Theaterprojekt “La Yunta” am Instituto Ballester

| Off Topic | 30/6/07 | 0 comentarios

La Yunta zeigt den “Revisor” von Gogol

Von Christina Liebl

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Mit ausgeprägter Mimik und Gestik gelang es den Schaupielern, den Klassiker wirklich in ein Clownstück zu verwandeln.
Foto: Christina Liebl

Die Theatergruppe La Yunta zeigt im Instituto Ballester „¡Araca el inspector!“, eine Adaptation des Klassikers des russischen Autors Gogol. Das im Original in einem Dorf des 19. Jahrhunderts in Russland angesiedelte Stück wird in dieser Inszenierung auf die argentinische Gegenwart übertragen. Als weitere Zuspitzung spielt sich die Handlung in einem Zirkus ab und wird von Clowns aufgeführt. Mit Humor werden so Korruption und Fehlorganisation ironisiert, um den Zuschauer dazu anzuregen, darüber nachzudenken, wie das Land sein soll, in dem er leben möchte. Um für die passende Zirkusatmosphäre zu sorgen, spielte das Orchester des Instituto Ballester unter der Leitung von Federico Popoff auf.

Der Beginn des Stücks versetzt den Zuschauer in eine Gemeindeversammlung der führenden Personen des Dorfes, bei der offen Bestechlichkeit und Missstände zu Tage treten. Die Neuigkeit eines zu erwartenden Inspektors versetzt die Mitglieder in Aufregung. Einen beliebigen Fremden und seinen Begleiter halten sie für den gefürchteten Beamten und beginnen, ihn zu hofieren und mit Geldgeschenken für die Probleme des Dorfes blind zu machen. Die Dorfbewohner gehen schließlich dazu über, sich gegenseitig bei dem vermeintlichen Offiziellen zu denunzieren. Dieser spielt die Farce mit und schreibt einen Brief an einen befreundeten Journalisten, welcher eine ironische Beschreibung der Bevölkerung liefert. Der Schwindel wird aufgedeckt, als der Postbeamte eben diesen Brief öffnet und entdeckt, dass es sich um eine Verwechslung handelt. Durch den Inhalt des Schreibens wird den Dorfbewohnern öffentlich ihr Fehlverhalten vorgehalten.

Deutlich zu erkennen waren die Spielfreude und das Engagement, das ein jeder der zahlreichen Schaupieler – Schüler, Ex-Schüler, Lehrer und Eltern des Instituto Ballester – an den Tag legte. Mit ausgeprägter Mimik und Gestik gelang es ihnen, den Klassiker wirklich in ein Clownstück zu verwandeln. Dennoch blieb die ernste Botschaft dahinter stets deutlich sichtbar und sorgte für einen Denkanstoß.

Eine letzte Gelegenheit, das Stück zu sehen, bietet sich an diesem Wochenende; am Samstag, den 30. Juni, um 20 Uhr, und am Sonntag, dem 1. Juli, um 19.30 Uhr, im Instituto Ballester, San Martín 444, Villa Ballester.

Vor einer der Vorstellungen nahm sich der bekannte Schauspieler und Theaterregisseur Carlos Kaspar die Zeit, einige Fragen zum Stück, zu “seiner” Theatergruppe La Yunta und zu seinem Beruf zu beantworten.

Wieso haben Sie genau dieses Stück ausgewählt?

Ich glaube, es hat sehr viel mit der argentinischen Realität zu tun, auch wenn “Der Revisor” ein Klassiker ist. Ich denke, Korruption gibt es überall. Es ist eine Krankheit, an der alle Länder der Welt leiden, aber hier, in Argentinien, ist es etwas schlimmer. Ich habe im Originalstück von Gogol deutlich die argentinische Realität wiedererkannt. Das habe ich im Stück adaptiert, so dass alles sich in einem kleinen Dorf in Argentinien abspielt.

Was bedeutet das Stück also für Sie? Ist es ein Spiegel Ihrer Heimat?

Ich bin der Meinung, dass alles, was man tun kann, um seine Mitbürger ein bisschen zur Reflektion zu bringen, gut und nötig ist. So habe ich mir mit diesem Stück vorgenommen, zuerst über unsere Realität zu lachen, aber auch das Publikum dazu zu bringen, darüber nachzudenken. Wir können die Dinge ändern und bessern. Ich denke, durch den Humor einer Komödie kann man näher an die Leute herankommen als durch Tragödien. Und Ironie ist vielleicht eine bessere Waffe, um die Leute zum Nachdenken zu bringen.

