Gehen oder bleiben?

| Film / Cine | 24/7/11 | 0 comentarios

“Von Menschen und Göttern” von Xavier Beauvois

Von Anna Weber

Man soll niemals das Ende eines Films erzählen. Was aber, wenn es in einem Film eben gerade darum geht, dass das Ende schon von Anfang an bekannt ist?

In “Von Menschen und Göttern” erzählt Xavier Beauvois die Geschichte von acht Mönchen, die in einem Kloster am Fuß des Atlas leben, inmitten des algerischen Bürgerkriegs. Der Krieg, die Angst und die Toten rücken immer näher, und schließlich stehen die Mönche vor der Entscheidung: Gehen oder bleiben? “Du hast keine Wahl”, sagt der Rebellenführer zu Bruder Christian (Lambert Wilson), dem Oberhaupt des Klosters. “Doch, die habe ich”, antwortet dieser. Und so treffen die acht Mönche ihre Wahl, nicht als Götter, nicht als Helden, nicht als Märtyrer, sondern als Menschen.

Wie die Geschichte enden wird, das weiß man schon zu Beginn des Films, als die Brust von Bruder Amédée mit einem Stethoskop abgehört wird und der Befund lautet: “Du wirst uns noch alle begraben.” Zuschauer wie auch Mönche wissen, dass das Ende naht. Aber keiner weiß, wann es kommen wird. Und so widmen sich die Mönche ihrem Alltag, besäen Felder und singen liturgische Gesänge. Man sieht die Angst in den Gesichtern dieser acht Männer, die Zweifel, den Wunsch zu gehen.

Diesen Wunsch hegt gegen Mitte des Films auch der Zuschauer: Weshalb bin ich noch hier? Wieso tue ich mir dies an? Ich weiß doch, was geschehen wird… Und irgendwann begreift man, dass man die Gedanken und Gefühle dieser Mönche teilt. Man will raus, dem Warten endlich ein Ende setzen. Aber irgendwie bringt man es nicht über sich, fühlt die Verpflichtung zu bleiben. Auf geniale Art bringt Beauvois den Zuschauer dazu, die Geschichte der Mönche nicht nur zu sehen, sondern, in abgeschwächter Form, selbst zu erfahren.

Beauvois, der von sich selbst sagt, dass er pro Tag problemlos drei bis vier Dokumentarfilme schauen könne, stellt die reale Erfahrung in den Vordergrund. Der Film basiert auf wahren Begebenheiten (Massaker von Tibhirine, 1996) und Beauvois verzichtet weitgehend auf künstliche Bildkompositionen und musikalisches Underscoring, welches dem Zuschauer Emotionen aufdrängt. Die Mönche werden nicht als Helden verehrt, sondern als Menschen gezeigt. Die Gänge des Klosters, an deren Ende Licht scheint, erinnern entfernt an eine Turnhalle, und die Mönche speisen auf Plastiktischdecken.

Beauvois erzählt sparsam und schlicht, er hält sich an das, was ist. Trotzdem schafft er es, unglaubliche Emotionen aufzubauen, und nicht umsonst hat der Film, u.a. in Cannes, zahlreiche Preise gewonnen. Trotz zunehmender Anspannung ist da gegen Ende des Films plötzlich wieder Hoffnung. Da muss doch noch was sein, ein Wunder, eine plötzliche Wende, irgend etwas. Und kurz vor dem Ende wird der Zuschauer mit einer Szene belohnt, von so unglaublicher Schönheit, dass er den Saal verlässt und zu sich selbst sagt: Es war es wert, zu bleiben.

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