“Ich träume von einem kleinen Malba”

Santiago Ceresetto startete sein Theater/Kulturzentrum “Inboccalupo” in Belgrano mit einem deutschen Kinozyklus

Von Susanne Franz

IBLL11.jpgZentral und doch fast idyllisch abgelegen, ist das Haus nur einen Block von der vielbefahrenen Avenida Cabildo entfernt, nur zwei von der U-Bahnstation José Hernández der Linie D. Verkehrstechnisch ideal angebunden, ist die Ecke Virrey Arredondo/Ciudad de la Paz im Stadtviertel Belgrano dennoch ruhig, hier donnern keine Busse vorbei. Die Zahl der Hochhäuser hält sich in Grenzen, ein wenig hat sich der Viertel-Charakter früherer, ruhigerer Zeiten erhalten.

Das kleine Theater fast an der Ecke heißt “Inboccalupo”, vom italienischen “In bocca al lupo”, mit dem sich Schauspieler vor einem Auftritt Glück wünschen. Hier werden bald Theater, Tanz, Kino, Musik, Kunst und Unterricht in einen lebendigen Dialog mit den Nachbarn und anderen Kulturhungrigen treten. Top-Qualität ist garantiert, denn für die Koordination jedes Bereichs ist ein Experte oder eine Expertin des jeweiligen Fachs zuständig.

Santiago Ceresetto, der Direktor des neuen Kulturzentrums, öffnet das Tor und bittet die Besucher freundlich herein. Santiago ist ein Allroundtalent, er ist Schauspieler, Regisseur, Puppenspieler und war viele Jahre lang Theaterproduzent im Erziehungssektor. Jetzt bündelt der 41-Jährige seine Energien im neuen Projekt “Inboccalupo”, das nach zweijähriger intensiver Arbeit vor dem Start steht. Dabei träumt er nach eigenem Bekunden von “einem kleinen Malba” – ein ehrgeiziger Plan, der aber angesichts der stilvollen Architektur und Innenausstattung sowie der Exzellenz der Projekte und Mitarbeiter durchaus erreichbar scheint.

IBL22.jpgSchon beim Eintreten ins Theater kommt Wohlfühlstimmung auf. Im dezent beleuchteten Eingangsbereich hängen geschmackvolle Fotografien des Argentiniers Antonio Fernández. Eine hölzerne Rampe führt auf die “Kommandozentrale” des Theaters zu: das Kassenhäuschen. Gleich rechts davon kann man durch eine große holzgetäfelte Schiebetür in den Theatersaal spähen, der noch viel von der einstigen heimeligen Atmosphäre des 60 Jahre alten Wohnhauses besitzt, das Santiago Ceresetto in das schmucke Kulturzentrum verwandelt hat.

“Das war eine bewusste Entscheidung. Mit dem Architekten habe ich die Strategie verfolgt, den Saal mit den neuesten Technologien auszustatten und so wandelbar wie möglich zu gestalten und dabei doch eine Art ‘Wohnzimmeratmosphäre’ zu erhalten”, sagt Santiago. So wurden beispielsweise die potenten Kabelstränge, die den reibungslosen technischen Ablauf von Theater- und Konzertveranstaltungen garantieren, hinter einer Deckenverzierung verborgen. Ein an der Wand hängender rotsamtener Bühnenvorhang sorgt für Gemütlichkeit, künstlerisch wertvolle Fotografien für Stil. Edler Parkettboden und schöne und dennoch bequeme Stühle aus schwarzem Stahl runden das Bild ab.

Einen ästhetisch passenden Kontrast dazu bilden Profi-Elemente wie die großen Beleuchtungskörper und die an der ganzen Decke angebrachten Schrauben. “Die können bis zu 250 Kilo aushalten!”, erzählt Santiago, der durchaus auch Lufttanzveranstaltungen für sein Programm im Kopf hat.

Der ehemals aus zwei Zimmern bestehende Saal fasst 80 Zuschauer. Eine Theater- oder Konzertbühne kann je nach Bedarf an verschiedenen Stellen aufgebaut werden, so dass allerlei experimentelle Veranstaltungen denkbar sind. Im hinteren Bereich stehen Kaffeetischchen. Hier finden z.B. die Diskussionen mit dem Publikum im deutschen Kinozyklus statt, der bereits mit Erfolg läuft und auch im März jeden Sonntag um 20 Uhr von Lucía Leider koordiniert wird. Ein idyllischer Patio lädt zum Draußensitzen bei schönem Wetter ein.

IBL33.jpgIn Zukunft möchte Santiago neben Theater, Tanz, Musik, Kino, Kunst und Kursen bei “Inboccalupo” auch den kulinarischen Aspekt bedienen – er will einen Koch engagieren, der spezielle Gerichte anbieten soll. Denn Santiago Ceresetto träumt davon, in seinem Kulturzentrum integrale kulturelle Erlebnisse anzubieten, die alle Sinne ansprechen – zum Beispiel einen Schwerpunkt Indien mit indischer Musik und Theater, indischer Gastronomie und indischer Kunst, oder auch einen deutschen Event jenseits des Klischees von Bier und Lederhosen. Das ganze Theater soll dann ein lebendiges Bühnenbild sein.

Aber erst mal geht es noch in den oberen Stock. Hier befinden sich zwei weitere schön renovierte Räume für Tanz- oder andere Kurse, Puppentheater oder Seminare. Die Bäder sind top modern ausgestattet, an den Wänden im Gang hängen Werke der international bekannten italienischen Fotografin Patrizia Dottori.

Santiago ist ungeduldig, er will uns das Sahnehäubchen von “Inboccalupo” zeigen: die Garderobe für die Künstler. Das “camarín” ist hell, mit großzügigem Stauraum für Kostüme und reichlich Spiegeln – sogar ein Bett zum Ausruhen steht zur Verfügung. Fehlt noch ein Durchbruch in der Wand zum Balkon, falls einer vor Lampenfieber rauchen muss. Der Nichtraucher Santiago hat dafür Verständnis. Er freut sich über seine schicke Garderobe wie ein Kind, oder eher wie einer, der nach seiner langen Schauspielererfahrung stolz darauf ist, dass er “seinen” Künstlern etwas so Feines bieten kann.

Das ist eben das Besondere an “Inboccalupo”: Sowohl den Akteuren als auch dem Publikum wird jenseits von konsumorientierter Gier ein Raum geboten, in dem gegenseitiger Respekt, kreative Kompetenz und inhaltsvoller kultureller Genuss sich die Hand reichen.

“Inboccalupo”, Virrey Arredondo 2493. Informationen zu den Kursen (Theater, zeitgenössischer Tanz, Afro, Tango und Yoga) unter Tel.: 4783-0731 oder E-Mail info@inboccalupo.com.ar.

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Direktor Santiago Ceresetto vor dem Theater.

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