“Nach links und nach rechts schauen” (2000)
Die Künstlerin Marga Steinwasser stellt in der Pestalozzi-Schule aus
Von Susanne Franz
Schon bei der Eröffnung Anfang November schrieben Kinder eifrig in Marga Steinwassers Gästebuch, und auch im weiteren Verlauf der Ausstellung kamen laufend Reaktionen von Schülern der Pestalozzi-Schule: “Beängstigend” fanden einige die Bilder und Skulpturen, viele entdeckten die Sozialkritik, die in den Werken steckt, “exzentrisch” nannten andere die Künstlerin, und zu den Puppen wurde lapidar bemerkt: “Die hätte ich auch machen können.” (Ein großes Kompliment für jeden Künstler!)
Der Vorsitzende der Trägergesellschaft der Schule, der “Asociación Cultural Pestalozzi”, Mario Cohn, hatte Steinwassers Gemeinschaftsausstellung mit Mercedes Ramognini im Centro Cultural Recoleta bewundert und die ehemalige Pestalozzi-Schülerin eingeladen, in der Schule auszustellen.
Und hier findet man zum Beispiel Collagen aus verschiedenen bemalten Holzresten. “Ich finde die Materialien auf der Straße, am Strand, am Fluss oder auf Baustellen”, erzählt Steinwasser. “Aber ich muss sie selbst finden, es nützt mir nichts, wenn jemand sie mir gibt.”
Nicht nur reizvolle, oft dreidimensional ins Skulpturenhafte wachsende Kompositionen schafft sie mit dem Holz, sondern auch Marionetten, Puppen, die alle verletzt zu sein scheinen, oder Gesichter, die sie wie an einem Totempfahl übereinander anordnet, mit zugenähtem Mund oder mit Worten, die auf angeklebten Zungen stehen.
Konventionell ist keines der Werke Marga Steinwassers, auch die Gemälde oder vielmehr Mischtechniken sind wahre Feuerwerke der Kreativität. Verschiedene graphische Techniken wie Linolschnitt, Radierung oder Holzschnitt, Zeichnung mit Kreide oder Rötel verbinden sich in Collagen mit Fotos, Scrabble-Steinen, geschriebenen Worten oder Sätzen und vielen anderen Elementen.
Im Mittelpunkt steht immer der Mensch, und in letzter Zeit, so Steinwasser, “tendiere ich immer mehr dazu, jeweils nur zwei Personen in meinen Bildern darzustellen, die sich miteinander auseinandersetzen”. Außerdem fügt sie nachdenklich hinzu: “Früher waren meine Bilder immer sehr “voll”, jetzt scheint die Tendenz zu sein: immer weniger.” Darüber hinaus setzt sie immer stärker das geschriebene Wort ein: “Früher habe ich mich nicht getraut”, beschreibt sie ihre Vorbehalte dem anderen, dem literarischen Medium gegenüber.
Dass Augen so prominent im Mittelpunkt ihrer Werke stehen, ist ein zentraler Gesichtspunkt im Schaffen Marga Steinwassers. “In dieser Gesellschaft fehlen die Augen!” sagt die stark sozial engagierte Künstlerin, die leidenschaftlich daran glaubt, mit ihrer Kunst etwas zu bewirken und zu verändern. “Jeder sieht nur stur geradeaus, aber wenn man ein wenig nach links und nach rechts schaut, kann man die Augen nicht mehr verschließen.”
Marga Steinwasser setzt sich mutig auseinander mit der sozialen Ungerechtigkeit der heutigen argentinischen Realität; der schwierigen Bewältigung der Vergangenheit; mit ihrer Familie, ihrer eigenen Geschichte als Kind von Immigranten, die vor den Nazis aus Deutschland flüchten mussten und diese verlorene Heimat für sie so real schilderten, dass sie für sie ein fester Bestandteil ihres Lebens wurde.
Dieser Artikel erschien am 18.11.2000 im “Argentinischen Tageblatt”.