Selbstvergessene Schönheit
Lisa Franz’ Fotoausstellung “Facetas de la Mujer” im Centro Cultural Recoleta
Von Susanne Franz
Es ist die bisher persönlichste Ausstellung der jungen deutschen Fotografin Lisa Franz. Mit der Unterstützung der Deutschen Botschaft zeigt die in Argentinien lebende Künstlerin im Prometeus-Saal des Centro Cultural Recoleta noch bis zum 5. Dezember ein Foto-Essay zur inneren Befindlichkeit der Frau in diesem neuen 21. Jahrhundert.
Als verbindendes Element aller Fotografien spürt man Lebensfreude, oder vielleicht einfach nur Leben. Dabei wird die Frau nicht in ihren verschiedenen Rollen als Mutter oder Karrierefrau oder Intellektuelle oder Fashion-Opfer gezeigt, es geht vielmehr um das “Ich” einer Frau, ihre Persönlichkeit und ihre Empfindungen in bestimmten Momenten, kindlichen, menschlichen, einzigen Momenten: sich tanzend im Kreis drehen und die Luft vorbeirauschen hören, das Schwindelgefühl, die pure Lebensfreude im ganzen, mit dem ganzen Körper spüren; am Strand liegen und träumen und sich vom Geräusch der Wellen wegtragen lassen.
Zum Teil stehen alltägliche Fragen im Mittelpunkt – welcher Schminktopf?, welche Haarspange?, warum habe ich eigentlich so viele Schuhe?, oder tiefer scheinende, die aber eigentlich die gleichen sind: Magst du dich? Und es werden Archetypen von Frauen dargestellt: Die Kriegerin, die Beschützerin, und das Ideal: die Seiltänzerin, die den Balanceakt fertigbringt, ihr inneres Glück mit ihrer Rolle und ihren Pflichten zu vereinbaren. Vielleicht ist sie nur eine Utopie.
Die Frauen in Lisa Franz’ Fotografien sind schön, ob sie nun Models sind oder mit sich zufriedene Normale, oder Mütter, Schwestern oder Freundinnen. Sie fragen sich: Was will ich? Wohin will ich? Sie träumen, sie tanzen, sie zweifeln, sie sind noch unscharf oder haben die Weisheit erreicht, oder sie schauen aus großen Augen aus der Begrenzung ihres Schleiers in die Welt. Diese unterschiedlichen Frauen aus aller Welt sind gleichzeitig alle Frauen, und alle sind eine: du, ich, sie.
“Ich möchte die Schönheit der Menschheit zeigen, ohne ihrer Eitelkeit zu schmeicheln”, schreibt Lisa Franz im Katalog zur Ausstellung. Das gelingt ihr auf einmalige Weise: Ihre Fotos, in denen sie über die abgebildeten Gesichter oder Körper durch Mehrfachbelichtung Elemente anderer Fotografien einbaut, sind vielschichtige Erzählungen: poetisch, selbstvergessen, traumwandlerisch, neugierig und offen. Sie gehen weit über das Oberflächliche hinaus, genau wie es der zweite Titel der Ausstellung verspricht: “Más allá de la superficie”.
- Centro Cultural Recoleta, Prometeus-Saal, Junín 1930. Mo-Fr 14-21, Sa, So und feiertags 10-21 Uhr. Eintritt frei. Bis 5.12.