Viele Bilder, wenig Info

“Buenos Aires – die Welthauptstadt des Fußball” von Reinaldo Coddou H.

Von Marcus Christoph

Lust bekommt man schon, sich direkt in ein Fußballstadion in der argentinischen Hauptstadt zu begeben. Stadien mit jubelnden Fans, Leidenschaft, Fahnen, Konfetti. All das bekommt der Leser von Reinaldo Coddou H.s Buch “Buenos Aires – die Welthauptstadt des Fußballs” auf 315 zumeist bebilderten Seiten geboten. Der Fotograf, der das Fußballmagazin “11 Freunde” mitbegründete, versteht es, die Stimmung in den großen und kleinen Fußballarenen der Metropole am Río de la Plata einzufangen. Dabei hat Coddou H., der 1971 in Santiago de Chile geboren wurde und in Bielefeld aufwuchs, stets auch den Blick für Details am Rande, für Skurriles und Menschliches. Da sieht der Leser abrissreife Stadien unterklassiger Clubs, schlafende TV-Reporter oder gar Fans, die ihre Notdurft verrichten. Alles authentisch Fußball in Buenos Aires, wo das Spiel mit dem runden Leder so allgegenwärtig ist und exzessiv gelebt wird wie an keinem anderen Ort der Welt, wie es im Klappentext des im Edition Panorama-Verlag erschienenen Werkes heißt.

Wer sich allerdings unter dem Titel des Buches eine umfassende informative Darstellung des Fußballs am Río de la Plata erhofft hat, wird sicher ein wenig enttäuscht sein. Denn von den 315 Seiten sind ganze 22 der Textinformation gewidmet. Der Abschnitt über “Die Geschichte des argentinischen Fußballs” findet auf einer einzigen Doppelseite Platz (!). Dies reicht kaum für einen ersten Überblick. Profunde Kenntnisse über die Materie kann man so nicht erwerben.

Sicher, Coddou H. ist Fotograf und möchte vor allem die Fotos sprechen und für sich alleine wirken lassen: “Es ist in erster Linie ein Bildband”, so der Autor. Doch hätte man darauf vielleicht schon auf der Coverseite hinweisen sollen. Denn der Buchtitel für sich genommen lässt schon hoffen, dass man als Leser mit ausreichenden Informationen zum Thema versorgt würde. Auch das Format des Buches (17 x 21,4 cm) entspricht eher dem eines kompakten Lesebuchs als dem eines Bildbandes. So aber muss man sich mit einigen kurzen Darstellungen zur Stadionkultur, zu den Besonderheiten des argentinischen Fußballs, zur Gewaltbereitschaft der Fans sowie einem Interview mit Coddou H. begnügen.

Dabei macht nicht zuletzt das philosophisch angehauchte Vorwort von Trainerlegende César Luis Menotti zum Wesen des argentinischen Fußballs Appetit auf mehr Tiefgang. Vor dem Hintergrund der wenigen Textseiten ist es umso weniger nachzuvollziehen, dass es in dem Buch mehrere weiße Leerseiten gibt. Mit Informationen wird im Übrigen auch mit Blick auf die Bilder selbst gespart. Es gibt keine einzige Bildunterschrift. Am Ende des Buches sind lediglich Partien erwähnt, bei denen Fotos entstanden sind. Dazu werden die entsprechenden Seitenzahlen genannt. Man muss also ziemlich viel blättern und suchen, um (etwas) mehr zu den Bildern zu erfahren.

Fazit: Das Buch ist zu empfehlen für jemanden, der sich an schönen Bildern erfreut und auf diese Weise etwas von der Atmosphäre in argentinischen Fußballstadien einfangen möchte. Für denjenigen aber, der Wissenswertes über den Fußball in Buenos Aires erfahren will, der etwas darüber lesen will, wie es zu dem Kult um das runde Leder am Río de la Plata gekommen ist, der etwas über die Traditionen der einzelnen Vereine lesen möchte, der einen Überblick über Geschichte und Gegenwart des Fußballs in Buenos Aires erhalten will, derjenige kommt sicher nicht auf seine Kosten (24,80 Euro).

Das Buch ist seit der Frankfurter Buchmesse im Oktober vorigen Jahres vor allem auf dem deutschen Markt erhältlich. Für Interessenten in Argentinien empfiehlt Coddou H. den Kauf über Amazon Deutschland. Wie der Autor mitteilte, werde derzeit eine (digitale) englische und eventuell auch eine spanische Ausgabe anvisiert.

Foto:

Fotograf Reinaldo Coddou H. präsentiert sein neues Buch.
(Foto: Marcus Christoph)

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