeitet in Buenos Aires:
Jorge Macchi lenkt seine Aufmerksamkeit auf das, was fehlt oder auf das, was zu viel ist, um das Auge darauf zu fokussieren, was es gibt, was aber auf den ersten Blick nicht wahrgenommen wird. Er lenkt seinen Blick auf das Unbemerkbare, auf die Fußnote, auf den Rest, auf die Brüche. Existierende Texte spielen oft eine zentrale Rolle in seinem Werk. Dieser Text wird aus dem Kontext herausgenommen, um eine neue Lektüre zu ermöglichen: in “The song of the end” ist es der Abspann, ohne wirklichen Film, in “Citas” (“Zitate”) gibt es nur Anführungszeichen ohne Text, in den Satie-Partituren werden die Noten durch Nägel ersetzt. Seine Werke sind Einladungen zur Reflexion in aller Stille. Jorge Macchi lenkt das Interesse der Beobachter auf die Abwesenheit, die Beobachtung dessen, was man nicht sieht, oder nicht sehen will. Diese explizite Suche wiederholt sich auch auf seinen Plänen und Landkarten oder in seinen Installationen.
Paula Delgado, geb. 1977 in Montevideo, lebt und arbeitet in Buenos Aires und Montevideo:
Paula Delgados Videos, Fotos und Installationen entstehen aus einem starken sozialwissenschaftlichen Interesse. Sie ist Mitbegründerin des Vereins Movimiento Sexy (Sexy Bewegung), in dem sie die Wahrnehmung des Individuums und seines Umfelds durch künstlerische Interventionen in der Öffentlichkeit hinterfragt. Arbeiten wie “Teléfono Compulsión”, eine Art “reality phone”, oder “El Album” zeigen immer wieder ihr Interesse an sozialen Themen. Letzteres ist ein Fotoalbum einer Hochzeit, die nie stattgefunden hat, eigentlich ein Placebo, das den gesellschaftlichen Drang nach einem Hochzeitsfest exorzieren soll.
Mit “¿Cómo sos tan lindo? Why are you so cute?” bearbeitet sie ein Work in Progress, das in mehreren Ländern und Kulturen stattfinden soll. Sie versucht damit, die ästhetische äußerliche Selbstwahrnehmung der Männer unter die Lupe einer Frau zu nehmen. Sie will, dass das männliche Geschlecht sich Gedanken über die eigene Schönheit macht, bzw. versucht sie als Frau den Männern auch körperliche Schönheit zuzusprechen.
Dani Umpi (Daniel Umpiérrez), geb. 1974 in Tacuarembó, lebt und arbeitet in Buenos Aires und Montevideo:
Dani Umpi hat sich in Argentinien, Brasilien und Uruguay einen Namen gemacht. Seit seiner Ausstellung “Dani Umpi Records” (2001), in der er eine nicht existierende Plattenfirma mit einem nicht existierenden Musik-Star präsentierte, gilt der Performance-Künstler und geniale Selbstdarsteller als Liebling der Nation. Umpis Methode ist die Wiederbelebung von traditioneller Musik und Pop durch eine verrückte Solo-Inszenierung. Er benutzt bewusst ihre Bühne, um seine Performances zu machen. Schlechte englische Übersetzungen von bekannten Texten, eine schlechte Stimme und seine selbstbewusste Provokation haben ihn in die Charts der bildenden Kunst und der Musik-Szene gebracht. Er benutzt alle möglichen Medien, um in die breite Öffentlichkeit zu kommen, wobei er die typisch lateinamerikanische Ästhetik kompromisslos eigenwillig umsetzt. “Try to Remember” zeigt einen Moment während eines Geburtstagsfestes, der sich zu immer neuen Varianten desselben Liedes immer wieder wiederholt. Das ist wieder ein Versuch, sich in den Mittelpunkt zu stellen und einen starken Augenblick für ewig festzuhalten.
Gustavo Mendez-Liska, geb. 1968 in Puerto la Cruz, Venezuela; lebt und arbeitet in Wien und Venezuela:
Die Struktur, die Form und die Oberfläche spielen eine bedeutende Rolle bei allen Arbeiten von Gustavo Mendez-Liska. In Textur und Farbe findet man eine starke Analogie zur Erde, zu Urgestein, zur Natur und gleichzeitig zu dem verblichenen Papier, das von alten europäischen Zeichnungen bekannt ist: eine braune Oberfläche, die das Werk umfärbt. Seine Technik besteht aus dem Aufbringen mehrerer Schichten, die am Ende eine kompakte Struktur ergeben. Es gelingt ihm damit, die Komplexität seiner Realitäten durch eine spezifische Leichtigkeit zum Ausdruck zu bringen. Er verkörpert zwei Kulturen oder mehrere und lädt den Betrachter ein, sich damit auseinanderzusetzen. Manchmal wird dem Betrachter erlaubt, in die Tiefe des Werkes zu gehen, manchmal findet er sich darin reflektiert, immer ist er präsent. Paradoxerweise spiegelt sich der Betrachter in der starken Subjektivität des Künstlers. “Doppeldecker” bezieht sich auf einen bedeutenden Teil Wiens, die Gürtel-Linie, die als Rand zweier Realitäten fungiert. Dieses Gebiet ist der Wendepunkt zweier unterschiedlicher Welten, die wiederum zu einer eigenen Welt werden.
Mehr Informationen zu allen Ausstellungen: http://www.kunsthallewien.at