Der Akt des Zeichnens

Werke von Alejandro Scasso bei “Niundiasinunalinea”

Von Susanne Franz

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Alejandro Scasso am Eröffnungabend vor einem seiner Werke.
(Foto: Susanne Franz)

“Niundiasinunalinea” – etwa: “Kein-Tag-ohne-einen-Strich” – ist ein Projekt von (bislang) 10 Künstlern, die jeden Tag eine Zeichnung anfertigen und diese ins Internet stellen. Die Idee entstand im Jahr 2006, und eines der drei Gründungsmitglieder des Projekts war Alejandro Scasso, ein argentinischer Künstler, der seit 17 Jahren in Deutschland, genauer gesagt in Köln lebt. Alejandro ist eigentlich Maler und verdient seine Brötchen in wieder einem anderen Beruf in einem der zahlreichen Kölner Filmstudios. Zu Hause in Buenos Aires ist er lange nicht mehr gewesen, aber nun hat es ihn doch einmal wieder an den Río de la Plata verschlagen. Eine Ausstellung wollte er eigentlich gar nicht machen, doch die Freunde von “Niundiasinunalinea” überredeten ihn – einer stellte ihm auch sein Atelier zur Verfügung. So wurde am 15. August (und bis zum 29.) eine Schau mit Alejandro Scassos in den letzten drei Wochen eigens geschaffenen Zeichnungen eröffnet – in der Galerie “Niundiasinunalinea” in San Telno (Defensa 1455), die die Freunde seit November 2007 erfolgreich betreiben.

Omar Estela und Pablo Engel sind zwei von ihnen. Auch sie – und alle beteiligten Künstler – sind von Haus aus keine Zeichner. “Wir leben alle von etwas anderem, und die meisten von uns sind auf anderen künstlerischen Gebieten tätig, als Architekten, Graphiker, Bildhauer oder Maler”, sagt Omar. “Aber uns liegt daran, der Zeichnung zu einer neuen Wertschätzung zu verhelfen”, fügt Pablo hinzu. Den Akt des Zeichnens – das nur wenige Striche erfordernde Entstehen von Etwas aus dem Nichts – wollen die Künstler in ein neues Licht rücken, u.a. auch, indem sie in der Galerie immer wieder einmal live zeichnen. Dieser “Performance” kann der Zuschauer in der Galerie selbst beiwohnen, oder er kann sie von außen durch die großen Fenster auf eine Leinwand projiziert sehen.

Die Galerie hat hohe, weiß gestrichene Wände, auch die sehr gute Beleuchtung lässt die Werke gut zur Geltung kommen. An einer Wand steht ein kleiner Schreibtisch mit Computer, und daneben der “Galerienschatz” – ein Archivschrank, in dem die bisher geschaffenen Originalwerke unter den Namen der jeweiligen Künstler abgelegt sind. “Wenn jemand eines der Originalwerke kauft, bekommt er nicht nur eine CD mit allen anderen Werken des Projekts dazu, sondern auch die Gewissheit, einen Baustein eines sich in einem lebendigen Prozess befindlichen Gesamtkunstwerks zu erwerben”, sagt Omar Estela.

Alejandro Scasso hat unterdessen viele Hände zu schütteln. Auch sein Lehrer, der renommierte argentinische Künstler Ernesto Pesce, ist unter den vielen Gästen. Alejandro hat nicht viel Zeit, über seine Werke zu sprechen. “Mich interessiert die menschliche Geste”, sagt er, “der ursprüngliche kreative Zündfunke, der aus dem Bauch kommt, der aber dann durch die Gedanken eine neue Dimension bekommt.” Alejandro synthetisiert die Verflechtung von Gefühls- und intellektueller Welt in seinen Arbeiten, indem er seine spontanen, “un-bewussten” Zeichengesten kopiert und diese Kopien wiederum in seine Werke überträgt. “Die Wiederholung, das Erstarren der Geste” will er so zum Ausdruck bringen. “Eigentlich komme ich von der expressionistischen Malerei”, sagt er. “Aber ich habe so viel davon in Deutschland gesehen, dass ich übersättigt war.” Der heutigen technologisierten Welt und Gesellschaft müsse man auch mit anderen künstlerischen Mitteln gerecht werden.

In der Mitte der Galerie steht ein kleiner Tisch mit ein paar Flaschen Rotwein und etwas zum Knabbern. Ein wenig fühlt man sich hier wie bei Freunden im Wohnzimmer. Das Projekt “Niundiasinunalinea” ist ein bisschen anders, “an der Peripherie des Marktes”, wie Omar Estela es ausdrückt. Doch bei allem Wohlfühl-Bonus wird auch deutlich, dass es sich dabei um eine bewusste, durchdachte Entscheidung handelt, die Erfolg zeitigt.

An dem Projekt “Niundiasinunalinea” sind folgende Künstler beteiligt: Javier Bernasconi, Cecilia Coppo, Pablo Engel, Omar Estela, Tomás Fracchia, Lux Lindner, Héctor Meana, Marcela Oliva, Alfonso Platini und Alejandro Scasso. Die Galerie in der Straße Defensa 1455 ist dienstags bis sonntags von 15,30-20.30 Uhr geöffnet; jeden Nachmittag trifft man einen der beteiligten Künstler in der Galerie an. Das Projekt ist auch im Internet zu finden.

Erschienen im “Argentinischen Tageblatt” vom 23.08.09.

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