Der Mann hinter den Kulissen

“Panorama Sur”-Organisator Joachim Gerstmeier auf Kurzbesuch in Buenos Aires

Von Susanne Franz

Vom 18. Juli bis 12. August fand in Buenos Aires ein für Lateinamerika außergewöhnliches Großereignis statt: die zweite von der Siemens Stiftung organisierte Theaterakademie “Panorama Sur”. Dabei vermittelten bedeutende Theaterleute aus der ganzen Welt ihr Wissen in Workshops und Meisterklassen und reisten mit ihren Ensembles an, um auch anhand ihrer Stücke einen Einblick in ihre Arbeitsweisen zu ermöglichen. Mit von der Partie waren u.a. der renommierte deutsche Tanzkritiker und Universitätsprofessor Gerald Siegmund, Tim Etchells und seine weltweit bekannte britische Theatergruppe “Forced Entertainment”, die zum ersten Mal in Argentinien auftrat, sowie der libanesische Theatermacher Rabih Mroué. Von argentinischer Seite leisteten unter anderen Alejandro Tantanián und Cynthia Edul als Mit-Organisatoren sowie Mariano Pensotti und Javier Daulte, die Meisterklassen erteilten, ihren Beitrag.

“Wegen der Gastspiele glauben viele, es handele sich um ein Festival”, erklärt “Panorama Sur”-Organisator Joachim Gerstmeier die Schwierigkeit, das Modell “Theaterakademie” in Lateinamerika zu vermitteln. “Das Format Sommer- bzw. Winterakademie ist in Europa selbstverständlich als Fortbildungs- und Qualifizierungsmaßnahme.” Hier könnten junge Regisseure Arbeitsweisen auf eine Art kennenlernen, die in der Schule nicht möglich sei. Unter den Künstlern und Theoretikern würden darüber hinaus Beziehungen geknüpft, es entstünden Zusammenarbeiten, und die neuen Netzwerke wirkten in die jeweiligen Arbeitsbereiche der Teilnehmer hinein.

Gerstmeier, der im Bereich Kunst und Kultur der gemeinnützigen Siemens Stiftung für Theater und Tanz zuständig ist, hielt sich vorige Woche einige Tage in Buenos Aires und Chile auf und fand Zeit für ein Interview.

Im Rahmen von “Panorama Sur” hätten in den vergangenen Wochen Playwrights aus Spanien und Lateinamerika in einer Schreibwerkstatt ihre Projekte weiterentwickelt, beschreibt Gerstmeier einen der kommunikativen Aspekte der Theaterakademie. “Sonst arbeitet doch jeder nur in seinem Schuhkarton.” So aber könnten neue Denkansätze und andere Sichtweisen in das Schaffen der Künstler einfließen.

“Es gab 2011 ein durchweg positives Echo”, stellt “Panorama Sur”-Koordinator Gerstmeier zufrieden fest. Im Jahr 2010 hatte er die Akademie als “Escena Sur” ins Leben gerufen – der Name musste dann aus urheberrechtlichen Gründen geändert werden. Gerstmeier hat seitdem unermüdlich Partner wie das Goethe-Institut, das British Council, die Universität IUNA oder das Malba ins Boot geholt und die unabhängige Organisation THE (Asociación para el Teatro Latinoamericano) aus der Taufe gehoben, so dass die diesjährige zweite Theaterakademie schon mit erheblich weniger Mitteln der Siemens Stiftung veranstaltet werden konnte, obwohl mehrere internationale Stars dabei waren. Der Plan ist, sich im kommenden Jahr noch ein Stück weiter zurückzuziehen und die Organisation der Akademie allmählich ganz in lateinamerikanischen Händen zu belassen. “Ich bin überzeugt davon, dass das Ganze mit demselben Schwung wie dieses Jahr weitergehen wird”, zeigt sich Joachim Gerstmeier optimistisch.

Bei “Panorama Sur” 2012 wird Chile hinzukommen – und es soll ein stärkeres Gewicht auf den zeitgenössischen Tanz gelegt werden. Vorbereitungen dafür traf Joachim Gerstmeier am Montag und Dienstag der vergangenen Woche auf seiner Chile-Reise. Bei “Panorama Sur” 2013 soll als drittes lateinamerikanisches Land Kolumbien dabei sein, so dass dann im Rahmen der parallel laufenden Theaterakademien alle von den Gastspielen, Workshops und Meisterklassen internationaler Künstler und Theoretiker profitieren können.

Joachim Gerstmeier, der Mann hinter den Kulissen, freut sich über den Erfolg und die guten Zukunftsperspektiven des Projekts. Bescheiden weist er darauf hin, dass dieses nur einen kleinen Teil der Arbeit der Siemens Stiftung darstelle, die 2008 von der Siemens AG gegründet wurde. Die Stiftung ist mit Umweltschutz-, Wissenschafts- und Kulturprojekten insbesondere in Afrika und Lateinamerika tätig. um einen langfristigen Beitrag zur Minderung von Armut und zu besserer Bildung zu leisten.

“Im Kulturbereich wollen wir die jeweilige Kulturszene stärken und Qualität fördern”, sagt Gerstmeier. Dafür eigne sich das Format der Akademie besonders gut, “denn sie kann nach den jeweiligen Bedürfnissen ausgerichtet werden.”

Weitere Informationen auf den Webseiten der Siemens Stiftung und “Panorama Sur”.

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