34. Internationale Buchmesse von Buenos Aires

| Off Topic | 19/4/08 | 0 comentarios

Das kulturelle Großereignis wird am Donnerstag eröffnet – Besuch von Ilija Trojanow

Ilija21.jpgAm Donnerstag, dem 24. April, wird die 34. Internationale Buchmesse von Buenos Aires offiziell eröffnet. Das von der Fundación El Libro veranstaltete kulturelle Großereignis beginnt mit branchenbezogenen Aktivitäten bereits am 21.4. und setzt sich bis zum 12.5. fort. Die Buchmesse belegt die gesamten 45.500 m2 des Messezentrums La Rural.

Fürs Publikum ist die Messe ab 24.4. von 14-22 Uhr (So-Do) bzw. 14-23 Uhr (Fr und Sa) geöffnet. Am 30.4., vor dem Feiertag des 1. Mai, ist die Messe von 14-02 Uhr geöffnet. Ab 21 Uhr ist in dieser “Nacht für die Stadt” der Eintritt frei. Sonst kostet der Eintritt an Wochentagen 8, am Wochenende und an Feiertagen 10 Pesos und ist für unter 12-jährige, von einem Erwachsenen begleitete Kinder sowie Mo-Fr für Rentner, Studenten und Dozenten gratis (außer 1.5.). Über die zahlreichen Angebote kann man sich auf der Webseite der Buchmesse informieren.

Der in Deutschland lebende Schriftsteller Ilija Trojanow stellt im Rahmen der Buchmesse seinen neuen Roman “Der Weltensammler” (Tusquets, 2008) vor. Die Buchpräsentation wird gemeinschaftlich vom Goethe-Institut Buenos Aires, dem Verlag Tusquets, der Frankfurter Buchmesse sowie der Deutschen Botschaft organisiert.

Am Sonntag, dem 27. April, um 18 Uhr, liest Ilija Trojanow im Victoria Ocampo-Saal des Ausstellungsgeländes Fragmente aus “Der Weltensammler” und diskutiert anschließend mit Gabriela Massuh und Alejandro Tantanián. Die Veranstaltung findet auf Deutsch und Spanisch statt. Der Eintritt zum Saal ist frei, aber es muss der Eintritt beim Betreten des Messegeländes bezahlt werden.

Am Mittwoch, dem 30. April, um 18 Uhr. findet im José Hernández-Saal des Ausstellungsgeländes im Rahmen des “Tags der Länder” die Veranstaltung “Les passeurs de frontières/Grenzenüberschreiter” statt, bei der sich Autoren, die in der Sprache ihres Adoptionslandes schreiben, präsentieren. Hier wird Ilija Trojanow in einen Dialog mit Vassilis Alexakis (Frankreich) treten. Das Gespräch findet mit der Unterstützung der Deutschen Botschaft und der Buchmesse Frankfurt statt. Der Eintritt zum Saal ist frei, aber es muss der Eintritt beim Betreten des Messegeländes bezahlt werden.

Am Freitag, dem 2. Mai, um 19.30 Uhr, wird dann zum Abschluss des Besuchs im Goethe-Institut, Av. Corrientes 319, der Dokumentarfilm “Vorwärts und nie vergessen. Ballade über bulgarische Helden” (2007, 45 Min.) von Ilija Trojanow vorgeführt. Im Anschluss wird es ein öffentliches Interview mit Trojanow und dem Journalisten Hinde Pomeraniec geben (mit Übersetzung).

Ilija Trojanow zählt derzeit zu den interessantesten deutschen Schriftstellern der mittleren Generation. Ursprünglich aus Bulgarien stammend, floh er 1971 mit seiner Familie zunächst nach Deutschland ins politische Exil und siedelte ein Jahr später nach Kenia über. Es folgte ein längerer Aufenthalt in Nairobi, wo Trojanow eine deutsche Schule besuchte und seine Reifeprüfung abschloss. Ab 1985 studierte er in Deutschland an der Universität München Rechtswissenschaften und Ethnologie. Er bricht sein Studium jedoch vorzeitig ab und gründet 1989 den Kyrill&Method Verlag und den Marino Verlag, die beide auf afrikanische Literatur spezialisiert sind. Zwischen den Jahren 1999 und 2003 lebt Trojanow in Mumbai und beschäftigt sich intensiv mit Indien. Danach lebte er in Kapstadt und seit 2007 in Mainz, wo er Stadtschreiber ist. Der Mainzer Stadtschreiberpreis gehört zu den renommiertesten Literaturpreisen Deutschlands. Neben zahlreichen anderen Preisen wurde Ilija Trojanow für seine literarischen Werke auch schon im Jahr 2000 mit dem angesehenen Adalbert von Chamisso-Preis ausgezeichnet.

Neben Reiseberichten und Reportagen erscheint bereits 1996 sein erster deutscher Roman “Die Welt ist groß und die Rettung lauert überall”, in dem er seine eigenen Erfahrungen als politischer Flüchtling verarbeitet. Dieser Roman ist seit 1998 auch in spanischer Übersetzung erhältlich. Es folgen weitere, durch persönliche Reiseerfahrungen inspirierte literarische Werke wie “Kampfabsage” – ein Essay über den unumgänglichen Zusammenfluss der Kulturen – sowie Ilija Trojanows zweiter großer Roman “Der Weltensammler”, für den er mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet wird. Der Roman erscheint in spanischer Übersetzung im April diesen Jahres beim Tusquets Verlag.

