Pendlerin zwischen Welten

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In der Musik der Schweizer Violinistin Sophie Lüssi wachsen aus Atonalem Töne mit Jazzflair

Von Valerie Thurner

Die wichtigste Begleiterin von Sophie Lüssi ist ihre Violine, auf der sie in einer beeindruckenden Leichtigkeit musiziert, als ob es nichts einfacheres und natürlicheres gäbe, als über das Violinenspiel musikalische Bilder zu kreieren und Anekdoten auf vier Saiten zu erzählen. In einer vollkommenen Verbundenheit entlockt sie ihrem Instrument Töne und Harmonien, hinter dieser Kunst steckt eine lebenslange Liebe zur Musik und viel Arbeit. Mal lyrisch und selbstvergessen, mal pointiert und swingend, zieht die Musikerin ihre Zuhörer in den Bann, mit ganzem Körpereinsatz, wippend, sich streckend und neigend, und immer mal wieder Improvisationssoli mit geschlossenen Augen.

Im Juli steht eine Konzertreihe mit dem Sophie Lüssi Quartett in der Virasoro Bar an sowie die Präsentation der jüngsten CD des Leonardo Ferreyra Tangostringquartetts, wo sie die Viola spielt. Ferreyra, der Lebenspartner von Lüssi, gilt als wichtigster zeitgenössischer Erneuerer der Tangogeige in der Formation des Streicherquintetts.

In ihren eigenen Kompositionen überschreitet Sophie Grenzen zwischen traditionellen Kategorien wie der Klassik, dem Jazz oder Tango gekonnt und unprätenziös. Sie fühlt sich sichtlich in vielen Bereichen wohl. In ihrem eben erschienenen Album “To the Left and Right of the Ocean” des Sophie Lüssi String Trio führt Lüssi verschiedenste Musikstile zusammen, raffiniert und spannend sind ihre Eigenkompositionen. Musikexperte Christoph Merki fasst seine Gedanken zu ihrer Kunst im Covertext sehr schön in Worte. Aus streng auskomponierten Partituren lösten sich atonale, zerklüftete Passagen, die dann in eine lockere Improvisation mit Jazzflair fließen würden.

Sophie Lüssi tut mit ihrem Streicherensemble keine Minute so, als wären wir noch im Jahr 1782, als Haydn die Gattung ins Leben rief. Sensibel, originell und ohne Allüren kann man ihren Zugang zur Musik beschreiben. Lüssi repräsentiert selbstbewusst stilübergreifende Musik. Und ist eine Ausnahmeerscheinung in der Musikszene hierzulande.

Nicht nur die musikalische Biografie der 33-jährigen Schweizerin ist charakterisiert durch das Pendeln zwischen den Welten. Seit gut sieben Jahren oszilliert sie zwischen der Schweiz und ihrer Wahlheimat Buenos Aires. Hierhin zog sie der Tango, den sie auf ihrem Instrument erkunden wollte, wobei sie ihren Lehrer und künftigen Lebenspartner, den Tangoviolinisten Leonardo Ferreyra kennenlernte und blieb. Ihr Leben zwischen Europa und Argentinien, jenseits und diesseits des Atlantiks, die damit verbundenen Privilegien und Herausforderungen, prägt ihr künstlerisches Schaffen, gab ihrem aktuellen Album den Titel und Leitfaden.

Links und rechts des Ozeans

Das Pendeln zwischen Lateinamerika und der Schweiz ist längst zur Routine geworden, Sophie hat die Zelte in ihrem Heimatland nie abgebrochen, im Gegenteil, nebst ihren eigenen Projekten hier, und dem Engagement im String Quartett von Ferreyra, arbeitet sie regelmäßig in der Schweiz, gibt Konzerte und Workshops. Manchmal sei sie mehr beschäftigt in der Schweiz als in Buenos Aires, wie sie mit einem verschmitzten Lachen sagt. In Buenos Aires sei einer ihrer wichtigsten Pfeiler ihr Kompositionsstudium beim Gran Maestro der klassischen Moderne Daniel Montes, was sie als fundamental bezeichnet.

Ihr jüngstes Album sind musikalische Stimmungsbilder, eine Verbindung von klassischer Moderne und Jazz, die auf ihren eigenen Erfahrungen und Beobachtungen diesseits und jenseits des Atlantiks basieren. Die Hektik und Impulsivität der Metropole Buenos Aires verarbeitet sie ebenso zu einem Stück wie die Beobachtung von spielenden Kindern, oder den entspannten Rückzug in die Natur. Sie meint, sie brauche nach wie vor beide Realitäten, einerseits das Großstadtleben in Argentinien, andererseits die Beschaulichkeit und Zuverlässigkeit der Schweiz und deren Natur.

