Moderne Klassik im Goethe-Institut

Hommage an den Komponisten für Neue Musik Mauricio Kagel

Von Nils Witte

kagel111.jpg“Musik ist in Buenos Aires lebensnotwendig”, sagt der Komponist für Neue Musik Mauricio Kagel. “Sie ist Ersatz für das, was nicht klappt in Politik und Gesellschaft.” Der in Buenos Aires geborene Künstler starb im September 2008. Das Goethe-Institut seiner Geburtsstadt widmete ihm jetzt eine Hommage und lud dazu Künstler ein, die in den letzten Jahren mit dem Deutsch-Argentinier zusammengearbeitet haben. “Für uns war Kagel ein Sinnbild der zeitgenössischen Musik”, schwärmt Dirigent Marcelo Delgado, der zur Hommage an drei Abenden das Orquesta Compañía Oblícua leitete. Die Musiker hatten im Sommer 2006 mit Kagel, der bereits 1959 nach Deutschland ausgewandert war, zusammengearbeitet und spielten im Rahmen eines ihm gewidmeten Festivals u.a. im Teatro Colón.

Überzeugend interpretierten die Anhänger Kagels jetzt das durch Militärmusik inspirierte “Sechs Märsche um den Sieg zu verfehlen”, ein an Hanns Eislers Komposition erinnerndes Orchesterwerk, in dem die Bläser immer wieder jazzgleich dem Ordnung stampfenden Rhythmus von Marschtrommel und Pauke entfliehen, am Ende gar physisch mitsamt dem Dirigenten.

Kagel selbst durchbrach mit seiner Musik alle Konventionen und überraschte so nicht nur das Publikum, sondern auch die Interpreten. Bei dem jetzt von Klara Csordas gesungenen und von Romina Pedroli getanzten “Der Turm zu Babel” treffen – für Kagel typisch – klassische Musik und Theater aufeinander.

Choreographin Diana Theocharidis, die ebenfalls eng mit dem als Vertreter des Instrumentalen Theaters geltenden Kagel zusammenarbeitete, lässt die Sopranistin singend durch den Raum wandeln, während die Ballerina gleich einer Mimose von den Klängen durchgeschüttelt oder durch den Raum getrieben und zu Boden geworfen wird. Das Stück mit dem biblischen Thema der sprachlichen Verwirrung bringt Theocharidis zusammen mit “Zwei Akte”, ein Wunsch Kagels, der in Köln eine Professur für Musiktheater innehatte.

Saxophon und Harfe treten in dem Werk in Dialog aber finden nicht zueinander, als sprächen sie unterschiedliche Sprachen – für Kagel eine Allegorie auf Mann und Frau. Theocharidis setzte das Kommunikationsproblem tänzerisch um. Ein Paar: Die Frau – stark dargestellt von der Französin Johanna Cessiecq – müht sich zu gefallen, sie windet sich auf dem Boden, zieht sich aus und quält sich für ihr Gewicht. Der Mann ist derweil unentschlossen, zieht sich an und aus und an, und sitzt auf dem Sofa, auch hier eine untypische Choreographie, der Zuschauer wartet vergebens auf Tanzeinlagen des Mannes.

Insgesamt präsentierte das Goethe-Institut ein sehr stimmiges und anregendes Programm, abgerundet und verbunden durch Ausschnitte des Dokumentarfilms “Süden” von Gastón Solnicki. Darin erfahren wir von Kagel und seiner Beziehung zu Köln und zu Buenos Aires. “Ich fühle mich gut dort, wo ich arbeite, das ist meine Heimat”, begründet der Wahlkölner, warum er seine Geburtsstadt so selten besuchte, und ergänzt mit einem Augenzwinkern: “Und dann ist es feucht über achtzig Prozent, und sie sagen: Ach, das ist Buenos Aires.” Als er für das Festival Kagel 2006 zurückkehrte, war es der erste Auftritt in seinem Geburtsland seit 40 Jahren, denn lange hatte man ihn hier ignoriert. Die Interpreten seiner Musik hinterließ er schon damals tief beeindruckt. “Kagel hatte viel Respekt vor den Musikern. Er war ungeheuer fleißig, arbeitete von morgens bis abends und war nie müde”, erinnert sich Marcelo Delgado, und erzählt von der Bescheidenheit seines Kollegen: “Für mich ist er einer der modernsten Komponisten, aber er hat sich selbst nie zur Avantgarde gezählt.”

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Die Sopranistin Klara Csordas lauscht den Worten Mauricio Kagels.
(Foto: Nils Witte)

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