Suche nach den Spuren der Zeit

Der deutsche Fotograf Dieter Deventer stellt im Palacio del Congreso aus

Von Vanessa Bersis

titel11.jpgDieter Deventer, ein gebürtiger Münchner, der sich bereits durch seine Arbeit als Kameramann für etliche Spielfilme und Werbespots weltweit einen Namen gemacht hat, stellt im Palacio del Congreso ganz unverhofft seine Photoserie “Trazos del Tiempo” aus. Auf die Frage, warum es ihn gerade nach Buenos Aires verschlagen hat, antwortet er mit einem breiten Grinsen: “Die Leidenschaft meiner Frau zum Tango war es!”

Hinzu kamen eine Reihe weiterer Zufälle und viel Arbeit, die dieses Projekt letztendlich ermöglichten. Alles begann also mit einem Tango in Buenos Aires und endete mit einer interessanten Ausstellung in den prunkvollen Räumlichkeiten des Palacio del Congreso. Eine Tangofreundin der Frau des Künstlers ist Anwältin im Congreso und hatte vor einem Jahr die Werke des Künstlers in Deutschland gesehen. So wurde die Idee dieses Ausstellungsprojektes geboren.

“Trazos del tiempo” ist die Suche nach den Spuren der Zeit, genauer gesagt nach den Spuren des Verfalls und der Vergänglichkeit, die die Zeit mit sich bringt und hinterlässt. Die Motive, welche Dieter Deventer sorgfältig auswählt, sind Mauern, Oberflächen alter Schiffe, Container, abgebrannte Häuser, Fassaden, Züge, eine schmutzige Ecke, Schrott – all das, was die Narben und Falten der Zeit in sich trägt.

Er findet seine Motive überall dort, wo sich das banal Alltägliche aufhält – an jenen Orten, die man keines Blickes würdigt, in den abgelegensten Ecken, die längst in Vergessenheit geraten sind, weil sie alt, verkommen, schmutzig, verrostet und hässlich sind, da die Zeichen der Zeit sie längst eingeholt haben. Genau dieses Stück Vergänglichkeit sucht Dieter Deventer überall in Städten, Straßen, Gassen, Ecken, Wänden, dort, wo die trostlose Dekadenz sich aufhält.

Es sind jene Alltagskulissen, an denen man unachtsam vorbeiläuft, von denen man weiß, dass sie existieren und das Stadtbild prägen, denen man allerdings keinerlei Bedeutung schenkt. Dieter Deventer sieht das alles ganz anders. Er schärft seinen Blick und beweist, dass man aus der Vergänglichkeit Kunst entstehen lassen kann. Er sucht präzise einen Ausschnitt, einen Winkel, einen Blickfang, der durch das Auge der Kamera eine neue Bedeutung gewinnt. Eine ästhetische Komposition aus einer Oberfläche, die letztendlich doch noch ein Stück Schönheit beinhaltet, wenn auch nicht im herkömmlichen Sinn.

Dieter Deventer definiert den Begriff Schönheit auf seine ganz persönliche Art und Weise neu. Er sieht die Schönheit im Hässlichen, im Verlassenen, letztendlich muss man nur das Auge dafür haben, sich darauf einzulassen und sie entdecken. Genau das versucht Dieter Deventer durch seine Fotografie. Alles ist einem natürlichen Verfall ausgesetzt, Schönheit ist nicht für die Ewigkeit, ebensowenig die Kunst. Sein künstlerischer Ansatz wirkt fast schon philosophisch, in einer Welt, die vom Streben nach Schönheit besessen ist und oftmals vergisst, dass der Moment des Entstehens gleichzeitig den Beginn und den Prozess des Verfallens einleitetet.

Die Fotografien Deventers ähneln in ihrer Präzision einer Mikroskopaufnahme. Er selbst versucht, die Bilder so wenig wie möglich zu bearbeiten, um das Original nicht zu verfälschen. Oft wirken die Fotografien auch wie ein abstrakt gemaltes Gemälde, dies könnte vielleicht daran liegen, dass sich Dieter Devente bereits in jungen Jahren der Ölmalerei gewidmet hat. Seit 2004 beschäftigt er sich jedoch vermehrt mit Fotografie, sowohl mit Dokumentarfotografie als auch mit abstrakt experimenteller. Viele seiner Motive entstehen auf Reisen.

Er selbst sagt, dass er ohne seine Frau, die ihm als Managerin zur Seite steht, nie so weit gekommen wäre. Er fügt ein Zitat des Komikers Karl Valentin hinzu, der einst sagte: “Kunst ist schön, aber macht viel Arbeit!” Letztendlich merkt man ihm jedoch die Freude und Begeisterung an, über die Tatsache, dass er seine Ausstellung in dieser außergewöhnlichen Räumlichkeit eröffnen darf. Erleichtert, dass trotz aller Schwierigkeiten alles gut gegangen ist, genießen er und alle Anwesenden zum Ausklang des Abends noch eine Tangoperformance und Rotwein, um auf einen gelungene Ausstellung anzustoßen.

Allerdings ist hier noch lange nicht das Ende der “Trazos del tiempo”. Für Dieter Deventer geht die Suche in Buenos Aires weiter, die Stadt liefert ausreichend Motive, um die Zeichen der Zeit ausfindig zu machen. Vorallem die Gegenden um La Boca, San Telmo und Tigre hat der Künstler für sich entdeckt, denn diese bergen viele solcher künstlerischen Schätze, die Dieter Deventer versucht, fotographisch einzufangen.

  • Dieter Deventer (Deutschland), „Trazos del Tiempo“, Fotos. Deputiertenkammer der Nation, José Luis Cabezas-Saal, Av. Rivadavia 1864, 1. Zwischenstock. Mo-Fr 10-20 Uhr. 16.3.-30.3.

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