„Hamlet“ als Erfahrung

| Off Topic | 15/9/07 | 0 comentarios

Cia. dos Atores aus Brasilien präsentierte „Ensaio.Hamlet“ auf dem VI. Internationalen Theaterfestival von Buenos Aires

Von Christina Liebl

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Mit einem Minimum an Requisiten und origineller Verwendung gestaltete Cia. dos Atores ihre Interpretation von „Hamlet“.

Shakespeare, einer der größten Autoren in der Geschichte der Menschheit und eines seiner bekanntesten Dramen, „Hamlet“: wie viele Bücher, Doktorarbeiten und Traktate wurden bereits darüber geschrieben, und dennoch hat weder Autor noch Werk an Faszination verloren. Die brasilianische Theaterkompanie Cia. dos Atores unter der Leitung von Enrique Diaz präsentierte auf dem VI. Internationalen Theaterfestival im Centro Cultural de Recoleta mit „Ensaio.Hamlet“ ihre eigene Auseinandersetzung mit Shakespeare.

Dabei geht es in dem Stück nicht nur darum, das Werk des Engländers wiederzugeben, sondern vor allem eine Montage zu kreieren aus den Fragen, die „Hamlet“ aufwirft, sowie den Erfahrungen, die sich bei der Arbeit mit dem Text ergeben. Auf diese Weise werden sowohl die Beziehung der Schauspieler zu den Figuren, die sie darstellen, die Relation zwischen Publikum, Stück und Darstellern und durch den Text hervorgerufene Assoziationen in den Mittelpunkt gerückt.

Die Aktion findet in der Mitte zwischen den Zuschauerreihen statt, um das Publikum näher an das Geschehen heranzurücken. Minimalistische Mittel wie Lampen, Kerzen, Mikrofon und Videokamera werden von den Schauspielern für theatralische Effekte benutzt.

Im Zentrum der Handlung steht der dänische Prinz Hamlet, der durch den Geist seines Vaters in Kenntnis davon gesetzt wird, dass er durch seinen Bruder, den Onkel Hamlets, gewaltsam zu Tode gekommen ist. Hamlet, mehr Dichter und Denker als finsterer Rächer, versinkt ins Grübeln, und durch ihn wird das Publikum mit philosophischen und moralischen Fragen, Zweifeln und inneren Zwiespälten konfrontiert. Auch in „Ensaio.Hamlet“ konzentriert sich die Darstellung auf die Reflexion des Protagonisten, in dessen Rolle die Schauspieler abwechselnd schlüpfen. So können verschiedene individuelle Interpretationen des einen Charakters gezeigt werden. Mit Ironie stellt sich das Ensemble der Herausforderung, „Sein oder Nicht-Sein“ dem Publikum näherzubringen und die umfassende Symbolik der Shakespeare-Zeit in die Gegenwart zu übertragen.

Eine der zentralen Szenen aus „Hamlet“, der Selbstmord der Ophelia aus Liebe zu Hamlet, kann repräsentativ für die Darstellungsweise der brasilianischen Gruppe stehen: Die Schauspielerin, die in dieser Szene Ophelia verkörpert, übergießt sich mit Wasser aus einer Glasflasche, wobei das dabei entstehende Geräusch an das Glucksen einer untergehenden Person erinnert. Somit wird der Tod abstrahiert und ästhetisiert.

Ideenreichtum und überzeugendes Schauspiel machten „Ensaio.Hamlet“ zu einer wirklichen Theatererfahrung, welche dem Publikum meta-fiktionale Anstöße offerierte und einen neuen Blickwinkel auf Shakespeares Werk vermittelte.

Erschienen im “Argentinischen Tageblatt” vom 15.09.07.

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