Weltreise mit Werner Bischof

Ausstellung des Schweizer Pressefotografen zeigt Leben der 50er Jahre

Von Nils Witte

bischof11.jpg“Nichts hat mich so fasziniert wie Lateinamerika”, schwärmt Marco Bischof, Kurator der Fotoausstellung “Werner Bischof Imágenes”, die derzeit im Centro Cultural Borges zu sehen ist. Eine Neigung, die er mit seinem Vater geteilt hätte. Jener starb vor über 50 Jahren während einer Südamerikareise bei einem Autounfall in den peruanischen Anden. “Argentinien war sein Traumziel. Feuerland sollte die letzte Reisestation sein”, erklärt Kurator Bischof, warum die Retrospektive jetzt in Buenos Aires zu sehen ist, “aber Ushuaia ist für eine Ausstellung dieser Größe weniger geeignet.” Buenos Aires ist die zweite Station der 106 Werke umfassenden Ausstellung, die über die nächsten Jahre auf Tournee in Lateinamerika gehen soll. Gestartet hat sie in Lima, dem Ort, in dem Werner Bischof begraben liegt. Später soll sie weiter nach Kolumbien, Venezuela und Mexiko wandern.

Neben dem Südamerika der 50er Jahre hat Bischof auch das vom Zweiten Weltkrieg zerstörte Europa fotografiert. Was den jungen Fotografen interessierte, war das Leid der Menschen. “Die Themen seiner Fotografie sind bis heute aktuell”, begründet Marco Bischof seine Motivation, die Jahrzehnte alten Bilder der Öffentlichkeit zu zeigen. “Durch seine Bilder macht er Probleme begreifbar, die heute so aktuell sind wie vor 50 Jahren.” Der überwiegend als Bildjournalist tätige Werner Bischof dokumentierte in den 50er Jahren das Hungerleid in Nordindien und die Folgen des Krieges nicht nur in Westeuropa, sondern auch nach den Atombombenabwürfen in Japan. “Die Bilder meines Vaters sind heute allgemeine Zeitdokumente”, unterstreicht der Kurator die Bedeutung der ausgestellten Aufnahmen.

Die Ästhetik der Bilder steht häufig im Widerspruch zum Leid, das sie zeigen. Bischof perfektionierte seine Technik als Studiofotograf in Zürich und nutzte sie erst später, um die Welt zu fotografieren. Eine Reise ins vom Krieg zerstörte Deutschland im September 1945 brachte ihn zum Umdenken. Nachdem er die Kriegsjahre im Schweizer Elfenbeinturm verbracht hatte, verwarf er seinen künstlerischen Anspruch und machte die Dokumentation des Zeitgeschehens zu seiner primären Mission. Seine Bilder sind also Geschichtsunterricht. Der Blick für die Ästhetik und das Wissen um den Einsatz von Licht und Schatten blieben ihm aber auch außerhalb des Studios erhalten. So wird der Unterricht bei Werner Bischof zu einer unterhaltsamen Lektion.

Die Ausstellung vermittelt einen Eindruck der beginnenden Globalisierung. Die Bilder zeigen die Hektik städtischen Verkehrs in den Vereinigten Staaten und den kulturellen Einfluss des amerikanischen Kapitalismus in japanischen Städten, aber auch das ursprüngliche und ruhige Landleben, das es in den 50er Jahren noch überall gab, ob in Frankreich, Peru oder Kambodscha. Ferner zeigen die Bilder das Aufeinandertreffen von ländlichem Lebensstil und städtischer Industrie in Indien, wie Werner Bischof sie 1951 für das Magazin Life fotografierte.

Der Schweizer dokumentierte auch die Zerstörung seiner europäischen Nachbarländer und schließt damit eine Lücke im kollektiven Gedächtnis Europas. Die frühen Nachkriegsjahre scheinen oftmals zu unspektakulär, um erinnert und reflektiert zu werden. Die Nazi-Diktatur scheint durch den Holocaust und die sinnlose Verheizung junger Menschenleben in den letzten Kriegsmonaten auch ohne Nachkriegsleiden hinreichend disqualifiziert. Das kurze Jahrzehnt zwischen Kapitulation und dem millionsten VW-Käfer fällt dahinter derart ab, dass es kaum erinnert wird. Nichtsdestotrotz ist diese Zeit der Tauben im Gras eine prägende Epoche europäischer Geschichte, die nicht auf eine vage Vorstellung von Trümmerfrauen und “Wir hatten ja nichts!” reduziert werden sollte. Werner Bischof zeigt mit seinen Bildern die Zerstörung und Armut des Nachkriegseuropas in aller Deutlichkeit und verurteilt dadurch nicht nur die Nazi-Diktatur, sondern jeden Krieg bis heute.

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Valle Sagrado, Peru.

Sohn Marco Bischof, der seit 20 Jahren Ausstellungen kuratiert, hat bei der Auswahl aus dem Werk seines Vaters einen Schwerpunkt auf den Gastkontinent gelegt. Trotz seiner langjährigen Erfahrung ist “Werner Bischof Imágenes” etwas Besonderes für Bischof: “Das ist eine ganz neue Art von Ausstellung. Die Auswahl der Bilder hat hier vor Ort stattgefunden, normalerweise werden Ausstellungen in Europa zusammengestellt und dann verschifft.” Um die Ausstellung vor Ort umsetzen zu können, suchte der Züricher einen Druckmaschinenhersteller als Partner und entzaubert romantische Vorstellungen der Fotografie: “Die ausgestellten Bilder sind alle aus einer DVD produziert.”

“Werner Bischof Imágenes”, bis zum 31. Januar 2010, montags-samstags 10-21, sonntags 12-21 Uhr, Centro Cultural Borges, Viamonte 525, Buenos Aires. Infos auch auf den Webseiten von Werner Bischof und Magnum Photos.

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Kurator Marco Bischof bei der Ausstellungseröffnung in Buenos Aires.
(Foto: Till Wyszynski)

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