“Der Weltensammler” ist eine Geschichte über die Lebensstationen des Abenteurers Richard Burton (1821-1890), ein britischer Offizier, der als einer der ersten Europäer die Pilgerfahrt nach Mekka unternahm. Der Roman beschränkt sich auf drei wesentliche Entdeckungsreisen des Offiziers; Indien, Arabien und Ostafrika. Burton, eine exzentrische Persönlichkeit, lernte während dieser Reisen mehr als 20 Sprachen und übersetzte Werke wie das Kama Sutra und Tausendundeine Nacht ins Englische. Als Gelehrter hatte er eine besondere Affinität, das Wesen fremder Kulturen zu erforschen. Er gab dabei oftmals seine eigene Identität nicht preis und verschaffte sich damit einen tiefen und authentischen Einblick in eine Vielzahl kultureller Fremdheiten. Gleichzeitig scheute er sich nicht, als Informant für die britische Armee zu fungieren.

Ilija Trojanow, der wie sein Protagonist viele Länder bereiste, beschreibt, wie es Burton gelingt, unerkannt in die Fremde einzutauchen. Burton verbringt seine Zeit nicht wie viele andere Offiziere auf dem Golfplatz oder in der Offiziersmesse, sondern befasst sich unnachgiebig mit der Sprache, Religion und der Philosophie eines Landes, um die Lebensgewohnheiten der Einheimischen besser zu verstehen. In Arabien macht er sich mit dem Koran vertraut und sodann als vorgegebener Muslim auf den Weg nach Mekka. Die britischen Behörden erfahren erst später aus seinen Reiseberichten von dem abenteuerlichen Unterfangen. Seine letzte große Station ist Zentralafrika, wo er sich auf die Suche nach den Quellen des Nils begibt. Diese Reise kostet ihn aufgrund der großen Strapazen und einer Malaria-Erkrankung fast das Leben.

Ilija Trojanow widmet sich in seinem Roman intensiv Aspekten kultureller Differenz aus unterschiedlichen Perspektiven. Er berührt damit eine höchst aktuelle Thematik, wie sie derzeit in Europa exemplarisch zum Thema “Integration der islamischen Welt” stattfindet. Sein Roman bietet dazu jedoch einen extremen Umkehrschluss: es findet keine Integration statt, sondern Anverwandlung. Burton versucht mit äußerster Hingabe, sich seiner neuen Umgebung anzupassen, trotzdem verspürt er eine nicht überwindbare Distanz zwischen sich und den Einheimischen: “Solange er ein Fremder blieb”, überlegt der britische Offizier, “würde er wenig erfahren und er würde ewig ein Fremder bleiben, wenn er als Fremder wahrgenommen würde. Es gab nur eine Lösung; sie gefiel ihm auf Anhieb: Er würde die Fremdheit ablegen, anstatt darauf zu warten, dass sie ihm abgenommen würde. Er würde so tun, als sei er einer von ihnen”. Damit begibt sich Burton in ein großes Dilemma, er erkennt sich bald selbst nicht mehr und fühlt sich verwandelt. Hier beginnt der Autor, in diesem historischen Roman die Grenzen zwischen Realität und Fiktion zu vermischen, um verschiedene perspektivische Ebenen einzuführen. Tatsächlich hinterließ Burton bei seinem Tod im Jahr 1890 zwar diverse Aufzeichnungen, die privaten Tagebücher wurden jedoch von seiner Witwe umgehend vernichtet.

Sieben Jahre hat Ilija Trojanow für seinen Roman recherchiert und sich selbst auf den Spuren Burtons auf Reisen gemacht. Damit ermöglicht er dem Leser detailliert beschriebene Eindrücke aus der Islamischen Welt, ohne dabei in Exotismus zu verfallen; es geht um Opiumhandel, die Bordelle von Karachi, orientalische Rituale, die Besessenheit des Imperialismus, Malaria, Sklavenhandel und britische Kolonialherren. Doch in erster Linie geht es in “Der Weltensammler” um den Abenteurer Burton, seine unstillbare kulturelle Neugier und vor diesem Hintergrund um den Dialog über Ferne und Fremdheit.

Der Dokumentarfilm “Vorwärts und nie vergessen. Ballade über bulgarische Helden”, den Ilija Trojanow in Zusammenarbeit mit dem deutschen Sender ZDF produzierte, wurde im Dezember 2007 erstmals ausgestrahlt. Der Film setzt sich mit den Folgen der 45 Jahre andauernden kommunistischen Diktatur in Bulgarien auseinander und beleuchtet fundamentale Fragen: “Wie können die Verantwortlichen der Verbrechen während der Diktatur zur Rechenschaft gezogen werden und mit welchen Mitteln?” Die Hauptprotagonisten in diesem Film sind ehemalige politische Häftlinge, die sich noch einmal an die Orte begeben, in denen sie gefangengehalten und gefoltert worden sind.

Im Gegensatz zu Bulgariens politischer Fassade nach außen, fanden noch bis zum Ende der siebziger Jahre schwere Repressionen gegen jegliche oppositionelle Stimmen statt. Regimegegner und Konterrevolutionäre wurden in das Konzentrationslager von Belen gebracht und dort gefangengehalten. Es kamen Tausende durch die Folgen von Zwangsarbeit, Hunger und Folter um. Auch in den Gefängnissen von Sofia und Pasardschik fanden ähnliche Schreckenstaten statt. Heute erinnert in Bulgarien nichts mehr an die schweren Verbrechen, es gibt weder Denkmale für die vielen Opfer, noch werden Entschädigungszahlungen vorgenommen oder Verantwortliche zur Rechenschaft gezogen. Dies hängt insbesondere damit zusammen, dass wichtige Positionen in der Politik heute noch von den gleichen Akteuren besetzt sind, wie zu Zeiten der Diktatur.

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