Poetischer Surrealismus (2000)

Carlos Carmonas Zeichnungen bei Atica

Von Susanne Franz

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“Caminantes”, Tusche, 50 x 70 cm, 1995.

Wussten wir nicht schon längst, dass die “Wirklichkeit” so, wie wir sie wahrnehmen, nicht existiert? Normalität gaukeln wir uns nur vor: Die Schwerkraft, die uns am Boden festhält – alles Illusion! Der Raum, in dem wir uns bewegen – trügerische, brüchige Konstruktion! Die Zeit, die unserem Leben eine scheinbar logisch-zwingende Notwendigkeit verleiht – gibt es etwas Subjektiveres? Dass alles nur Blendwerk sein soll, ist für viele mehr als beängstigend, ja nicht auszuhalten. Nicht so für Carlos Carmona. Ihm genügt die schlichte Gewissheit, dass nichts wirklich existiert, um sich aus den Zwängen von Raum und Zeit zu befreien. Ohne Regeln, ohne Schwere, ohne Angst lässt er seine Spaziergänger, die “Caminantes”, durch eine Welt schweben, gehen, tanzen, in der es keine Schwerkraft gibt. Hier existieren weder Zeit, noch Atmosphäre, noch Geräusche…

Carmonas Zeichnungen haben eine unglaublich intensive gestalterische Dichte, die Werke, obwohl “normal” auf rechteckige Leinwand gebannt, wirken wie Kugeln, die weiß herausgearbeiteten Flächen treten krass, grell plastisch hervor aus den Bildern, die wie in einem Fiebertraum verzerrt sind. Man erlebt Carmona auf dem Höhepunkt seiner Kreativität, als Schöpfer eines poetischen Surrealismus in einer parallelen Dimension.

Dieser Artikel erschien am 2.12.2000 im “Argentinischen Tageblatt”.

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