“Alle Anderen” und mehr

Deutsches Kino auf dem Internationalen Filmfestival BAFICI

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Die deutsche Filmemacherin Maren Ade kommt zum Festival und zeigt ihren Film “Alle Anderen” im Internationalen Wettbewerb.

Am 26. März startet das 11. Buenos Aires Festival Internacional de Cine Independiente (BAFICI). Unabhängige Filmemacher aus aller Welt präsentieren elf Tage lang ihre Spiel- und Dokumentarfilme. Die deutsche Beteiligung am Programm ist in diesem Jahr bemerkenswert: Durch die Unterstützung des Goethe-Instituts Buenos Aires wird die deutsche Filmemacherin Maren Ade beim Festival dabeisein und ihren Film “Alle Anderen” im Internationalen Wettbewerb präsentieren. Im Februar erhielt sie dafür auf der Berlinale den Großen Preis der Jury. “Alle Anderen” ist der zweite Spielfilm Ades nach “Der Wald vor lauter Bäumen”, der 2005 auf dem BAFICI ausgezeichnet wurde.

Schon in ihrem ersten Film zeigten sich die herausragenden Fähigkeiten der jungen Regisseurin. Intelligent und mit viel Feingefühl erzählt Ade, wie ihre Protagonisten in kleinen, sukzessiven Schritten in tiefe emotionale Krisen geraten. So auch in “Alle Anderen”: Die Beziehung des jungen Paares Gitti und Chris wird während eines gemeinsamen Urlaubs auf die Probe gestellt. “Alle Anderen” zeichnet sich durch scharfsinnige Reife und eine ungewöhnlich starke Dramaturgie aus.

Auch der deutsch Dokumentarfilmer Thomas Heise wird wieder nach Buenos Aires kommen. Diesmal mit seinem neuesten Film “Material”, der vorigen Monat auf der Berlinale seine Premiere feierte. In “Material” montiert Heise von ihm selbst dokumentierte, aber nie veröffentlichte Szenen der Wende von 1989 bis heute zu einem Panorama der Erinnerung. “Material” führt uns in die Volkskammer der DDR, dokumentiert die Räumung besetzter Häuser. Heise verwebt seine Beobachtungen zu einer Collage, deren Bilder in der Rückblende eine besondere Intensität gewinnen.

Auch Christian Petzolds neuer Film “Jerichow” ist unter den deutschen Beiträgen des Festivals besonders zu empfehlen. Wie schon in “Gespenster” versteht es Petzold, die Instabilität der Gefühle einzufangen und tut dies mit einer narrativen Präzision und Intensität, die schon seinen Film “Yella” auszeichnete.

Regisseur Andreas Dresen spricht mit seinem Beitrag “Wolke9” ein Thema an, das in der Kinowelt meist keine besondere Beachtung findet: Liebe und Sex im Alter. Inge, seit 30 Jahren verheiratet, verliebt sich in den 76-jährigen Karl. Während in seinem letzten Film “Sommer vorm Balkon” alte Menschen eine eher beiläufige Rolle spielten, sind sie in “Wolke9” die Protagonisten.

BAFICI: 26. März bis 5.April; Programm hier; deutsches Programm hier.

Zu den Filmen:

“Alle Anderen” von Maren Ade

“Alle Anderen” erzählt die Geschichte von Gitti und Chris, einem ungleichen Paar, das sich in abgeschiedener Zweisamkeit durch einen Urlaub kämpft. Wir lernen zwei Menschen kennen, wie sie nur sein können, wenn sie alleine sind: geheime Rituale, Albernheiten, unerfüllte Wünsche und Machtkämpfe. Ausgelöst durch ein scheinbar unwichtiges Ereignis – die Begegnung mit einem anderen Paar – gerät die Beziehung ins Wanken. Die Anderen sind nicht nur erfolgreicher, sondern verstehen es zudem eine konventionelle Mann-Frau Rollenverteilung hinter einer modernen Fassade zu verstecken. Chris beginnt, sich an den Anderen zu orientieren und versucht, seiner eigensinnigen Freundin ihre Grenzen zu zeigen, wodurch Gittis Vertrauen in ihren Freund zutiefst erschüttert wird. Ihr Versuch, sich seinem neuen Wunschbild anzupassen, entwickelt sich vom Spiel mit einer neuen Rolle zu einem stillen Kampf gegen sich selbst. Während Chris in der Rolle des Stärkeren aufblüht und sich Gitti auf neue Weise öffnet, droht sie sich zu verlieren.

“Jerichow” von Christian Petzold

Das Schicksal führt drei Menschen in “Jerichow” zusammen, einer von Abwanderung und Arbeitslosigkeit gebeutelten Ortschaft Ostdeutschlands: Die Begegnung eines Ex-Soldaten mit dem türkischstämmigen Besitzer einer Imbiss-Kette und seiner rätselhaften Ehefrau führt in den Abgrund. Thomas, jung, stark, wortkarg, ein ehemaliger Soldat, unehrenhaft aus der Armee entlassen; Ali, vom Leben schon ein wenig mitgenommen, aber immer noch leutselig, ein türkischer Unternehmer in Deutschland, der sich von den Pächtern seiner Imbissbuden nicht betrügen lassen will; Laura, eine Frau mit Vergangenheit, schön, aber in der Ehe mit Ali ein wenig unleidlich geworden. Thomas, Ali und Laura hüten sich und ihre Geheimnisse voreinander. Sie suchen nach Liebe, aber ebenso sehr nach Sicherheit. Sie sind voneinander abhängig, doch das, was sie voneinander wollen, ist nur um den Preis des Verrats möglich.

“Wolke9” von Andreas Dresen

Inge lernt Karl kennen, verliebt sich spontan und leidenschaftlich in ihn und verlässt nach 30 Jahren ihren Ehemann Werner, um mit Karl zu leben. Das wäre eine Liebesgeschichte wie viele – wären die Beteiligten nicht allesamt weit über 60 oder gar über 70 Jahre alt. Der Film entstand ohne ein echtes Drehbuch, die Dialoge wurden von den Darstellern erfunden und improvisiert, vorgegeben war nur die Richtung der Szenen. Andreas Dresen und sein Team konzentrierten sich auf die Leidenschaft der Figuren. “Wolke9” lief 2008 in der Reihe “Un Certain Regard” in Cannes, gewann den Preis “Coup de Coeur” und wurde – ungewöhnlich für das Festival – mit zehnminütigen Standing Ovations gefeiert.

Weitere deutsche Beiträge

  • “Alicia en las ciudades” von Wim Wenders, D, 1974
  • “Yuri’s Day” von Kirill Serebrennikov, D/Russland, 2008
  • “Teza de Haile Gerima”, D/Frankreich&Äthiopien, 2008
  • “9 to 5: Days in Porn” von Jens Hoffmann, D, 2008
  • “Doch” von Erwin Michelberger/Oleg Tcherny, D, 2007
  • “NoBody’s Perfect” von Niko von Glasow, D, 2008
  • “Peace Mission” von Dorothee Wenner, D, 2008

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