Ein kurzes Stück über das Töten

“Cómo estar juntos” im Camarín de las Musas

Von Anna Weber

Im Grunde geht es ja darum, zusammen zu sein. Sich zu lieben. Die Leere zu füllen. Und schließlich dort zu verharren, in diesem perfekten Moment der Stille und Gemeinsamkeit.

Es gibt sie, diese perfekten Momente, im Stück “Cómo estar juntos” von Diego Manso. Da ist eine Mutter, die ihrer Tochter über das Haar streicht, und sie erinnern sich, wie es früher war, im Exil in Spanien, an das feine Haar des Mädchens, wie da Schaum in die Augen geriet, wenn es gewaschen wurde.

Aber dann fallen sie zurück in die Realität: Sie sind wieder in Argentinien. Der Vater ist tot. Die Mutter (Marta Lubos) hat Krebs. Noch drei Monate. Höchstens. Die Tochter (María Inés Sancerni) ist geistig behindert, benötigt die Hilfe der Mutter, um zur Toilette zu gehen. Und seit die Tochter nun eine Katze hat, spricht sie nicht mehr mit der Mutter.

Wie also soll man zusammen sein? Wie soll man die Momente der Gemeinsamkeit in einen Zustand ausweiten, wenn doch der Tod sogar im eigenen Körper lauert? Mit Arsen, erklärt die Nachbarin La López (Silvia Baylé), die ebenfalls am Küchentisch sitzt. Sie besitzt ein Fläschchen “für alle Fälle”, und die Katze muss weg, das ist klar. Die Liebe sei ein legitimes Motiv, um zu töten, erklärt La López. Und so stirbt zuerst die Katze. Nur hilft dies nicht. Also macht man sich daran, die Zeit zu töten, isst Katzenfutter, baut Legoburgen und schmiedet Pläne, die nicht gut gehen können. Nur ist die Zeit, abgesehen von der Liebe, das einzige, was sich nicht totkriegen lässt. Sie läuft unerbittlich auf das Ende zu, bis da roher Schmerz und nackte Wahrheit auf dem Küchentisch liegen.

Der Regisseur Luciano Suardi konzentriert sich in seiner Inszenierung ganz auf diesen Küchentisch. Der Rest des Hauses ist lediglich durch Seile markiert, und stets rennen alle im Kreis um den Tisch. Denn dort wird die ganze Außenwelt, Argentinien und die Vergangenheit auseinandergenommen. Wie der Körper der Mutter, zerfällt da langsam, was man für wahr zu halten schien. Szene für Szene, immer eine Schicht weniger, alles fällt ab. Bis da hinter der Geschichte von Mutter und Tochter eine größere Geschichte zum Vorschein kommt. Die Geschichte all derer, die gingen und innerlich tot zurückkehrten. Wenn überhaupt.

Es ist schwer zu entscheiden, wo man in Diego Mansos Stück lachen soll und wo nicht. Darf man denn über den Tod lachen? Oder soll man sogar? “Warum die Beklemmung, wenn wir am Ende doch alle sterben, wie jedes menschliche Wesen?”

Man lacht. Unfreiwillig. Silvia Baylés Darstellung der Nachbarin, welcher der Klatsch und all die Nebensächlichkeiten dieses Lebens aus dem Mund quellen, ist grandios (Premio Florencio Sánchez 2010). Und doch bleibt da eine unglaubliche Beklemmung im Zuschauer zurück. Wie soll man denn nun zusammen sein? Wie soll man zusammenleben in diesem Land, wo der Tod im ganzen Körper steckt? Das Stück gibt keine Antwort. Die Musik bricht ab, es wird ein letztes Mal dunkel. Und die Frage bleibt auf dem Küchentisch.

  • “Cómo estar juntos”
  • Autor: Diego Manso
  • Regie: Luciano Suardi
  • Mit Silvia Baylé, Maitina De Marco, Marta Lubos, María Inés Sancerni, u.a.
  • Camarín de las Musas
  • Mario Bravo 960
  • 4862-0655
  • Ab 12.8. freitags 21 Uhr
  • Eintritt $ 45.-, Rentner und Studenten $ 30.-

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