Zwei Fotoausstellungen im San Martín-Theater

“Lo de Leo” von Alejandro Montes de Oca und “Santa Lucía – Arqueología de la Violencia” von Diego Araoz

Von Vanessa Bersis

Alejandro11.jpgIm San Martín-Theater wurden am Dienstag vergangener Woche zeitgleich zwei Fotoausstellungen eröffnet, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Alejandro Montes de Oca präsentierte seine Fotoserie “Lo de Leo”, während im ersten Stock des Gebäudes Diego Aaroz seine Schwarzweißfotografie unter dem Ausstellungstitel “Santa Lucía – Arqueología de la Violencia” zur Schau stellte.

Alejandro Montes de Oca hat sich durch seine vielseitige Tätigkeit und sein Engagement einen Namen gemacht. Er ist unter anderem Dozent, Mitbegründer und Direktor der “Escuela Argentina de Fotografía”, der “Bienal de Fotoperiodismo de Buenos Aires” und der “Encuentros Abiertos de Fotografía/Festival de Luz”.

“Lo de Leo” ist ein kleines Lokal im Stadtteil Núñez. Die Geschäftigkeit und Atmosphäre, die dieser Ort in sich birgt, aber allem voran seine Gäste, boten die Inspiration für das Entstehen der gleichnamigen Ausstellung. Wirft man einen Blick auf die Fotoserie, begegnet man Polizisten des Barrios, dem Briefträger, dem Hundesitter, einem Professor, Straßenverkäufern, dem Fleischer, Hauswarten der umliegenden Gebäude, einigen Angestellten der Umgebung und natürlich Leo, dem Besitzer des Lokals.

Es sind jene Menschen, die in der Nachbarschaft leben und arbeiten und den Stadtteil durch ihre Präsenz mitgestalten und prägen. Die Grundidee der Ausstellung wirkt einfach, ebenso die fotografische Ausführung. Es lässt sich eine klare Struktur in der Reihenfolge der Fotografien erkennen. Anfang und Ende werden metaphorisch durch Leo, den Hauptakteur des Geschehens, verkörpert. Er ist die einzige Person, die zweimal abgebildet ist.

Die farbigen Halbkörperfrontalbilder auf weißem Hintergrund lassen die Menschen von nebenan wie Fotomodelle einer Werbekampagne erscheinen. Sogar die bescheidenen Alltagsgegenstände einer Kneipe, denen man sonst keine Aufmerksamkeit schenken würde, werden ins rechte Licht gerückt: ein Brotkorb, Salz und Pfeffer, ein Flaschenöffner, eine Gasflasche, ein altes Konfitüreglas, das provisorisch zum Trinkgeldbehälter umfunktioniert wurde.

Dennoch verbirgt sich hinter den Fotografien viel mehr, als auf den ersten Blick erkennbar sein mag. Nämlich der Alltag, viel mehr noch: die persönliche Geschichte jedes einzelnen, der bei “Lo de Leo” vorbeischaut. So entsteht jeden Tag aufs Neue eine Art eingeschworene Gemeinschaft, die sich immer wieder zufällig formt.

Die kleine und beschauliche Ausstellung gewährt nur einen oberflächlichen Einblick in einen Alltag, an dem jeder von uns teilhaben könnte oder sogar hat. Jeder kennt oder hat vielleicht seinen eigenen “Lo de Leo”, einen Ort, wo man immer wieder gerne zu Gast ist. An dem man zwischen Arbeit und Verpflichtungen kurze Zeit innehält, um so dem stressigen Alltag für einige Augenblicke zu entfliehen. Wie es allerdings tatsächlich bei “Lo de Leo” aussieht, lässt sich nur erahnen. Am besten man probiert es selber aus! Jedenfalls wird nach der Ausstellung die Neugier erweckt, diesen Ort aufzusuchen.

“Santa Lucía – Arqueología de la Violencia” von Diego Araoz

diego111.jpgDer junge, ambitionierte Fotograf und Dozent Diego Araoz versucht mit seiner Fotoserie “Santa Lucía – Arqueología de la Violencia” ein Stück argentinischer Geschichte dokumentarisch aufzuarbeiten. Santa Lucía ist ein kleines Dorf in der Nähe von Tucumán, unscheinbar und heute bereits in Vergessenheit geraten. Doch für Diego Araoz, der den Schwerpunkt seiner Arbeit auf Dokumentarfotografie und Archäologie legt, ist es eine Fundgrube. Denn Santa Lucía war in den 1970er Jahren eine Militärbasis für die Truppen, die am “Operativo Independencia” teilnahmen, und diente gleichzeitig als geheimer Inhaftierungsort.

Diego Araoz machte sich auf die Suche nach den Spuren der Gewalt einer Vergangenheit, die trotz vielerlei Versuche, die Greueltaten zu vertuschen, nicht ausradiert werden kann. Die Fotografien sind nun mehr die stummen Zeugen jener Schauplätze der blutigen Repression, auf denen fortwährend ein Stück Geschichte lastet.

Die Schwarz-Weiß-Serie spiegelt die bedrückende Stille, Leere und Melancholie, die dieser Ort in sich birgt. Allerdings wird letztendlich doch ein Hoffnungsschimmer durch die Arbeit Diego Araoz’ entfacht, die auffordert, nicht zu verdrängen, aber vor allen Dingen nicht zu vergessen!

  • FotoGalería des San Martín-Theaters, Av. Corrientes 1530 (Mo-Fr ab 12, Sa und So ab 14 Uhr, bis zum Ende der Aktivitäten des Tages im Theater. Eintritt frei): Alejandro Montes de Oca, „Lo de Leo“. „FotoGalería“. 2.3.-4.4. / Diego Aráoz, „Santa Lucía. Arqueología de la violencia“, Foto-Essay. 1. Stock der Eingangshalle „Carlos Morel“. 2.3.-2.5.

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