Gegen das Vergessen (2003)

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“Kristallnacht” – Installation und Buchvorstellung von Remo Bianchedi im Centro Cultural Recoleta

Von Susanne Franz

remo2.JPGDie fundamentale Bedeutung der Erinnerung war am Donnerstag, dem 20. November 2003, im Centro Cultural Recoleta das zentrale Thema, als Remo Bianchedis Installation “Kristallnacht” gezeigt und sein gleichnamiges Buch zu dieser Ausstellung vorgestellt wurden. “Die Ermordung von sechs Millionen Juden durch die Nationalsozialisten bedeutete auch die Zerstörung der Menschenwürde”, sagte Rabbiner Sergio Bergman. “Immer wenn wir uns erinnern, tragen wir dazu bei, etwas von der Würde des Menschen wiederherzustellen.” Dass dieses Erinnern gerade für die jüngeren Generationen, die keinen Kontakt mehr zu Zeitzeugen haben, schwierig geworden sei, darauf wies ein anderer Redner hin. Bianchedis Buch trage dazu bei, diesen kommenden Generationen eine Brücke zur Vergangenheit zu bauen.

Der argentinische Künstler Remo Bianchedi (geb. 1950) hat von 1977 bis 1981 in Deutschland im Exil gelebt. Ein Stipendium des DAAD, das er 1975 erhalten hatte, wurde von der Militärdiktatur boykottiert, seine Papiere wurden 1976 nicht freigegeben. Durch den mutigen Einsatz des damaligen Kulturattachés der deutschen Botschaft Gottfried Arenz konnte Bianchedi ein Jahr später dann doch nach Deutschland reisen.

Bianchedi, der in Kassel Kunst studierte (nicht zuletzt auch bei Joseph Beuys), sah während seines Aufenthalts im Jahr 1980 eine Ausstellung von Porträts und Selbstporträts, die Kinder im Konzentrationslager Terezin gemalt hatten – 5000 Blätter wurden von ihrem Lehrer in zwei Koffern versteckt und überdauerten die Zeit des Nationalsozialismus (im Gegensatz zu der Mehrzahl ihrer kleinen Autoren). Bianchedi war von der Ausstellung der Zeichnungen (die um die Welt wandert) tief beeindruckt.

Zehn Jahre lang trug er die Bilder in sich, um sie dann 1990, zurück in Argentinien, aus seiner Erinnerung wiedererstehen zu lassen. Er schuf die Porträts der Opfer als Erinnerung an alle Opfer und als Bekenntnis zum Widerstand gegen das Vergessen. Im Jahr 1993 wurde im Saal 4 des Centro Cultural Recoleta (wo die Ausstellung auch jetzt, 10 Jahre später, gezeigt wird) die Installation “1938, La Noche de los Cristales” eröffnet.

Die Idee, ein Buch über diese Installation Bianchedis zu machen – eben um auch jüngeren Generationen Zeugnisse zugänglich zu machen -, stammt von Elio Kapszuk, dessen Initiative von der Fundación Memoria del Holocausto von Anfang an bedingungslos unterstützt wurde. Viele andere Sponsoren und Auspizianten haben sich dem Projekt angeschlossen und sein Entstehen ermöglicht: die deutsche Botschaft, das Goethe-Institut, die Pestalozzi-Schule und ihr Träger, die Asociación Cultural Pestalozzi, das argentinische Außenministerium, AMIA und DAIA, das Simon Wiesenthal Center, die israelitische Gemeinde in Argentinien, Abasto, Banco Bice, Banco Ciudad, Rama, Ort Argentina, Healthy, Prodaltec/BAAB, Latinográfica und Filo.

Vertreter aller Sponsoren und Schirmherren waren bei der Eröffnung anwesend, darüber hinaus viele Mitglieder der deutschen Gemeinschaft, darunter einige Zeitzeugen. Vor den zahlreichen Gästen hielten Dr. Vázquez vom Außenministerium, Daniel Vernik von der Fundación Memoria del Holocausto, Stefan Duppel, Kulturattaché der deutschen Botschaft, Susana Lerner, Vizepräsidentin der AMIA, und der Rabbiner Sergio Bergman gehaltvolle Ansprachen.

Remo Bianchedis Buch “Kristallnacht, un rostro, un nombre” ist zweisprachig in Spanisch und Englisch erschienen, man kann es für 40 Pesos im Centro Cultural Recoleta erstehen. Die begleitende Ausstellung wird im Saal 4 bis zum 14. Dezember gezeigt.

65 Jahre nach der Reichspogromnacht lädt das Buch zur Reflexion und zum aktiven Sich-Erinnern ein. Unter den farbigen Abbildungen der Porträts, die Bianchedi geschaffen hat, ist jeweils eine Kerze abgebildet, die die Seele des Menschen symbolisiert, eine gestrichelte Linie und die Abkürzung (ZL), die “gesegnet sei (das) Andenken” einer verstorbenen Person bedeutet. Um die Porträts aus der Anonymität zu holen, den Opfern symbolisch Identität und Menschenwürde zurückzugeben, kann man auf Seite 137 des Buches Aufkleber von Flammen abziehen und die jeweiligen Kerzen “entzünden”. Auf die gestrichelte Linie kann man den Namen eines Menschen schreiben, dessen Seele man in der Erinnerung zum Leben erwecken will.

Dieser Artikel erschien am 22.11.2003 im “Argentinischen Tageblatt”.

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