Deutsche Dokus

“Neue Tendenzen im Deutschen Dokumentarfilm” im Leopoldo Lugones-Saal

Bruder.jpg
“Mein Bruder ist Koch. Er hat die Stadt verlassen und seine Stammkneipe in Berlin im Prenzlauer Berg. Er lebt jetzt seit einem Jahr in Frankreich, in den Bergen, unterm Dach der Pension von Micha und Yvonne. Andreas hat gedacht, er stirbt hier, drei Infarkte, eine Operation, das Herz und nichts mehr vor, aber daraus wird nichts. Mein großer Bruder hat sich plötzlich verliebt. In Vanina, die Frau vom Hufschmied mit den drei Söhnen. Micha finanziert die kleine Pension durch seine Arbeit auf Herzstationen in der Schweiz und in Deutschland. Er ist Kardiotechniker, Yvonne ist es gewesen. Sie nimmt sich jetzt Zeit für die Kinder. Mein Bruder arbeitet für Micha und Yvonne. Er kocht für sie und für die paar Sommergäste. Jetzt ist Oktober, mein Besuch ist kurz. Ich möchte mit meinem großen Bruder über Micha reden, seinen Freund. Unsern IM. Hier geht es nicht um Geheimdienste. Es geht um meinen Bruder und mich. Das Unausgesprochene zwischen uns. Sonst hätte ich diesen Film nicht gemacht.” Thomas Heise

Vom 24.4. bis 3.5. läuft im Leopoldo Lugones-Saal des Theaters San Martín (Av. Corrientes 1530) der Filmzyklus “Neue Tendenzen im Deutschen Dokumentarfilm”, der vom Goethe-Institut und dem Lugones-Kino anlässlich des 40-jährigen Bestehens beider Institutionen organisiert wird. Unterstützt wird der Zyklus vom Dokumentarfilmfestival DocBsAs/07. Alle Filme werden in Originalversion mit spanischen Untertiteln gezeigt. Der Eintritt kostet 5 Pesos.

