Abwesenheit auf Schweizerisch

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Fotoausstellung “Espacios de Ausencia” in der FotoGalería des Teatro San Martín

Von Katharina Köhler

Im Jahr des 25-jährigen Bestehens der FotoGalería und zeitgleich mit der schweizerischen Woche in Buenos Aires präsentieren die Schweizer Botschaft, Pro Helvetia und das Departement für auswärtige Angelegenheiten der Schweiz eine Gemeinschaftsarbeit von vier Schweizer Künstlern. Am Dienstag, dem 27. Juli, wurde in der FotoGalería des Teatro San Martín die Ausstellung “Espacios de Ausencia” (Räume der Abwesenheit) der Fotografen Lisandro Pérez Aznar, Gian Paolo Minelli, Marianne Winkelmann und Helen Zout eröffnet. Wenngleich die visuelle Bandbreite der Werke dieser Fotografen es schwierig erscheinen lässt, den roten Faden zu finden, der sie alle vereint, ist das Gefühl der Abwesenheit und die Verbindung zwischen dem, was da ist, und dem, was darunter verborgen ist, in jeder der von Leila Bustamente kuratierten Arbeiten spürbar.

Die deutlichen Unterschiede sowohl in der Themenwahl als auch in der Perspektive jedes einzelnen Künstlers bereichern auf der anderen Seite die Präsentation um so mehr. Die Fotografien zeigen Orte, an denen die Leere angefüllt ist mit Zeugnissen von dem, was einst dort geschehen ist, an denen Licht das Dunkel erhellt, an denen das Äußere das Innere repräsentiert und wo das Hässliche und Vergängliche schön und unsterblich wird.

In der vielschichtigen Ausstellung harmonieren die von Minelli fotografierten Innenräume des Gefängnisses von Caseros (“Cárcel de Caseros”, 2000-2002) mit traumartig anmutenden, durch die Bewegungen von Aznars Kamera leicht unscharfen Landschaften (“De la serie paisajes internos”, 2009), Winkelmanns großformatigen Essensresten auf dem Geschirr kurz vor dem Abwasch (“De la serie universo”, 2004) und der Arbeit von Zout (“Escrache, manifestación de repudio en la casa de un represor de la dictadura militar”, 2005), unmittelbaren, ungeschönten Schwarzweiß-Abbildungen von Fingerabdrücken und Elementen, die im Zusammenhang mit dem Verschwinden vieler Argentinier während der letzten Diktatur stehen.

Mit der Problematik von Existenz und Abwesenheit haben sich die Fotografen nicht erstmalig für die hier ausgestellten Bilder beschäftigt. Für sie selbst ist es vielmehr auch ein persönliches Thema, das ihre Lebenssituation zwischen zwei Ländern bereits impliziert.

Gian Paolo Minelli wurde in Genf geboren und lebt seit einigen Jahren in Argentinien und der Schweiz. In Buenos Aires findet er Motive für seine sozial engagierte Fotografie, die den Fokus auf visuelle Ästhetik legt. Seine Bilder bestechen mit ihrer Schönheit, die so gar nicht zu den Orten passen will, die sie abbilden. 2008 wurde er in seiner Heimat mit dem Swiss Art Award geehrt. Die hier ausgestellten Fotografien, die zwischen 2000 und 2002 im Gefängnis von Caseros aufgenommen wurden, spiegeln vor allem die politische Vergangenheit des Landes wider. Ein Gefängnis, das während der Militärdiktatur in Betrieb genommen und inmitten einer schwerwiegenden Politik- und Finanzkrise 2001 zerstört wurde.

Die aus Bern stammende Marianne Winkelmann arbeitete bis zu ihrem Umzug nach Argentinien 1999 als Bühnenbildnerin in verschiedenen Theatern, Fernseh- und Kinoproduktionen in der Schweiz und assistierte gleichzeitig bei mehreren Produktionen in verschiedenen Fotostudios. Aus ihrem zwiespältigen Verhältnis zu Argentinien als neuer Heimat resultiert die Absicht, Isolation, Einsamkeit und Weite sichtbar zu machen, das Schöne und das Hässliche, Hass, Liebe und eine fast unvergängliche Freiheit miteinander zu verbinden.

Helen Zout, Argentinierin mit Schweizer Ursprung, reist sowohl wegen ihrer Familie als auch aus professionellen Gründen häufig in die Schweiz, in der sie sich heimisch fühlt und die in Form von durch ihre Familie vermittelten Werte nicht nur ihr Leben, sondern auch ihre Werke beeinflusst. Insbesondere haben ihre Schweizer Wurzeln ihr einen besonderen Respekt vor der Natur und einen starken Gerechtigkeitssinn verschafft. Daher auch die Motivation, sechs Jahre lang über die letzte Militärdiktatur in Argentinien zu forschen. Das Resultat kann in der Ausstellung bewundert werden.

Auch Lisandro Pérez Aznar aus La Plata, der jüngste Künstler in dieser illustren Runde, ist durch seinen aus dem Kanton Freiburg stammenden Urgroßvater mit der Schweiz verbunden. Dieser sah sich in den Wäldern von Salta an sein geliebtes Heimatland erinnert. Inspiriert von diesem Eindruck lädt der junge Fotograf den Besucher mit seinen Bildern zu einem Spaziergang durch einen teils realen, teils traumhaften Wald ein.

Die Ausstellung kann bis zum 8. August montags bis freitags ab 12 Uhr, wochenends ab 14 Uhr im ersten Stock der “Hall Central Carlos Morel” im Teatro San Martín (Avenida Corrientes 1530) besucht werden. Der Eintritt ist frei. Das vollständige Programm des Complejo Teatral von Buenos Aires ist auf der Website des Theaterkomplexes einzusehen.

Die Fotos stammen (von oben nach unten) von Gian Paolo Minelli, Lisandro Pérez Aznar und Helen Zout.

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