Die Kunst der Parallel-Städte

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Das Festival “Ciudades paralelas” startet nächste Woche in Buenos Aires

Von Flora Roenneberg

“Bahnhöfe, Hotelzimmer, Shoppingcenter – all dies sind wiedererkennbare Orte, die in Städten rund um die Welt parallele Existenzen mit ähnlichen Regeln, aber lokalen Gesichtern haben.” Die Worte von Lola Arias und Stefan Kaegi, Leiter des Projektes “Ciudades paralelas” (Parallel-Städte), zeigen ihre Faszination für das, was sich hinter den Kulissen des Alltags befindet, und für die Seele eines Ortes, der weltweit gleich scheint und doch durch die Menschen, die ihn durchlaufen, einzigartig wird. Zur Teilnahme an ihrem internationalen Kunstfestival riefen der Schweizer und die Argentinierin Künstler dazu auf, alltägliche Stationen als Beobachter und Darsteller zu nutzen. Dabei entstanden Projekte, die einen alltäglichen Ort in eine Bühne verwandeln und den Zuschauer dazu verführen, den Ort mit neuen Augen zu sehen.

“Kunst fließt, beinah unbemerkt und doch präsent, in das Leben der Stadt ein”, bekräftigte der Engländer Ant Hampton, einer der Künstler, der sich am Festival beteiligt. Das Projekt wurde am Mittwoch im Malba vorgestellt und soll am 25. November in Buenos Aires beginnen. Es ist ein kooperatives Kulturprojekt der HAU Berlin in Zusammenarbeit mit dem Schauspielhaus Zürich, und wird von der Kulturstiftung des Bundes, der Kulturstiftung der Schweiz “Pro Helvetia” und dem Goethe-Institut in Buenos Aires unterstützt. Das Festival ist für die Städte Berlin, Buenos Aires, Warschau und Zürich konzipiert. In Berlin hat es letztes Jahr bereits mit großem Erfolg stattgefunden, nun liegt es an den Porteños, das Kunstprojekt mit offenen Armen zu empfangen.

Das Festival wird von den Künstlern Ant Hampton und Tim Etchells (Großbritannien), Cristián García (Schweiz), Ligna (Deutschland), Gerardo Naumann (Argentinien), Mariano Pensotti (Argentinien), Lola Arias (Argentinien), Dominic Huber (Schweiz) und Stefan Kaegi (Schweiz) bestimmt. Alle kamen sie im Malba, unter der Gesprächsleitung von Marcelo Pitrola, an einem Tisch zusammen und sprachen über ihre Erfahrungen im Rahmen des Festivals in Berlin. Außerdem wurde ein Dokumentarfilm über das Berliner Kunstspektakel gezeigt, der dem Publikum den Zauber jedes einzelnen Ortes innerhalb des Festivals vor Augen führte.

Der Film zeigt, wie sich die Künstler an öffentlichen Orten verwirklichen, künstlerisch mitwirken und in das Geschehen einmischen. Acht Künstler entschieden sich dabei bereits für 8 Orte in Berlin, an denen sie das Stadtleben zum Schauspiel werden ließen. Berlin wurde dabei “live” zur Kulisse des Spektakels, und die Berliner zu Protagonisten. In manchen Fällen fielen die Künstler in das Alltagsgeschehen ein, in dem sie mit Radio oder Chorgesang die Stadt belebten. Andere wagten es, hinter die Kulissen des Ortes zu sehen und die Charaktere genauer kennenzulernen. Die Darstellungskraft der Künstler ist dabei grundverschieden.

Ein Bahnhof wird zur Schriftbühne. Vier Schriftsteller beobachten im Rahmen des Projektes “Sometimes I think I can see you”, von Mariano Pensotti, das Geschehen des Ortes aus verschiedenen Perspektiven und schreiben. Ihre Worte fließen dabei auf einer öffentlichen Leinwand in voller Größe zusammen, „wie eine Überwachungskamera, die alle Bewegungen der anonymen Menschen im Bahnhof aufzeichnet, transformiert jeder Schriftsteller die spontanen Bewegungen im öffentlichen Raum. So entstehen Erzählungen, die davon handeln, was sich in den Köpfen parallel zum Leben auf dem Bahnhof abspielt oder abspielen könnte“. Dieses Kunstprojekt wird nun den Bahnhof Palermo zur Bühne machen, wobei die Fahrgäste zu Protagonisten einer fiktionalen und parallel-realen Erzählung werden.

Anderswo wird eine Fabrik zur Bühne. Gerardo Neumanns Projekt “Fabrik” sieht hinter die Kulissen der ratternden Maschinen der Bohnerwachs-Fabrik “Cera Suiza” und stürzt sich in das Leben der Fabrikarbeiter. Ein weiteres aufregendes Spektakel wird zwischen Bücherregalen wahr gemacht. Das Projekt “The Quiet Volume” von Ant Hampton und Tim Etchells findet im Lesesaal der Nationalbibliothek (Agüero 2502) statt. Zwischen den Buchstaben und Seiten gefangen, beginnt hier eine Reise durch die Welt der Bücher. Wem das Rätsel der Bücher noch nicht genug ist, der kann in der Straße Beruti 4566 ein Haus besuchen und in das Geschehen auf mehreren Stockwerken eintauchen. Im “Ibis Hotel Congreso” werden die Besucher im Rahmen des Projektes “Hotel” von Lola Arias selbst zu Zimmermädchen und werden durch Filme, O-Töne, Texte und Fotos in das Hintergundgeschehen des Hotellebens eingeführt.

Etwas weiter weg lädt Stefan Kaegi die Porteños auf einem Dach (Bartolomé Mitre 1559) dazu ein, die Stadt mit den Augen eines Blinden zu “sehen”, während der Künstler Cristian García mit seinem Projekt “Im Namen des Volkes” den Justizpalast (Talcahuano 550) und Ligna mit dem Projekt „Shopping Center“ stille Orte zum Klingen bringen. Außerdem bietet die Ausstellung “Artistas Paralelos en el Centro del Festival” (Künstler im Mittelpunkt des Festivals) in der Galerie Pasaje 17 (Bme. Mitre 1559) genaueren Einblick in die Kunst der Darsteller.

  • Festival “Ciudades paralelas”, 26.11.-5.12., Infos im Internet oder unter Tel.: 4371-1651.

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