Die Brückenbauerin (2001)

Silvina Der-Meguerditchian, in Berlin lebende argentinische Künstlerin, im Centro Cultural Borges

Von Susanne Franz

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Untitled, Nitroprint on paper, 15 cm x 15 cm.

Deutschland ist ihr Zuhause, und trotzdem beginnt sie zu weinen, wenn die Folkloregruppe, die im Zug Musik macht, “Sobreviviendo” – “Überleben” – des kämpferischen Barden Victor Heredia singt. Silvina lebt schon seit 13 Jahren in Berlin, ein gehöriges Stück ihres gerade mal 33-jährigen Lebens. In Deutschland lebt es sich bequem, man muss eben nicht jeden Tag ums Überleben kämpfen. Die kreative Kraft, die die Menschen in Argentinien einsetzen, um ihr Lebensschiff um stürmische Klippen zu steuern, kann Silvina in Deutschland für ihre künstlerische Arbeit nutzen. Und für das Aufarbeiten ihrer Vergangenheit, die armenischen Wurzeln der Argentinierin.

Hauptsächlich um Integration geht es ihr, wobei sie in ihrer letzten Ausstellung vor zwei Jahren (auch im Borges-Kulturzentrum) die Flucht ihrer Vorfahren nachzeichnete, aus Karten, Plänen, Lebensgeschichten ein vielschichtig verwobenes Herantasten an den Begriff “Identität” unternahm.

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Untitled, Nitroprint on paper, 15 cm x 15 cm.

Integration und Identität stehen auch in der jetzigen Ausstellung im Vordergrund, bei der es um das wiedervereinigte Berlin geht, das sich auch nach fast 11 Jahren weiterhin im Prozess der Annäherung befindet. Das Symbol für Identität, das sich durch Silvinas Ausstellung zieht, ist der Personalausweis, Namens- und Zugehörigkeits-Dokument. Ihre eigene Annäherung an Deutschland feiert sie in der Verarbeitung ihres Weges durch den Bürokratiedschungel, ihre erste Aufenthaltserlaubnis, etc., ein Thema, das für Deutsche anderer Generationen vielleicht eher Grund zur Beklemmung als zum Jubeln ist. Man denke nur an die Nationalstolz-Diskussion momentan in Deutschland. Für den argentinischen Besucher wird die Ausstellung sicher in vielerlei Hinsicht unverständlich bleiben.

Dennoch muss man den virtuosen Umgang mit den modernsten Technologien, die ungeheure Assoziationskraft und Fähigkeit zum Evozieren von Gefühlszuständen in der Gesellschaft dieser Künstlerin vorbehaltlos bewundern. Auf ihre weiteren Arbeiten darf man gespannt sein, vor allem auf ihre Teppiche, die schon als Objekte an sich das Integrationselement in sich tragen.

Zur immer stärker werdenden Ausländerfeindlichkeit in Deutschland befragt, muss Silvina zugeben, dass sie sich als Ausländerin nicht traut, alleine in einige Bezirke Berlins oder einige Städte im ehemaligen Osten zu fahren, dass sie Angst hat. Wo sie lebe, sei sie aber gut aufgehoben. Überleben kann leider auch in Deutschland ein Thema sein.

Dieser Artikel erschien am 07.04.2001 im “Argentinischen Tageblatt”.

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