  • 24.4., 17, 19.30 und 22 Uhr: „Mi hermano“ (Mein Bruder) von Thomas Heise, 2005, 60 Min.
    Ein Film, gedreht in ‘La France Profonde’, im tiefsten Frankreich, und doch über ein sehr deutsches Thema, welches die jüngste Geschichte nachhaltig bestimmte und heute noch prägt: Verrat unter Freunden und an Freunden – in der DDR, forciert und benutzt von den Zuträgern der Stasi.
  • 25.4., 17, 19.30 und 22 Uhr: „¿Cometió delitos de bancarrota Wolf von Amerongen?” (Hat Wolff von Amerongen Konkursdelikte begangen?) von Gerhard Friedl, 2005, 78 Min.
    Die experimentelle Reflexion über die deutsche Wirtschaftsgeschichte zeigt Aufnahmen von Orten der Arbeit und des unsichtbaren Kapitals: harmlose Bilder von Städten, Landschaften, Fabriken und Flughäfen. Auf der Tonspur erzählt eine Stimme in lakonischem Tonfall von den Karrieren, Sitten, Spleens und Katastrophen des Großkapitals. Selten treffen sich Bild und Ton, der Regisseur überlässt dem Publikum die freie Assoziation. Von Amerongen, Flick, Strauß, Krupp, Oetker, Thyssen… Der Film wird zum Wahrnehmungsexperiment, die Montage irritiert, statt zu illustrieren. Und wirft Fragen auf: Wie zeigt man Wirtschaftskriminalität, die nicht abbildbar ist? Und wie kann man Geschichte konstruieren?
  • 26.4., 17, 19.30 und 22 Uhr: „La red“ (Das Netz) von Lutz Dammbeck, 2004, 114 Min.
    Ein Dokumentarfilm, in dem einstige Aktivisten der Gegenkultur der Hippie-Jahre wie auch heutige Wissenschaftler über die Entwicklung des Computers und des Internet befragt werden. Was bringt der menschlichen Gesellschaft die grenzenlose Entwicklung der Informationstechnik?
  • 27.4., 17, 19.30 und 22 Uhr: „Literalmente ‚No sin riesgo‘” (Nicht ohne Risiko) von Harun Farocki, 2004 50 Min.
    Ein mittelständischer Unternehmer und ein Risikokapital-Konzern treffen sich zu Verhandlungen. Mit einem Kredit soll eine technische Erfindung zur Serienreife gebracht werden. Farocki beschränkt sich auf die kommentarlose Beobachtung und Montage zweier Gespräche bis zum Vertragsabschluss. Ein mikroskopischer Blick in eine Zelle heutiger Ökonomie, eine Ethnographie des Wirtschaftsalltags.
    „Reconocer y perseguir“ (Erkennen und verfolgen) von Harun Farocki, 2003, 58 Min.
    Die Filmaufnahmen aus den Projektilen amerikanischer Raketen sind seit dem ersten Irakkrieg von 1991 weltweit bekannt; sie dienten der Demonstration technischer Überlegenheit. Für Harun Farocki sind sie Beispiele eines neuartigen Bildtypus. GPS-Systeme, „intelligente Waffen“, die industrielle Verarbeitung von Werkstücken: Sie alle basieren auf rechnerischen Prozessen, in denen die Bilder auf Algorithmen und technische Operationen reduziert sind.
  • 28.4., 14.30, 17, 19.30 und 22 Uhr: „Pasión por actuar“ (Die Spielwütigen) von Andres Veiel, 2003, 108 Min.
    Vier Schauspielschüler werden während ihrer Ausbildung an der renommierten Schauspielschule Ernst Busch in Berlin begleitet. Sie sind sehr unterschiedlich in ihrer vita, ihrer Mentalität, ihrem Sozialverhalten, aber gleich in ihrer Theaterbegeisterung. Sie schließen erfolgreich das Studium ab und wir hören noch von ihren ersten Berufserfahrungen.
  • 29.4., 14.30, 17, 19.30 und 22 Uhr: „Damas y caballeros a partir de 65“ (Damen und Herren ab 65) von Lilo Mengelsdorff, 2002, 70 Min.
    Sie könnten alle zu Hause sitzen und ihre Rente genießen, stattdessen sind sie einer Kleinanzeige einer Tageszeitung gefolgt: “Damen und Herren ab 65 gesucht”. Die Wuppertaler Choreografin Pina Bausch inszeniert ihr Stück ‘Kontakthof’ neu – diesmal mit älteren Laien. Der Dokumentarfilm begleitet Menschen, die ihr Berufsleben hinter sich haben und sich nun einer völlig neuen Herausforderung stellen, dort ihre Energie und ihre Lebenserfahrung hineinlegen und Konventionen und Grenzen überwinden müssen. Ein berührender Film über das Älterwerden.
  • 30.4., 17, 19.30 und 22 Uhr: „Siete hermanos“ (Sieben Brüder) von Sebastian Windels, 2003, 86 Min.
    Dokumentarfilm über sieben Brüder: geboren zwischen 1929 und 1945 in Mülheim an der Ruhr, erzählen sie ihre Biographien und vom Leben in einer kinderreichen Familie.
  • 1.5.: keine Vorstellung.
  • 2.5., 17, 19.30 und 22 Uhr: „El centro“ (Die Mitte) von Stanislaw Mucha, 2003 90 Min.
    Der Regisseur begibt sich auf die Suche nach der Mitte Europas und besucht von Deutschland bis zur Ukraine 12 Plätze, die diese Mitte sein wollen. Er spricht mit Bewohnern vor Ort und erfährt vor allem in Osteuropa, dass viele mit Sorge in die Zukunft blicken.
  • 3.5., 17, 19.30 und 22 Uhr: “¿Qué es de tu vida?” (Was lebst du?) von Bettina Braun, 2004, 87 Min.
    Über zwei Jahre lang hat die Filmemacherin eine Gruppe von Jugendlichen in Köln begleitet. Die vier Freunde Ali, Kais, Ertan und Alban, alle zwischen 16 und 20 Jahren alt, sind unterschiedlicher Herkunft und haben doch eine Erfahrung gemeinsam: Ihre Eltern sind aus anderen Ländern, aus Marokko, Tunesien, Albanien und der Türkei nach Deutschland gekommen. Deutsch mag für die Jugendlichen nicht die Muttersprache sein – aber es ist die Sprache, in der sie miteinander reden – und ihre Rap-Texte verfassen.

Infos auf der Webseite des Goethe-Instituts und auf der Webseite des Theaters San Martín.

Escriba un comentario