Miniaturfiguren und graue Landschaften

Carlos Gallardos letzte Werke in der Galerie Rubbers

Von Jasmin Müller

Am Dienstagabend kamen rund 120 Besucher in die Galería Rubbers Internacional in Buenos Aires, um sich die letzten Werke des argentinischen Künstlers Carlos Gallardo anzusehen. Unter dem Namen “Destiempos” sind insgesamt 28 Arbeiten Gallardos ausgestellt, die er in den Jahren 2007 und 2008 anfertigte. Vor zweieinhalb Jahren kam Gallardo bei einem tragischen Autounfall ums Leben.

Von Schwarzweiß-Fotografien bis hin zu Installationen probierte Gallardo zu Lebzeiten viel aus. Die vielen unterschiedlichen Werke der Ausstellung lassen erkennen, dass der Argentinier ein sehr facettenreicher Künstler war. Seine Vielfältigkeit zeigte sich auch darin, dass er zusätzlich noch als Bühnen- und Kostümbildner des Balletts des San Martín-Theaters tätig war. Dort arbeitete er zusammen mit seinem Lebenspartner, dem Ballettchef Mauricio Wainrot.

Abgesehen von einer Installation sind in der Galerie hauptsächlich Fotografien zu sehen. Die Hauptthemen, die in Gallardos Werken mitklingen, sind vor allem “Zeit” und “Erinnerung”. Es scheint ein wenig so, als habe er bereits eine Art Vorahnung gehabt. Kalender und Uhren, die hauptsächlich in der Serie “Destiempos” zu sehen sind, erinnern einen daran, dass alles vergänglich ist. In einigen Fotografien gucken Miniaturfiguren aus den kleinen Kästchen eines Holzkalenders. Ein anderes Bild zeigt ein Männchen, das auf einem Haufen kleiner Metallzahnräder steht. Die Figur trägt Mantel und Anzug, sie hat einen Hut auf und ist mit Koffern bepackt. Es scheint, als sei sie gerade von einer Geschäftsreise zurückgekommen und freue sich nun auf Zuhause. Die Fotografien sind alle schwarzweiß, nur die Figürchen sind farbig. Gallardo will den Betrachtern vermitteln, dass es um das Hier und Jetzt geht.

Eine andere Serie, die in der Galería Rubbers zu sehen ist, nennt sich “Vestigio”. Schwarzweiß-Fotografien zeigen schläfrige, triste Landschaften. Die Arbeiten strahlen Ruhe und eine gewisse Schwere aus. Das Bild, welches am Eingang hängt, ist am Hafen von Antwerpen in Belgien entstanden. Dort lebten und arbeiteten Gallardo und Wainrot einige Jahre. Das Foto ist etwas verschwommen, es zeigt eine Frau, die am Ufer sitzt und liest. Im Hintergrund lassen sich die Umrisse der Stadt erkennen. Jedoch sticht vor allem die Weite des Seehafens heraus.

Das Motiv des Hafens stellt der argentinische Künstler auch aus einer anderen Sichtweise dar. So schwingt das Thema “Reise” besonders in der Serie “Theatrum Mundi” mit. Die kleinen Figürchen, die dieses Mal auf den Schwarzweiß-Fotos befestigt sind, tanzen, lesen oder befinden sich in einem Moment der Entspannung. Kurze, schöne Augenblicke, die im Alltag viel zu schnell vorbeiziehen.

In einer Fotografie ist in der oberen Hälfte ein Ausschnitt eines Schiffes mit der Aufschrift “WEST” zu sehen. Der untere Teil zeigt den Fluss, auf dem das Schiff fährt. In diesem gleitet eine Miniaturfigur im Schwimmring durch das Wasser. Eine andere befindet sich auf dem Schiff. Sie ist gerade aus dem Wasser gestiegen und trocknet sich nun die Haare mit einem Handtuch. Durch die kleinen Figuren werden sie sonst sehr verhaltenen Fotografien aufgelockert, und man muss beim Anblick dieser Winzlinge etwas schmunzeln. Gallardo hat gekonnt dunklen Ernst mit einem Funken Witz vereint. Ganz in seinem Sinne war auch die Eröffnung kein trauriges Schwelgen in Erinnerungen, sondern ein fröhliches Zusammensein.

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