Vegetarismus

Sollten wir alle aufs Steak verzichten?

Von Friedbert W. Böhm

In einer Talkshow war unlängst wieder zu sehen, wie sich Vegetarier und Fleischproduzenten bekämpften – wenn sie eines gehabt hätten, bis aufs Messer. Obwohl ich auch gern mal ein Steak esse, bin ich keiner von denen, die kilometerweit laufen würden, um eine “Parrilla” zu finden. Mich vegetarisch zu ernähren, würde mir vermutlich leichter fallen als auf Alkohol und Tabak zu verzichten. Insofern betrachte ich mich als einen in dieser Angelegenheit recht objektiven Beobachter, der versucht, sein Urteil nach sachlichen Gesichtspunkten zu treffen. Und nach der, wie ich glaube, bisher unübertroffenen Kantschen Maxime “tue nie etwas, was nicht Sinn gäbe, wenn es alle Menschen täten” (frei ins Umgangsdeutsch übersetzt). Sollten wir also alle Vegetarier werden?

Es gäbe gewichtige moralische Gründe, Tiere nicht zu töten. Wir wissen zweifelsfrei, dass Wirbeltiere Schmerz empfinden, Angst und Stress erleiden. Die Gefühlswelt der Primaten etwa, mit Abstrichen gewiss auch unserer Haustiere, dürfte kaum dumpfer sein als unsere eigene. Es gibt Philosophen, welche die Ausdehnung der Menschenrechte auf Menschenaffen für angebracht halten. Warum dann nicht auch auf Rinder, Pferde, Schweine und Kaninchen? In Indien gibt es Leute, die das Leben einer Mücke für genauso wertvoll halten wie das eines Menschen.

Entwicklungstheoretische oder gesundheitliche Gründe stehen dem Vegetarismus nicht entgegen. Wir sind keine Fleisch-, sondern Allesfresser. Dass man ohne tierische Proteine gesund und leistungsfähig sein kann, scheint nicht nur eine mehrheitliche medizinische Meinung zu sein; zahlreiche vegetarische Sportler beweisen es. Kein Fleisch mehr also!

Was aber würde mit unseren Haustieren passieren, wenn wir plötzlich eine universelle Tötungshemmung entwickelten?

Für Hunde und Katzen wäre das fatal. Noch weniger als zu unserer eigenen Ernährung dürften wir für deren Fressnapf töten. Da sie wohl kaum auch zu Vegetariern umerzogen werden könnten, müssten sie mit dem Fleisch an Altersschwäche verendeter Rinder oder Schweine gefüttert werden. Das könnte zwar ein neues Geschäftsfeld für Kadaververwertungsanstalten werden, gewiss aber kein einfach zu organisierendes noch sehr hygienisches.

Welche Zukunft hätten nun unsere Rinder, Schweine, Schafe, Ziegen, von denen es sogar in dicht besiedelten Regionen erheblich mehr gibt als Menschen? Da wir sie ja nicht töten und ordentlich beisetzen dürften, müssten sie wohl weiterhin gehalten werden, denn verhungern lassen ist schlimmer als töten. Wir kämen wohl nicht darum herum, die Weiden mit ihren Zäunen und Tränken sowie, wo erforderlich, die Ställe zu unterhalten wie bisher. Das müsste mit aller Sicherheit der Staat machen, denn Private interessieren sich nicht für Geschäfte, die nur Arbeit und Aufwand, aber keinen Ertrag bedeuten. Allerdings würden die bestehenden Flächen und Einrichtungen sehr bald unzureichend sein, denn es wären ja Haustiernachkommen zu betreuen. So eine Sau wirft schon mal ein Dutzend Ferkel, von Kaninchen gar nicht zu reden. Dann müsste zugefüttert werden, aus unseren Gemüsegärten, Obstplantagen und Getreidefeldern. Wie lange würden diese ausreichen? Wären wir bereit, unseren Pflanzenkonsum einzuschränken, um immer mehr Tiere zu ernähren?

Eine Alternative wäre natürlich, die Ställe und Weidezäune einzureißen, die Landschaft also zu renaturalisieren und die Tiere sich selbst zu überlassen. Dies würde es erforderlich machen, etwa in Eurasien Luchse, Wölfe, Vielfraße und Bären auszusetzen, als natürliche Bremse gegen die ungehemmte Vermehrung unserer ehemaligen Haustiere. Die Felder, auf denen unser Getreide wächst, und die Gemüsegärten und Obstplantagen wären dann jedoch vor Fremdfraß zu schützen, so wie es die Afrikaner am Rande ihrer Naturreservate zu tun gezwungen sind.

Irgendwann wäre der ausufernden Wildnis nicht mehr mit vertretbarem Aufwand beizukommen. Denn das sprichwörtliche “Gleichgewicht der Natur” ist ein mittlerer, auf längere Zeiträume bezogener Wert. Auf kürzere Sicht herrscht immer ein Übermaß. Entweder von Pflanzenfressern, welche unsere Äcker und Plantagen verwüsten, oder, nach durch leichte Beute verursachter überproportionaler Vermehrung, von Raubtieren, die, angesichts nun selten werdender Pflanzenfresser, ihre Nahrung in unseren Vorgärten und Schulhöfen suchen würden.

Dann wären wir wie in der Steinzeit in einer Notwehrsituation und würden es für gerechtfertigt erachten, die Schießprügel aus dem Schrank zu holen.

Lassen wir es also doch besser dabei, ab und zu ein gutes Stück Fleisch zu essen! Eines von möglichst artgerecht gehaltenen, möglichst schmerzlos getöteten Haustieren, von denen die Allermeisten in der Wildnis gar nicht erst geboren worden oder kaum ein halbes Jahr alt geworden wären, ihr Leben lang unter Hunger, Krankheiten und der Angst vor Fressfeinden gelitten hätten und ihren Tod als bei lebendigem Leibe Zerrissene hätten erleiden müssen!

Foto:
Flickr.

Un comentario sobre “Vegetarismus”

  1. jorg pablo dice:

    Vegetarier und Veganer! Schaltet euren Verstand ein und beherzigt den Rat im letzten Absatz dieses erleuchtenden Aufsatzes! Esst wenigstens ab und zu wieder ein köstliches Stück Fleisch zu eurem und unser aller Wohl! jp


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