Karikaturen, Kritik und Kindheitserinnerungen

“Grabados 1996-2010” – eine Schenkung von 122 Graphiken von Antonio Seguí ans MAMba

Von Jasmin Müller

Wie ein Kind mit Wachsmalstiften, welches mit groben Strichen das Gesicht eines Mannes mit Hakennase malt, wirkt Antonio Seguí. In dem Kurzfilm “Cuando sea grande” ist der Künstler in seinem hellen Atelier in Paris bei der Arbeit zu sehen. In einem kleinen, von der restlichen Ausstellung abgetrennten Raum läuft das Video, welches einen kleinen Eindruck gibt, wie die Werke für “Grabados 1996-2010” entstanden.

Am 28. Juli um 19 Uhr fand im Museo de Arte Moderno de Buenos Aires (MAMba) die Eröffnung der Ausstellung statt, und argentinische und französische Kunstliebhaber trafen sich an diesem Abend, um die Bilder des berühmten Künstlers zu bestaunen. Zum zweiten Mal nach 2001 profitiert das MAMba von der Großzügigkeit Seguís, und so schmücken nun 122 Graphiken einen großen Saal im Erdgeschoss des Museums.

Der Protagonist der Arbeiten ist die Figur eines Mannes. Meist trägt dieser einen Hut, einen Mantel und eine Aktentasche. Und er ist immer in Eile, die Figuren können nicht stehenbleiben. Sie bewegen sich mit großen hastigen Schritten fort. Die abgebildeten Männer, die zum Markenzeichen des in Córdoba geborenen Künstlers geworden sind, sehen sich ähnlich und sind doch alle unterschiedlich. Man findet die Figuren in Porträts oder auch mehrfach in großen Wandgemälden.

Seguís Werke sind Erzählungen, die aus Erinnerungen seiner Kindheit und alltäglichen Situationen entstanden sind. Kleine Erlebnisse oder Beobachtungen hält der Argentinier in seinen Bildern fest. Wie beispielsweise ein Mann, der der hinteren zweier Frauen, die gerade an ihm vorbei gelaufen sind, auf den Po schaut.

In all seinen Graphiken schwingt immer ein humoristischer Unterton mit. “Alles, was ich mache, bekommt unweigerlich einen karikaturistischen Aspekt”, so der 77-Jährige. Seine Bilder leben vom Humor, der hämisch und manchmal sogar kritisch ist.
Manchmal ist die Kritik offensichtlich wie bei der Graphik “Pollution”, auf der ein große schwarze Rauchwolke zu sehen ist, aus der zwei Paar Männer- und ein Paar Frauenbeine ragen. Ein anderes Mal schwingt die Kritik nur leise mit. Das Bild “Homme pressé” (Mann in Eile) zeigt den Rücken eines Mannes, der einen blauen Mantel, eine beige Hose sowie einen braunen Hut trägt. Es scheint so, als ist er gerade mit großen Schritten an dem Maler vorbeigesaust, so dass dieser ihn nur noch von hinten sehen kann. Wohl ein Klischee-“Business-Man” mit Aktentasche, Krawatte und den Gedanken immer bei der Arbeit.

Auch bei den bunten Zeichnungen, die sehr kindlich wirken, muss man genauer hinsehen. Einige große Wandbilder, die das Getümmel einer Großstadt darstellen, sind gefüllt mit den typischen Männerfiguren des seit 1963 in Paris lebenden Künstlers. Dazwischen erkennt man außerdem einige Frauen, die einen sehr kräftigen und muskulösen Körper sowie markante Gesichtszüge haben. Das Dargestellte wirkt wie ein wirres Theater, jeder lebt in seiner eigenen kleinen Welt, und doch sind sie alle nur ein großer Haufen Marionetten, die an den Fäden ihrer gesellschaftlichen Rollen hängen. Doch manchmal entkommen sie dieser Rolle – gewollt oder ungewollt –, und der Vorzeigemann tanzt plötzlich ausgelassen auf einem Tisch wie in dem Bild “Perdiendo Equilibro”, oder steht mit heruntergelassener Hose da (“Sentirse incómodo”).

So gelingt es Seguí mit ein paar scheinbar groben Strichen und kindlicher Leichtigkeit das Bild unserer heutigen – aber besonders der argentinischen – Gesellschaft einzufangen.

  • Antonio Seguí, “Grabados 1996-2010”
  • Museo de Arte Moderno de Buenos Aires (MAMba)
  • Saal “PB” (Erdgeschoss)
  • Av. San Juan 350
  • Mo-Fr 12-19, Sa, So und feiertags 11-20 Uhr
  • Eintritt 1 Peso, dienstags gratis
  • Seit 28.7.

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