Dem Jazz ist sie ebenso treu geblieben wie der Schweiz: Sie verehrt nach wie vor Miles Davis, dessen Kompositionen sie als etwas vom Besten in der Geschichte des Jazz bezeichnet. Aber auch Bill Evans oder Charlie Parker sind Klassiker des Jazz, denen Lüssi in ihren eigenen modernen Interpretationen Ehre erweist. Sie studierte an der Hochschule für Theater und Musik Zürich in der Sektion Jazz und Populärmusik Jazzvioline.

Im Jahr 2004, bei ihrer Ankunft in Argentinien, gründete sie ein Trio mit dem Jazz-Gitaristen Ramiro Penovi und dem Kontrabassisten Adrián De Felippo. 2008 erschien die viel gelobte Erstlingsplatte “Birdmigration”. Inspiriert ist das Projekt von den alten Meistern des Zigeunerjazz, dem Violinisten Stéphane Grappelli und dem Gitarristen Django Reinhardt, die in den Dreißigerjahren den legendären Hot Club de France gründeten. Im Jazz war die Violine immer ein marginales Instrument, eine Ausnahmeerscheinung war somit der Violinist Stéphane Grappelli, den Sophie seit ihrer Kindheit bewundert.

Neben Jazz und moderner Klassik spielt auch der Tango weiterhin eine wichtige Rolle in ihrem musikalischen Alltag. In der Tanguería El Querandí in San Telmo teilt sie sich den Job im Hausorchester mit ihrem Freund Leonardo, wo sie beinahe allabendlichv zu hören sind.
In der Nacht mag sie die Metropole sowieso am liebsten. Das Nachtleben sei einzigartig, wohingegen in der Schweiz ab Mitternacht nicht mehr viel los sei, und wenn, dann zunehmend vulgär. Hier finde man auch nachts um vier noch zwei alte Damen beim Kaffeetrinken in einer der traditionellen Pizzerías, die überhaupt nichts darstellen wollen, wie viele Lokale im durchgestylten Palermo. Die “Beizenkultur” hier sei unübertrefflich.

Auf die Frage, ob sie denn hier bleiben wolle, meint sie, das sei auch nach all den Jahren noch offen, Sophie tanzt weiter mit ihrer Geige zwischen den Welten und versucht, sich nicht festzulegen und die bürokratischen wie kulturellen Hürden zu meistern. Es hängt wohl auch von der Arbeitssituation ab, wo sie mit ihren Projekten mehr gefragt ist. Die Umstände in Argentinien sind bestimmt nicht optimal für Berufsmusiker, im Gegenteil, oft fehlt es an nachhaltiger Planung, an Geld, an Verbindlichkeit. Das fehle ihr hier. Sie merke, dass sie mit ihrer Mentalität nach wie vor etwas nervös werde, weil sie eine andere Zeitplanung hätte. Die Stimmung hier sei eben immer so wie “kurz vor dem Eklat”, und das mache die Arbeit schwierig. Ab August wird Sophie Lüssi für eine Weile in der Schweiz sein, wo sie ein Nachdiplomstudium als Musikmanagerin macht. Ihre Hoffnung ist, dass sich das europäische Publikum für die Projekte ihres Freundes Leonardo Ferreyra interessiert.

Projekte im Juli

  • Sophie Lüssi Quartett
    Mit Leonardo Ferreyra, Violine
    Sophie Lüssi, Violine
    Ramiro Penovi, Gitarre
    Adrián De Felippo, Kontrabass
    8. und 15. Juli, 21.30 Uhr
    Virasoro Bar
    Guatemala 4328
    Reservierungen: 4831-8918
    info@virasorobar.com.ar
  • Leonardo Ferreyra Tangostringquartett
    23. Juli, 19 Uhr
    Museo “Isaac Fernández Blanco”
    Suipacha 1422
    (Schweizer Woche)
  • 24. Juli, 0.30 Uhr
    Sanata Bar
    Sarmiento 3501
  • 27. Juli, 20.30 Uhr
    Teatro Presidente Alvear
    Av. Corrientes 1659
  • 28. Juli, 21.30 Uhr
    Zyklus “Tangocontempo”
    Cafe Vinilo
    Gorriti 3780
    reservas@cafevinilo.com.ar
  • 30. Juli, 19 Uhr
    Zyklus “Música en el Hall”
    Teatro San Martín
    Av. Corrientes 1530
    Gratis
    (Konzerttermin muss noch bestätigt werden)
  • 31. Juli, 19 Uhr
    Zyklus “Música en el Hall”
    Teatro San Martín
    Av. Corrientes 1530
    Gratis
    (Konzerttermin muss noch bestätigt werden)

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