„Es gibt eigentlich nur sechs deutsche Künstler” (1999)

Der argentinische Künstler Marcelo de la Fuente über seine drei Jahre in Deutschland

Von Susanne Franz

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Marcelo de la Fuente
(Foto aus “Bola de Nieve”).

Ein Besuch in der Heimat ist für viele, die im (wenn auch selbstgewählten) Exil leben, reichlich anstrengend, denn sie wird einem immer fremder, während man sich in seiner neuen Umgebung vielleicht noch nicht komplett zu Hause fühlt. Man muss Pflichten nachgehen, Familie und Freunde besuchen, Verpasstes nachholen, immer wieder das Gleiche erzählen. Und, je nachdem, versuchen, nicht ganz den Anschluss zu verpassen, besonders, wenn man Freiberufler ist, oder – schlimmer noch! – ein Künstler. Bei seinem gerade zurückliegenden Besuch in Argentinien hat sich der junge Künstler Marcelo de la Fuente (Jahrgang 1962), der seit drei Jahren in Deutschland lebt, um neue Kontakte bemüht und in der Kunstszene herumgeschnuppert. Aber in den Sommermonaten tut sich auf diesem Gebiet wenig.

Kurz bevor Marcelo 1996 Argentinien verließ, war eines seiner Werke für die „Colección Telefónica de Pintura Jóven” ausgewählt worden; diese Sammlung von Gemälden von 26 jungen argentinischen Künstlern geht seit drei Jahren als Wanderausstellung durch ganz Argentinien und soll als krönender Abschluss im „Museo Nacional de Bellas Artes” auch in der Hauptstadt gezeigt werden. Vielen Künstlern aus der hervorragenden Auswahl hat dieser Erfolg als Sprungbrett für ihre Karriere gedient: Die vielbeachtete Graciela Hasper ist bei der Galerie Benzacar untergekommen, ebenso Marcelo Pombo, den Ruth Benzacar in diesen Tagen auf der ARCO in Madrid vorstellt. Mariano Sapia – bei Praxis – konnte bereits beachtliche internationale Erfolge verbuchen, um nur einige zu nennen.

Obwohl er diese Chance verpasst hat, bereut Marcelo de la Fuente es nicht, nach Deutschland gegangen zu sein, wo er zunächst als Stipendiat des Ludwig-Forums in Aachen war und momentan in Würzburg lebt. Obwohl es für Künstler auch dort nicht leichter ist, wie der studierte Kunstgeschichtler bemerkt. Eigentlich gebe es überhaupt nur sechs erfolgreiche deutsche Künstler, lacht er, und zählt Sigmar Polke, Gerhard Richter, Georg Baselitz, Markus Lüpertz, Anselm Kiefer und Jörg Immendorf auf. Die restlichen paar hunderttausend hätten es ganz schön schwer, da Galerien kaum noch Risiken eingingen und nur hochdotierte Künstler ausstellten, und man in den letzten Jahren die Auswirkungen der Kürzungen von Geldern für den Kulturbereich in Deutschland schmerzlich gespürt habe. Sehr positiv beurteilt Marcelo die Presse in Deutschland, die ihm zahlreiche und treffende Rückmeldungen und Kritiken seiner Ausstellungen in Deutschland gab.

Gerade in Deutschland ist das Thema, mit dem sich Marcelo de la Fuente seit einigen Jahren auseinandersetzt, brisant – er beschäftigt sich mit der Ästhetisierung des Krieges. Als 19-jähriger Soldat musste er den Malwinenkonflikt miterleben, bei dem 800 argentinische und 250 britische Soldaten starben – dies hat ihn geprägt. Er ist der Meinung, dass keine Darstellung des Krieges die Realität von Tod und Grauen wirklich zu erfassen vermag, dafür seien unter anderem die Fernsehbilder vom Golfkrieg, die, vollkommen entmenschlicht, nur noch die „Errungenschaften” der Technik feierten, ein Beispiel.

Marcelo de la Fuente greift den Widerspruch „Ästhetisierung/Realität” auf und entwirft nüchterne, eindrucksvolle Bilder, die auf Strategieplänen wirklich geschlagener Schlachten basieren. Sie zeigen Truppenbewegungen, Sieg und Niederlage in bunten Farben und beliebigen Kombinationen, Nachhilfe für Möchtegern-Bonapartes. Vielfach montiert Marcelo die Acrylgemälde auf Tarnstoff, er treibt ein ironisches Doppel-Spiel, das seiner Erfahrung nach in Deutschland nicht immer gleich verstanden wird, das aber immer zu Auseinandersetzungen provoziert.

Auf einer übergeordneten Ebene entzündet sich Marcelo de la Fuentes sozialkritischer Ansatz an der immer verschwommener werdenden Grenze zwischen virtueller und wirklicher Welt. Virtuelle Realität, keimfrei, risikolos, bei Bedarf wiederholbar, um Fehler auszubügeln – wieso soll man sich da noch echten Erfahrungen aussetzen? Ästhetisierung des Krieges und Ästhetisierung der Realität sind die Grundthemen des talentierten Künstlers zwischen zwei Welten, und sie sind in Deutschland ebenso aktuell wie in Argentinien.

Dieser Artikel erschien am 13.02.1999 im “Argentinischen Tageblatt”.

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