Schwarzer Humor und politische Botschaft

Marcos López’ “Tierra en Trance” in der Fundación YPF

Von Jasmin Müller

Bereits von außen stechen einem die großen Fotografien von Marcos López ins Auge. Schaut man durch die Stäbe des Zaunes, die den Hochhausturm der Fundación YPF in Puerto Madero schützend umgeben, erkennt man insgesamt 16 Werke des argentinischen Künstlers. Diese sind im Rahmen des Kulturprogramms “Arte en la Torre” im Erdgeschoss in der Macacha Güemes 515 noch bis zum 15.7. ausgestellt.

Der Titel der Ausstellung “Tierra en Trance” verweist auf einen gleichnamigen Film des brasilianischen Regisseurs Glauber Rocha. Er gilt als wichtigster Vertreter des Cinema Novo und stand für den Kampf gegen die Übermacht des US-amerikanischen Films. Sein Ziel war es, sich auf nationale Traditionen zu besinnen und er kritisierte in seinen Werken die herrschende soziale Ungerechtigkeit. Das, was Marcos López auch tut.

Wenn man das Gebäude betritt, steuert man direkt auf das Hauptwerk der Ausstellung zu. “Suite Bolivariana” – ein drei Meter hohes und neun Meter langes Wandbild. Links in dem Bild sind sechs Bergarbeiter zu erkennen. Sie steigen eine Art Treppe hoch, die aus Würfeln besteht, welche mit berühmten Bildern von Pop-Art Künstlern wie Roy Lichtenstein, Robert Indiana und Andy Warhol bedruckt sind. In den Händen eine Whiphala-Fahne – das Symbol für die indigenen Völker Südamerikas. Diese Szene erinnert an die Fotografie “Raising the Flag on Iwo Jima” von dem Fotografen Joe Rosenthal. Sie stellt sechs Soldaten dar, die auf einem Berg eine US-Fahne hissen und später als Kriegshelden gefeiert wurden. Doch in Marcos López’ Arbeit sind nicht Soldaten die Helden, es sind die dargestellten Bergarbeiter. Im Oktober 2010 feierte man 33 Männer als Nationalhelden, die im August 2010 in einem chilenischen Bergwerk verschüttet wurden und 69 Tage später gerettet werden konnten.

In der Mitte des riesigen Bildes sieht man einen Mann, der sich gerade ein Stück Fleisch vom Grill geholt hat. Er trägt Flip-Flops, kurze Hose, Hemd, Sonnenbrille und Kappe, ist rundlich und klein. Ein typischer Südländer? Ein Macho als Grillmeister beim traditionellen Asado? Vielleicht. Denn ein wesentliches Element der Arbeiten von Marcos López ist das überspitzte Darstellen von Klischees. So zieren beispielsweise auch ein Haufen Maiskolben den unteren Bildrand – ein Produkt, welches Mexiko symbolisiert, das Herkunftsland dieser Pflanze.

Im rechten Teil des Bildes sieht man die Büsten Peróns und seiner Frau Evita in Rettungsringen auf einem kleinen Pool schwimmen. Bewässert wird dieser von dem berühmten Tango-Komponisten und –sänger Carlos Gardel. Um den Pool herum scharen sich NBA-Basketballspieler. Die Mauer im Hintergrund ist gefüllt mit Porträts von Revolutionsführern und Symbolen, die für ein bestimmtes südamerikanisches Land stehen. Man erkennt einen typischen Indianer, einen Tiger, die Flagge Venezuelas, Che Guevara, die südamerikanischen Nationalhelden Bolívar und San Martín sowie den venezolanischen Präsidenten Chávez und Perus Staatsoberhaupt Morales.

Man braucht schon eine Weile, um sich dieses Kunstwerk genau anzuschauen. Es ist vollgestopft mit wichtigen Persönlichkeiten und Details. “Ich mag es zu übertreiben”, so der Künstler. Diese Überspitzung und Übertreibung sind Elemente seiner Arbeiten. Und doch ist es erstaunlich, wie viel Realität in diesen ironischen Darstellungen steckt. In der blutverschmierten Fleischerin, die eine Kette aus Blutwürsten trägt und deren Hand mit einem großen Messer durchstochen ist. In dem Mann, der in einem grauen kalten Raum steht und ein Modellflugzeug der American Airlines in der Hand hält. In dem bolivianischen Schneider, der mit Schere und Bügeleisen an einem neuen Anzug arbeitet. In allen steckt ein wenig Wirklichkeit.

Der argentinische Fotograf setzt sich in seinen Arbeiten mit seiner Heimat auseinander. Dabei bezieht er sich auf ganz Südamerika, hauptsächlich jedoch auf das Land, in dem er geboren wurde – Argentinien. Das Ziel des Künstlers ist es, eine Emotion zu materialisieren, die gleichzeitig eine soziopolitische Meinung und eine Art Chronik ist. Dazu nutzt er häufig Elemente der Werbefotografie. Marcos López kritisiert das momentane globalisierte Leben, die Markenkultur, das Streben nach dem “American Way of Life”.

Den Schmerz, den López empfindet, versucht er durch Humor und Ironie zu vertreiben. Ein sehr schwarzer Humor. Auf keinem der 16 Werke ist ein lachendes Gesicht zu sehen. Alle haben leere, traurige Blicke. Und auch dem Betrachter ist nicht zum Lachen zumute. Aber überzeugen Sie sich selbst und besuchen Sie noch bis zum 15.7. die Ausstellung “Tierra en Trance” im Turm der Fundación YPF. Montags-Freitags 10-19 Uhr.

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