Kontrolliertes Wagnis

Die Bildhauerin Cristina Tomsig in der Galerie Empatía

Von Susanne Franz

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“En Juego” von Cristina Tomsig.

Neu und doch vertraut: Wenn man die großformatigen Eisenskulpturen der Bildhauerin Cristina Tomsig kennt, ist man zunächst überrascht, wenn man ihren neuen Werken in der Galerie Empatía begegnet. Metall ist zwar noch vorhanden, aber in dünnerer, biegsamerer Form, wie in der großformatigen Skulptur “Movimiento Sostenido” (Festgehaltene Bewegung), einer Art Wippe aus einem dünnen, gebogenen Stahlblech, das durch zwei Drähte in Spannung gehalten scheint und in dessen Mitte sich eine zu einer Schleifen- oder Blumenform gebogene weiße PVC-Bahn befindet. Man hat das Gefühl, dass diese Skulptur so fragil ist, dass sie in jedem Moment auseinanderspringen könnte – was natürlich eine von der Künstlerin exakt geplante Illusion ist – und hat fast Angst, das Objekt in eine Schaukelbewegung zu versetzen (wobei es dann seine Stabilität unter Beweis stellt).

Oder die Skulptur “En Juego” (Auf dem Spiel stehen), die aus zwei einander stützenden Elementen besteht: einem Aluminiumring von mehr als einem Meter Durchmesser und einem aus schwarzem PVC geformten, an der oberen Seite gezackten Halbkreis. Auch diese Skulptur wirkt nicht wuchtig, sondern leicht und verspielt – und auch sie kann in Bewegung versetzt werden. Cristina Tomsigs Werke durchbrechen hier einen ganz entscheidenden “Grundsatz” der Skulpturen – die “normalerweise” ja nicht nur den Raum, den ihre Abmessungen vorschreiben, einnehmen, sondern auch bestimmte Koordinaten des umliegenden “unsichtbaren” Raums einbeziehen. Cristina Tomsigs Skulpturen modifizieren auch diesen Raum und bringen ihn in Schwingung.

Der Prozess, der Cristina Tomsig hin zu diesen “neuen” Objekten geführt hat, begann etwa im Jahr 2005. “Ich wollte mit einem anderen Material als Eisen arbeiten”, sagt die Künstlerin. “Es sollte leichter sein, flexibler: Ich wollte meine Ideen schneller verwirklichen können.” Als sie ihre ersten verspielten Arbeiten aus dünnen, verschlungenen PVC-Streifen sah, erschrak sie zunächst. “Es ist etwas anderes, eine Veränderung zu planen, als diese dann plötzlich vor sich zu sehen!”, beschreibt die anerkannte Künstlerin und IUNA-Dozentin ihre Gefühle.

Dass sie sich auf dem neuen Weg schnell sicher gefühlt hat, hat damit zu tun, dass Cristina Tomsig zwar radikale konzeptuelle Neuerungen in ihr Werk aufgenommen hat, dass sie aber an soliden, rigorosen Grundbedingungen festhält. So nutzt sie die ganze Erfahrung und Weisheit ihres Künstlerlebens und erweitert sie zugleich. In der “Juegos Materiales” (Spiele/Materialien – Materielle Spiele) genannten Ausstellung sind neben den zwei beschriebenen Skulpturen auch kleinformatige Objekte und “Reliefs” aus PVC in verschiedenen Größen zu sehen.

Dass all die Spannung, die Tomsigs Werke erzeugen, dass all dieses Neue dennoch als ruhige und positive Botschaft beim Betrachter ankommt, dafür sorgt die klare Farbgebung der Künstlerin (Schwarz/Weiß/Metallen/Transparent) und ihr perfekt entwickelter Sinn für Proportionen, der selbst den Objekten, die wie “mitten im Sprung” erscheinen, ihren Sinn und ihre Ordnung geben.

  • Cristina Tomsig, „Juegos Materiales“. Empatía, Carlos Pellegrini 1255. Mo-Fr 11-20, Sa 10-13 Uhr. Bis 31.5.

Erschienen im “Argentinischen Tageblatt” vom 24.05.08.

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