Hat das Ihre Inszenierung beeinflusst?

Ja, auch. Die Idee hat auch mit der argentinischen Theatergeschichte zu tun. Anfang des 20. Jahrhunderts in Argentinien gab es den Circo Criollo, einen Zirkus, in dem außer einer Zirkusshow auch ein Theaterstück vorgeführt wurde. Die Idee vom Zirkus und dass sich das Stück in einem Zirkus abspielt, habe ich sehr interessant gefunden. Denn eigentlich sind wir alle Clowns, die wir in so einem wahnsinnigen Land leben, wo die Korruption überhand genommen hat. Und dieses Jahr, wo Wahlen anstehen, ist ein guter Moment, um diesen Zirkus zu zeigen. Unsere Realität als Zirkus vorzuführen, von Clowns gezeigt und reflektiert.

Wie war die Zusammenarbeit mit den Schauspielern?

Die Yunta ist ein pädagogisches Projekt. Wir sind schon seit fünf Jahren am Instituto Ballester. Es ist eine Gruppe von älteren Schülern, Ex-Schülern und Lehrern. Erstens gibt es diesen sozialen Aspekt der Gemeinschaft, das Theater bringt die Leute zusammen und sie lernen sich kennen. Unsere Schule ist groß und die Gemeinde ebenfalls, da ist es wirklich wichtig, die Leute zusammenzubringen und wenn’s nur durchs Theater ist. Zweitens ist es ein kulturelles Projekt: Wir wollen nicht nur argentinische Autoren zeigen, sondern auch Aspekte der deutschen Kultur weitergeben. Wir haben beispielsweise den Faust von Goethe und Mahagony von Brecht gespielt. Nächstes Jahr wollen wir schauen, dass sich auch der bilinguale Aspekt entwickelt, etwa, dass Lieder in deutscher Sprache gesungen werden.

Ich arbeite mit der Yunta, weil mir die Arbeit mit den Leuten gefällt und weil ich diese Schule wirklich ins Herz geschlossen habe. Die Vorbereitungen waren wirklich sehr anstrengend, weil jeder von etwas anderem lebt und alle sich Zeit nehmen müssen, um zu proben und zu üben. Aber die Yunta ist für mich ein Platz, wo ich mich wohl fühle, wo ich wirklich das Beste von mir geben und mit anderen Leuten teilen kann. Die Yunta ist wie eine Familie, wir wachsen zusammen. Und jeder nimmt die Sache sehr ernst. Wir amüsieren uns auch, aber es wird mit viel Respekt gearbeitet.

Ist es für Sie ein besonderer Reiz, mit Laienschauspielern zusammenzuarbeiten?

Für mich ist es eine Herausforderung, das Beste hervorzubringen, das jeder an schaupielerischem Talent besitzt, und manche der jungen Schüler machen dann weiter. Ich war auch an der Steinerschule tätig und hatte dort eine ähnliche Theatergruppe. Davon sind einige heute professionelle Schauspieler und berühmt. Einer ist Juan Manuel Gil Navarro. Es handelt sich darum, einen Anstoß zu geben und zu sehen, was dabei herauskommt.

Was hat Ihnen selbst den Anstoß gegeben?

Mit 14 Jahren kam ich in die Theatergruppe des Instituto Ballester. Seit diesem Moment habe ich mich in das Theater verliebt und konnte das nicht mehr loswerden. Dann arbeitete ich unter anderem mit Guillermo Battaglia, mit Jaime Kogan, gründete verschiedene Gruppen und führte Regie. Das erste Mal habe ich mit 16 Jahren Regie geführt, in der evangelischen Gemeinde in Florida. Dann fing ich an zu lesen und das Theater genauer kennenzulernen. Ich habe dann Psychologie studiert, als Nebenaktivität. Aber irgendwann kommt der Moment, wo man sagen muss, das ist mein Leben und das ist meine Leidenschaft und das möchtest du tun. Ich habe als Psychologe und Lehrer gearbeitet, aber ich habe das Schauspielern nie gelassen. Und meine Arbeit mit Laienschauspielern soll meine Leidenschaft für das Theater weitergeben. Es gibt immer jemanden, der wächst, und der etwas von dieser Leidenschaft in sich aufnimmt. Deswegen macht es mir Spaß, hier zu arbeiten.

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Carlos Kaspar mit Mercedes Morán im Kinofilm “Cara de Queso”.

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