Ein Stück Geschichte wird wiederbelebt

| Off Topic | 7/1/08 | 1 comentario

Replik von Plüschows Silberkondor in der Bucht von Ushuaia

Von Anette Koch

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Der 8-jährige Martín Lorenz und seine Schulkameraden saßen im Unterricht in der Schule von Ushuaia, als sie am 3. Dezember des Jahres 1928 auf einmal ein lautes Brummen störte. Sie rannten zur Bucht, wo die übrigen Bewohner Ushuaias bereits versammelt waren. Auch die 6-jährige Tata Fique ist dabei. Sie erinnert sich heute, dass ihre Mutter ihr einen Blumenstrauß in die Hand gedrückt hat, den sie Gunther Plüschow, dem Helden der Luftfahrt, demjenigen, der als erster mit einem Flugzeug Ushuaia erreicht, geben soll. Und, dass sie ihren Augen kaum trauen, als ein silbernes Flugzeug am Himmel erscheint. Das Doppeldeckerflugzeug umrundet die Bucht in einer großen Schleife und landet schließlich, während die Kameras der anwesenden Fotografen das Ereignis festhalten, nur wenige Meter vom Sitz des heutigen Aeroclubs Ushuaia entfernt.

Der Aeroclub leitet nun, knapp 80 Jahre später, ein Projekt, das dem ersten Menschen, der Feuerland und Patagonien überflog und filmte, ein Denkmal setzen soll. Bei dem gemeinsam mit dem Plüschowexperten und -biographen Roberto Litvachkes geplanten Vorhaben handelt es sich um die 1:1-Konstruktion einer Replik des Doppeldeckerflugzeugs der Heinkel HD24, genannt Silbervogel. Die Replik wird von Experten der Cátedra Aeronautica der staatlichen Universität von La Plata angefertigt. Die Glasfaserkonstruktion soll am 3.12.2008, zum 80. Jahrestag der Ankunft, eingeweiht und als Meilenstein der argentinischen Geschichte in der Bucht von Ushuaia aufgestellt werden.

Plüschows Ankunft war nämlich nicht nur ein Ereignis, weil viele der Bewohner Ushuaias 1928 zum ersten Mal ein Flugzeug zu Gesicht bekamen, sondern sie initiierte auch den Anschluss Ushuaias an den Kontinent. Die Versorgung mit Medikamenten und Nahrungsmitteln des Fin del Mundo wird seither vor allem durch Flugzeuge gewährleistet.

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Ein Flug im Jahr 1928 war mit den technologischen Voraussetzungen in Anbetracht der klimatischen Begebenheiten ein waghalsiges Unternehmen. Auch wenn Plüschow bereits als Pionier in der deutschen Kolonie Tsingtau während des Ersten Weltkriegs und als Pilot für die Firma Luftpost – die heutige Lufthansa – reichlich Flugerfahrung gesammelt hatte und die Firma Heinkel nach jahrelangen Verhandlungen nebem dem Flugzeug auch gleich ihren Mechaniker Ernst Dreblow zur Verfügung gestellt hatte: Die damaligen technischen Kenntnisse und Möglichkeiten bleiben aus heutiger Sicht sehr begrenzt. Umso erstaunlicher sind die Expeditionen Plüschows, deren Bildmaterial die Basis für heutige Kenntnisse über Patagonien liefern.

Allein der Transport des Flugzeugs von Deutschland nach Feuerland war ein Abenteuer. Der Maschinist Seppl Schmitt, dessen Memoiren kürzlich in Chile veröffentlicht wurden, berichtet, dass Plüschow die Heinkel ursprünglich auf seinem Expeditionsschiff, dem Segelkutter Feuerland, von Büsum nach Argentinien verschiffen wollte. Glücklicherweise konnten ihn seine Begleiter davon abbringen. Die Feuerland wäre mit einer derartigen Last beim ersten Seegang gesunken, und mit ihr der Traum, das Ende der Welt zu erschließen. Das Unternehmen wäre wie auch so viele andere Patagonienexpeditionen zuvor gescheitert.

Plüschow verhandelte schließlich mit Hamburg Süd. Er widmete der Spedition die letzte Seite seines aktuellen Buches, und Hamburg Süd stellte ihm das Frachtschiff Planet zur Verfügung. So erreichte der Silbervogel 1927 in 13 Kisten verpackt Punta Arenas, wo er von den Autoritäten der Stadt in Empfang genommen wurde. Einen Monat später war der Doppeldecker wieder aufgebaut und startklar für den ersten berühmten Flug, dem in Ushuaia heute gedacht wird.

Weitere Informationen (auf Spanisch) im Blog von Roberto Litvachkes.

Präsentation des Projekts in Ushuaia

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Am Montag, dem 17.12.07, wurde in Ushuaia das Projekt der Konstruktion der Replik des Flugzeugs von Gunther Plüschow präsentiert. Zugegen waren Daniel Leguizamón, der neue Tourismussekretär der Gemeinde von Ushuaia, und Marcelo Murphy, der Beauftragte für Kultur von Ushuaia. Darüber hinaus wohnten Mitglieder des Aeroclubs, der Marine und Bewohner Ushuaias der Veranstaltung bei.

Rafael Fank, lokaler Unternehmer und Präsident des Aeroclubs, welcher selbst Sohn deutscher Pioniere ist, stellte das Projekt, welches unter anderem dank der Unterstützung von Aerolíneas Argentinas, Wintershall und London Supply realisiert werden kann, vor. Der begeisterte Plüschow-Anhänger enthüllte gemeinsam mit dem Hauptkoordinator des Projekts, Roberto Litvachkes, unter dem Applaus des Publikums ein Modell der nach einem Foto rekonstruierten Ankunftsszene Plüschows in der Bucht von Ushuaia. Das Modellflugzeug und die Figuren sollten den Anwesenden einen Eindruck von der Szenerie vermitteln, die in Originalgröße nachgebaut werden soll. Einige der Anwesenden, Zeitzeugen und Kinder der Zeitzeugen, zeigten sich gerührt als sie die Figuren ihrer Zeitgenossen und Eltern sahen.

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Der Nachbau der Heinkel HD 24 wird von der Universität La Plata angefertigt und auf einer Plattform in der Bucht von Ushuaia an dem Ort schwimmen, wo Plüschow vor knapp 80 Jahren gelandet ist. Der Tourismussekretär verprach nicht nur seine volle Unterstützung, sondern äußerte den Wunsch, das Projekt in den geplanten “Paseo de Pioneros de Ushuaia” zu integrieren. Am 3.12.2008 wird die Replik dann zum 80. Jahrestag von Plüschows Ankunft eingeweiht.

Erschienen im “Argentinischen Tageblatt” vom 05.01.08.

Un comentario sobre “Ein Stück Geschichte wird wiederbelebt”

  1. Eberhard Baeumerth dice:

    Ein sehr interessanter Artikel über Gunther Plüschow.

    Weitere Informationen über die “Feuerland-Expedition”
    von Gunther Plüschow, die von meinem Wohnort
    Büsum in Schleswig-Holstein – Deutschland startete,
    findet man auf meiner Website.


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