Die Literatur in Zeiten der Globalisierung
Die erste argentinisch-deutsche Schriftstellerkonferenz nimmt in Berlin grundsätzliche Fragen ins Visier
Von Maria Exner
Den ganz großen Auftritt wird der argentinische Kultur- und vor allem Literaturbetrieb erst im Herbst auf der Frankfurter Buchmesse haben, zu der Argentinien in diesem Jahr als Gastland geladen ist. Um dem deutschen Publikum vorab schon mal die Gelegenheit zu geben, einen Einblick in das Schaffen argentinischer Autoren zu bekommen, präsentierten sich fünf von ihnen vergangene Woche auf der Leipziger Buchmesse. Und kamen anschließend nach Berlin. Denn hier wurde am Dienstag in den Räumen des Instituto Cervantes die erste Konferenz deutscher und argentinischer Schriftsteller eröffnet.
“Botenstoffe”, so der Titel der Veranstaltung, können Bücher aus fremden Ländern sein – Türöffner in eine bislang ungekannte Welt. Dem literaturinteressierten Berliner Publikum hätte die Betrachtung der argentinischen Werke unter diesem Aspekt vielleicht schon gereicht. Aber die zwei Veranstalter der vom Hauptstadt Kulturfonds geförderten Konferenz – Tom Bresemann vom Literaturhaus Lettrétage und Timo Berger vom Südamerika-Festival Latinale – haben sich und den eingeladenen Autoren drei große Themenkomplexe auf die Agenda gesetzt: Wie anschlussfähig ist die Literatur aus verschiedenen Ländern im Kontext globalisierter Kultur? Welche Rolle spielt das Politische in der Literatur nach dem Ende der Utopien? Wo liegt die Grenze zwischen Adaption und Plagiat?
Darüber durften sich die Argentinier Pablo Ramos, Sergio Raimondi, Lola Arias, Laura Alcoba und Felix Bruzzone mit den deutschen Autoren Juliane Liebert, Nora Bossong, Daniel Falb, Julia Zange und Ingeborg-Bachmann-Preisträger Tilman Rammstedt am Donnerstag und Freitag im Kreuzberger Literaturhaus Lettrétage austauschen. An den Abenden sollten die Ergebnisse des Diskurses vorgestellt und aus den Werken der Autoren gelesen werden.
Bei der Eröffnung im Instituto Cervantes am Dienstag gab es zur Begrüßung eine warmherzige Rede von Magdalena Faillace, der Leiterin des Organisationskomitees für den Gastlandauftritt Argentiniens auf der Frankfurter Buchmesse im argentinischen Außenmnisterium. Sie bedankte sich für die Möglichkeit, argentinische Literatur im lesebegeisterten Deutschland bekannt machen zu können und betonte die besondere Funktion der Kultur in Argentinien, die dazu beitrage, jene in die Gesellschaft zu integrieren, die ein schwierigeres Leben hätten als andere.
Die Lesung im Anschluss wurde vor allem durch die fröhliche Gelassenheit der Schriftsteller aufgelockert, die über den offensichtlichen Übersetzermangel hinwegsahen. Gut gelaunt las Pablo Ramos die spanische Version eines Textes aus “Die Anstalt der besseren Mädchen”, dem bei Suhrkamp erschienenen Debütroman der erst 26-jährigen Julia Zange, und entschuldigte sich für seinen “acento porteño” – der Übersetzer sei schließlich Bolivianer gewesen. Im Gegenzug las Zange die deutsche Passage aus “Das Kaninchenhaus” von Laura Alcoba.
Was zumindest dem Eröffnungsabend gefehlt hat, waren Hintergrundinformationen zu den Autoren und die Einordnung der argentinischen Werke innerhalb des Literaturbetriebs ihres Heimatlandes. Abgesehen davon, dass beispielsweise Laura Alcoba “besonders argentinische Themen ins Auges fasst”, erfuhr man wenig über die Biografien der Schriftsteller. Dass die Eltern der 42-jährigen Autorin vor der Militärdiktatur nach Paris flohen und “Das Kaninchenhaus” das Leben in einer Diktatur aus der Sicht eines siebenjährigen Mädchens schildert, dessen Eltern im Widerstand sind, blieb leider unerwähnt.
Botschafterin Magdalena Faillace bei der Begrüßungsansprache.
Oben: Julia Zange und Laura Alcoba.
(Fotos: FF/Lettrétage)