Der Blick des Künstlers

Remo Bianchedis Werke 2006-2010 im Centro Cultural Recoleta

Von Vanessa Bersis

remo11.jpgBetritt man den Cronopios-Saal des Centro Cultural Recoleta, in dem die Werke von Remo Bianchedi ausgestellt sind, fällt einem sofort auf, dass es hier nicht nur um die Kunst an sich geht, sondern um die Atmosphäre, um eine Grundstimmung. Die Beleuchtung, die dezente instrumentale Hintergrundmusik, die Anordnung der Gemälde ist eine sorgfältig bedachte Komposition, die beim Betrachter den Eindruck erzeugt, als würde er in eine ganz spezielle Sphäre eindringen.

Vielleicht liegt dieses Empfinden aber auch an der Sensibilität des Künstlers, die durch seine Werke reflektiert wird. Remo Bianchedi hat der oberflächlichen Kunstszene und der Stadt Buenos Aires längst den Rücken gekehrt. Er lebt und arbeitet zurückgezogen in Cruz Chica. Im Centro Cultural Recoleta stellt er seine Werke aus, die zwischen 2006-2010 entstanden sind.

In dieser Schaffensperiode entstanden insgesamt 300 Arbeiten. Dabei handelt es sich um die Serien “Incendio en el Castillo Immendorf”, “El Regreso del Señor Lafuente”, “En el Observatorio del Mundo”, “Tablas”, “Altamir”, “La Otra Orilla”. Sie bilden einzelne Einheiten und Schwerpunkte, die die Vielfalt der Arbeiten Bianchedis erkennen lassen. Er malt auf Leinwand, dann wieder mit Kugelschreiber auf Papier oder mit Acryl auf Holz, Aquarell, Collage, Öl. Dabei focussiert er seine Arbeit im Rahmen dieser Serien ausschließlich auf die Darstellung von Menschen.

Remo Bianchedis gesamtes Können und die Stärke seiner Bilder, man könnte sogar sagen die Stärke der gesamten Ausstellung, liegen in den ausdrucksvoll gemalten Augen seiner Figuren. Es gelingt dem Künstler, Gefühle in ein paar Augen zu verpacken. Sie drücken Verbitterung, Ängstlichkeit, Gekränktheit, Trauer und Melancholie aus. Es sind nachdenkliche Blicke, kritische Blicke, suchende Blicke, verlorene Blicke oder einfach nur ein Blick in die Leere. Jedenfalls sind es jene Blicke, welche die ganze Ausstellung zu Leben erwecken und sie auf diese Weise eindringlich machen. Alles andere an den Figuren von Remo Bianchedi ist ausdruckslos. Auf die Frage, warum keines der Abbilder mit einem Lächeln dargestellt wird, antwortet der Künstler betrübt: “Weil es sehr schwierig ist, in dieser Welt zu lachen!”

Diese Ernsthaftigkeit, die sich durch die Ausstellung zieht, wird durch den Hintergrund der Gemälde ausgeglichen. Denn diese sind in ihrer Darstellung meist in verspielten, abstrakt-bunten und ornamentalen Mustern gehalten.
Man begegnet immer wieder den gleichen Figuren. Oftmals malt er auch ein Diptychon oder eine Serie, in denen die gleiche Person mehrmals und aus verschiedenen Perspektiven abgebildet ist.

Die Ausstellung wirkt zudem wie eine große Installation. Man könnte sagen, dass die Platzierung der Gemälde einer architektonische Anordnung unterliegt. Der Ausstellungsraum ist für Remo Bianchedi wie eine Wohnung, die man einrichtet. Je nachdem, wie ein Bild hängt, hat es auch eine andere Bedeutung. Einige Werke sind wiederum auf dem Boden aufgelegt, so als wären sie zufällig hingeworfen. Diese verschiedenen Platzierungen der Bilder verlangen vom Betrachter eine andere Art des Sehens ab, da sich die Perspektive beim Betrachten ständig verändert. Ein weiterer Faktor, der essenziell erscheint, ist die Beleuchtung auf die einzelnen Arbeiten und somit die Aufmerksamkeit, die darauf gelenkt wird.

Vielleicht ist Remo Bianchedis Kunst gerade deshalb so besonders, weil er keinen Konventionen unterliegt. Er malt, was er will und wie er will, ohne auf die Kunstwelt und Kunstkritiker Rücksicht zu nehmen. Er besticht mit seiner Lässigkeit, seiner Lebenserfahrung, seinem kritischen Blick und seinem Durst nach Arbeit. Letztendlich sind es vielleicht auch seine Augen, denen man in unterschiedlichen Variationen immer wieder begegnet.

Sein starker, ernster, ehrlicher, scharfer, eindringlicher, melancholischer Blick. Möglicherweise liegt es daran, dass Remo Bianchedi noch der alten Schule angehört und Schüler von Josef Beuys war. Er gehört wohl einer Generation an, die noch bemüht war, die Welt zu verstehen, zu hinterfragen, etwas in dieser zu bewegen und zu verändern. Er selbst sagt allerdings bescheiden: “Ich male für das Publikum, das so fühlt wie ich!”

  • Remo Bianchedi – Werke 2006-2010. Centro Cultural Recoleta, Cronopios-Saal, Junín 1930. Mo-Fr 14-21, Sa, So und feiertags 10-21 Uhr. 5.3.-11.4.

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