Zwei völlig unterschiedliche Theatererlebnisse

Sorins “22h13” und Robines “La ferme des concombres” in der internationalen Spielzeit des San Martín-Theaters

Von Charlotte Dötig

Zwei Franzosen im Auftrag der Komik haben sich in der letzten Woche für unterhaltsame Abende eingesetzt. Die Idee war dieselbe und der Erfolg der gleiche, und doch hätten zwei Alleinunterhalter verschiedener nicht sein können. Der Eine groß, der Andere klein, der Eine jünger, der Andere älter, der Eine auf einer mit Krempel überfüllten Bühne und der Andere auf einem leeren Schauplatz, der nur durch einen kleinen Sandhügel markiert war. Doch sieht man über diese Trivialitäten hinweg, ist es der Inhalt und die intellektuelle, aber auch emotionale Interpretation von Theater, die die beiden unterscheidet. Während der Eine es auf die künstlerische Spitze treibt, indem er das gewollt provozierte Lachen im Hals ersticken lässt, reißt der Andere das Publikum in eine andere Welt und zieht es auf diese Weise in seinen Bann.

“22h13” war das erste der beiden Stücke, das im Rahmen der internationalen Spielzeit im San Martín-Theater gezeigt wurde. Es ist ein Werk von Pierrick Sorin, gespielt von Nicolás Sansier. Dargestellt wird der Alltag eines Künstlers, der versucht, in seinem chaotischen Atelier Ordnung zu schaffen. Immer wieder wird er jedoch unterbrochen.

So beginnt er, Ideen für ein neues Werk zu entwickeln, trifft Leute, träumt, grübelt, spricht mit sich selbst und redet mit anderen, immer auf der Suche nach einer neuen Form, sich auszudrücken, etwas zu schaffen, das nicht nur die bloße Hülle eines Kunstwerks ist. Ein Balanceakt zwischen zwei Abgründen, zwischen Genialität und Wahnsinn. Das technisch wirklich aufwendige Stück mit drei Leinwänden, Kameras noch auf der Bühne, Nahaufnahmen, die riesig auf die Leinwände übertragen werden, Videoaufzeichnungen, die es möglich machen, dass sich der Künstler auf der Leinwand mit anderen Menschen trifft, ist überwältigend.

Die anderen Persönlichkeiten, denen er begegnet, sind ebenfalls von Sansier gespielt, was zur Folge hat, dass der Zuschauer ab und an den Eindruck bekommt, dass der Künstler paranoid sei. Der immer verzweifelter Suchende, der nicht weiß, welche Entscheidung er treffen soll und der sich zwischen unaushaltbarem Tatendrang und absolutem Stillstand im Kreis dreht, scheint dem Wahnsinn in die Arme zu laufen.

Patrick Robine hingegen nahm die Zuschauer in seinem Stück “La ferme des concombres (La granja de los pepinos)” auf eine Reise mit durch die Wüste. Ein Abenteuer, das man erlebt haben sollte, mit Menschen, die man kennengelernt haben muss. Mit einem Feuer im Koffer und in seinem beigen Anzug, führt er die Zuschauer ins Unbekannte, macht sie vertraut mit Menschen, die auf einmal gar nicht mehr fremd erscheinen. Tiere werden einem vorgeführt, die so echt wirken, dass man sie anfassen möchte. Er baut nicht nur Luftschlösser, sondern ganze Landschaften ins Nichts.

Er kreiert eine ganz fremde, surreale Welt, und jeder, der sich ein bisschen darauf einlässt, darf eintreten, durch die Wüste sich schleppen und übers Wasser fahren. Robine erfindet und verwandelt sich selbst in jedem Augenblick von Neuem, ohne dabei Verwirrung zu stiften. Ist er in einem Moment noch ein schnaubendes Kamel, so ist er im nächsten schon der mit tiefer Stimme sich Gehör verschaffende Vater.

So ist letzteres ein abenteuerlicher Ritt durch die Wüste, der auf keiner Ebene mit dem wüsten Ritt durchs Abenteuer des Künstlers, der sich im Chaos zu verlieren scheint, vergleichbar ist. Es sind zwei sehr unterschiedliche Sensationen, herausragend in ihrer Einzigartigkeit, deren Schnittpunkt allein die Sprache ist.

Fotos von oben nach unten:
Technische Perfektion: “22h13” des Videokünstlers Pierrick Sorin.

Körperarbeit: Allroundgenie Patrick Robine.

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