Vorstoß in andere Dimensionen

Die MAMBA-Telefónica Preise für “Kunst und Neue Technologien”

Von Susanne Franz

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Vorschau auf die Kunst der Zukunft:
“Moebius Display” von Martín Bonadeo gewann den Hauptpreis.

Aus der Werbung kennt man seit den 80er-Jahren des vorigen Jahrhunderts Leuchtreklamen, gerne verwendet als aufblinkende und verlöschende Namen von Schnellrestaurants oder Kneipen. Meist deuten sie auf etwas Eiliges hin, irgendwie haben es etwas Anrüchiges, diese flüchtigen, nervösen Blinksignale. Oft in Rot, wollen sie Aufmerksamkeit erregen, sie drängen sich auf, nichts an ihnen ist elegantes Understatement.

Schwer vorstellbar, dass jemand aus tausenden blinkenden “Leds” ein intellektuell anspruchsvolles Kunstwerk schaffen könnte. Der argentinische Künstler Martín Bonadeo, Gewinner des “Gran Premio a las Nuevas Tecnologías”, hat es vollbracht, nach zwei Jahren Arbeit und mit der großzügigen Unterstützung der Firma Osram, die die 10.000 notwendigen “Leds” gespendet hat.

Bonadeo bricht aus der Zweidimensionalität aus und lotet mit seinem Werk “Moebius Display” in neue Dimensionen. Man betritt einen dunklen Raum. An der Decke hängt ein aus viereckigen schwarzen Platten zusammengesetztes Band, das einen Kreis bildet, indem es sich in einer Moebius-Schleife dreht, sich umkehrt, in seinen Originalzustand zurückkehrt, sich wieder dreht, und so weiter. Es hat weder Beginn noch Ende. Über das unendliche Band laufen ununterbrochen Wörter, die in dem Moment, in dem sie sich auf der Moebius-Schleife umdrehen, in ihr Gegenteil umgewandelt werden, eine Kurve weiter wieder auftauchen und so fort. Aus Tag wird Nacht und wieder Tag, aus Frieden Krieg, aus dem Guten das Böse, aus Drinnen Draußen. Die Realität wandelt sich in Fiktion, Ja wird zu Nein und wieder zu Ja, + wird zu -, und so fort.

Die Begriffe gehen ineinander über, einer kann ohne den anderen nicht existieren. Sie sind nicht eigentlich Gegensätze, sondern zwei Seiten einer Medaille, eine Einheit. Nach etwa 10 Minuten des Betrachtens des von passender Musik untermalten Werks gerät man in eine Art meditativen Zustand und “versteht” das binäre Wesen unserer Existenz, ohne über Details philosophieren zu wollen. Ein seltsam psychedelischer Effekt bei einem “technologischen” Werk, der Anstoß zu vielen Fragen gibt. “(Moebius Display) dient der Reflexion und der Kritik”, schreibt der Kritiker Rodrigo Alonso, “denn es stellt die Repräsentationssysteme in Frage, an die wir gewöhnt sind, und die alle unweigerlich auf der cartesianischen Geometrie beruhen.” Ob es an diesem Mangel an Mystik liegt, dass die Verbindung von Kunst und Technologie oft kalt und nüchtern wirkt und die Sinne nicht anzusprechen vermag?

Am 9. September wurde die Ausstellung “Arte y Nuevas Tecnologías” mit Martín Bonadeos Werk und den Werken der Preisträger in anderen Kategorien (Experimentelles Video, Experimentelle Multimediakunst, etc.) im “Espacio Fundación Telefónica” in der Arenales 1540 eingeweiht. Noch bis zum 22. Oktober kann man dort, immer dienstags bis samstags von 14.00-20.30 Uhr, und bei freiem Eintritt, erleben, was Argentinien auf dem Gebiet der Digitalkunst an neuen kreativen Ideen zu bieten hat.

Zum vierten Mal sind die vom Museum für Moderne Kunst MAMBA und der Stiftung Fundación Telefónica gemeinsam vergebenen Preise für das Jahr 2005 verliehen worden. Nach einer gemeinsamen Exposition der Preisträger von 2002, 2003 und 2004 ist dies die zweite Ausstellung der “Premios MAMBA-Fundación Telefónica, Arte y Nuevas Tecnologías”.

Zu den weiteren Preisträgern der renommierten Auszeichnung zählen Graciela Taquini, Leonello Zambon, Leonardo Solaas, José Jiménez und Paula Gaetano Adi.

Dieser Artikel erschien am 14.10.06 im “Argentinischen Tageblatt”.

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