Bollywood im Wartesaal

| Off Topic | 29/9/07 | 0 comentarios

Der deutsche Beitrag „Big in Bombay“ beschließt VI. Internationales Theaterfestival von Buenos Aires

Von Christina Liebl

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Sturm im Glashaus – Konsum und Angst werden in „Big in Bombay“ thematisiert.

Ein Wartesaal. Menschen, die nichts zu tun haben, die sich unterhalten oder schweigen, sitzen in einem gläsernen Raum und warten. Von diesem Ausgangspunkt aus entstehen jedoch Bewegungen: Tänzer, Sänger und Musiker bilden Einzelgruppen, so dass man kaum noch weiß, wohin man blicken soll oder welcher Szene man Aufmerksamkeit schenken soll. Erst wenn die typisch schrille, indische Popmusik ertönt, das Ensemble in eine synchrone Choreographie übergeht und im Stil von Bollywoodfilmen mit Hand-, Kopf- und Augenbewegungen das Publikum zu hypnotisieren und verführen scheint, kehrt Harmonie ein.

Doch diese Gruppentänze dauern nur kurz und schon zerbricht wieder alles, um Themen wie Terror, Naturkatastrophen, Paranoia tänzerisch und schauspielerisch in den Raum zu stellen.
Passend zum Aufführungsland beispielsweise fügt das Ensemble Dorky Park unter der Leitung der in Berlin lebenden Argentinierin Constanza Macras einen auf Deutsch vorgetragenen Wortschwall über Politik und Geschichte Argentiniens, Peronismus und Menem ein, der sich in den stampfenden Schritten der Tänzer verliert und dessen Ende ungehört bleibt. Im Wartesaal erzählt kurz darauf ein Mitglied des Ensembles auf Englisch, wie organisiert Disneyworld doch sei und dass bei einer Naturkatastrophe der unterirdische Arbeitertrupp als einzige überleben würden. An späterer Stelle wird dieses Thema wieder aufgenommen, als die Darsteller einer nach dem anderen zusammenbricht und von einem einzigen Tänzer zu einem Menschenhaufen aufgestapelt werden. So endet der erste Teil mit Assoziationen über eine Katastrophe. Und auch am Ende kämpfen die Darsteller in dem Glasraum gegen einen Sturm an.
Filmausschnitte unterbrechen immer wieder und zeigen, wie die Gruppe in Disneyland unterwegs ist, dann mit Mickey-Mouse-Masken in Indien über die Straße schlendert oder eine junge Frau über ihre Todesängste beim Reisen spricht.

In „Big in Bombay“ verwandeln sich die Tänzer zu immer neuen Charakteren, schlüpfen in neue Masken, um sich mit einem Schlag wieder alle zu den fröhlichen Klängen indischer Popmusik zu gruppieren. In rascher Folge werden neue Szenen angedeutet und Assoziationen angeboten. Die Darsteller bewegen sich in einer Welt aus Müll, Konsum und gleichzeitiger Angst, in der am Ende jeder alleine bleibt, aber alles schon mal erlebt hat: „Wir kennen uns doch?“

Erschienen im “Argentinischen Tageblatt” vom 29.09.07.

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