Oscar für Argentinien

“El secreto de sus ojos” gewann den Auslandsoscar

Von Susanne Franz

secreto111.jpgDer spanische Kult-Regisseur Pedro Almodóvar war der Überbringer der Glücksbotschaft: Der argentinische Film “El secreto de sus ojos” hat am Sonntagabend bei der 82. Oscarverleihung den Preis für den besten nicht-englischsprachigen Film gewonnen. Regisseur Juan José Campanella nahm die Statue aus den Händen von Almodóvar und Quentin Tarantino entgegen.

Der Film war am 12. August 2009 in Buenos Aires angelaufen und heimste auf dem Weg zum Oscar bereits viele Preise ein, darunter einen spanischen Goya sowie Auszeichnungen in Cannes, Berlin und Havanna.

“El secreto de sus ojos” gewann gegen den peruanischen Streifen “La teta asustada” von Claudia Llosa, Michael Hanekes hoch favorisierten Schwarz-Weiß-Film “Das weiße Band” (Deutschland), “Un Prophete” von Jacques Audiard (Frankreich) und “Ajami” von Scandar Copti und Yaron Shani (Israel).

Es ist der zweite Auslandsoscar für einen argentinischer Film nach “La historia oficial” (1985).

Lesen Sie im Anschluss Max Neufeinds Filmkritik…

Ein Film zum Lachen und Nie-mehr-Vergessen: Juan José Campanellas “El secreto de sus ojos”

Von Max Neufeind

Mit “El secreto de sus ojos” ist dem Regisseur Juan José Campanella acht Jahre nach “El hijo de la novia” erneut ein Meisterwerk gelungen, das allein im ersten Monat über eine Million argentinischer Zuschauer in die Kinos gelockt hat.

Campanella erzählt in Anlehnung an den Roman “La pregunta de sus ojos” von Eduardo Sacheri am Beispiel eines Einzelschicksals die Geschichte Argentiniens der vergangenen 30 Jahre…

Benjamín Expósito hat sein Leben lang für das Strafgericht in Buenos Aires gearbeitet und versucht sich nach seiner Pensionierung als Romancier. Das Thema von Expósitos erstem Roman soll eine erschütternde Geschichte sein, deren Zeuge er in seiner Zeit als Gerichtsangesteller war: Im Jahr 1974 beauftragte ihn das Gericht mit der Aufklärung eines Gewaltverbrechens an einer jungen Frau. Während seiner Recherchen lernt Expósito Ricardo Morales, den jungen Ehemann des Opfers kennen, der seine Frau aus tiefster Seele geliebt hat. Voller Empfindsamkeit für den Schmerz des Mannes beschließt Expósito, ihm bei der Suche nach dem Täter zu helfen – gegen die beharrliche Trägheit des Gerichts und der Polizei.

Unterstützt wird er dabei von Sandoval, seinem Kollegen und Freund, der sich regelmäßig, den einschränkenden Routinen seiner Existenz entfliehend, in den Alkohol stürzt. Und auch Irene hilft ihm, die Sekretärin des Richters und Expósitos Vorgesetzte, für die er Gefühle entwickelt, die er sich selbst nicht einzugestehen traut.

Je mehr Licht der alte Expósito in die Vergangenheit bringt, desto schwieriger wird es für ihn, mit den Nachforschungen aufzuhören. Das Geschehene zu erzählen ist nicht mehr nur ein Zeitvertreib, um die leeren Stunden des Tages zu überbrücken, sondern entwickelt sich für Expósito zu einem verschlungenen Weg, den er gehen muss, um sein eigenes Leben zu verstehen und vor sich selbst zu rechtfertigen. Expósito nimmt die Reise auf sich, um den Sinn seines Lebens zu finden und um der Frau entgegenzutreten, die er nach über 30 Jahren immer noch liebt.

Mit dieser Geschichte gelingt dem Regisseur und Autor Campanella ein Film, der unglaublich spannend, furchtbar tragisch und dabei zur großen Überraschung des Zuschauers auch noch schrecklich komisch ist. Die exzellente Romanvorlage veredelt Campanella mit seinem Stil des komischen Dramas, der ihm 2001 mit “El hijo de la novia” Auszeichnungen auf vielen bedeutenden Filmfestivals und eine Oscar-Nominierung aus Hollywood eingebracht hat. Campanella gelingt der Spagat, in der Geschwindigkeit eines Thrillers zu erzählen und trotzdem mit unglaublicher Beobachtungsgabe und viel Liebe zum Detail die Beziehungen der Figuren zu zeichnen. Der Gehilfe Sandoval, der Expósito wie Cervantes’ Sancho Panza als Kamerad zur Seite gestellt ist, ihm folgt und schließlich sogar sein Leben für ihn gibt. Dem gegenüber steht die Beziehung zwischen Expósito und Irene, die authentische Geschichte einer Liebe, die nicht sein soll und im Alter doch noch wahr wird. Die Parallele zur Liebesgeschichte in Gabriel García Marquez’ lateinamerikanischem Klassiker “Die Liebe in Zeiten der Cholera” ist sicher kein Zufall.

Seine Klasse erreicht “El secreto de sus ojos” nicht zuletzt dank seines Hauptdarstellers Ricardo Darín. Der Argentinier ist in seiner Heimat zu Recht ein gefeierter Star, der seit über 30 Jahren in Fernsehserien und im Theater präsent ist, vor allem aber im tragisch-komischen Fach des Films brilliert. Die Argentinische Filmakademie hat die Meisterschaft des Duos Darín und Campanella erkannt und den Film für eine Oscarnominierung in der Kategorie Bester Fremdsprachiger Film vorgeschlagen. Die Nominierung und jetzt der Oscar werden “El secreto de sus ojos” weltweite Aufmerksamkeit verschaffen – der Film hat sie mehr als verdient.

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