Sauerstoff im Kunstbetrieb

Erste Kollektivausstellung von Straßenkünstlern in Buenos Aires

Von Laura Wagener

Das Gebäude in der Straße Boulogne Sur Mer 345 in Once mutet von außen erst einmal gar nicht so an, als würden sich hinter den Türen die Werke diverser zeitgenössischer Künstler verbergen. Relativ unauffällig ist sie, die “Fábrica de oxígeno”, in der früher Sauerstofftanks hergestellt wurden. Die ehemalige Fabrik verfügt auf vier Stockwerken über insgesamt 4.500 m², und die Terrasse auf dem Dach des Gebäudes ist da noch nicht mitgerechnet.

Guillermo Rozenblum, Direktor der Stiftung Rozenblum, war es, der bereits vor fünf Jahren begann, das Gebäude in einen Raum für Kunst und Künstler zu verwandeln. Das Ganze basiert auf dem Prinzip des Mäzenatentums, das heißt, ein Mäzen, oder Förderer, unterstützt ausgesuchte Künstler ohne die Forderung einer direkten Gegenleistung, um damit eine öffentlich wirksame soziale Bewegung zu unterstützen. Im ersten Stock des Gebäudes sind also bereits seit einiger Zeit Künstler wie Paula Toto Blake, Marcolina Dipierro, Marcello Mortarotti etc. ansässig, die, als Gegenleistung für den ihnen zur Verfügung gestellten Raum, ab und an der Fundación Rozenblum eines ihrer Werke spenden. So ganz uneigennützig ist die Förderung wohl also doch nicht.

Open Studio

Es sind jedoch nicht nur die in den ständigen Ateliers arbeitenden Künstler, die in den Genuss der Nutzung der weiten Flächen der Fabrik kommen. Bereits zum vierten Mal rief Rozenblum dieses Jahr wieder zum “Open Studio” auf und lud über das Kollektiv “Street Arte BA” (SABA) diverse Künstler gegenwärtiger Straßenkunst dazu ein, die oberen Stockwerke und andere Teile des Gebäudes, wie die Küche und die Garage, zu ihrem künstlerischen Spielplatz zu machen. Die Organisatoren des Kollektivs vereinten über 50 Künstler aus Argentinien und anderen Teilen der Welt, ihre Kunst im Open Studio auszustellen, anzufertigen oder zu installieren.

Das Besondere an der Ausstellung, die am 16. November eröffnet wurde, ist, dass sie durch so viele verschiedene Räumlichkeiten, Oberflächen und Stimmungen besticht. Während es im zweiten und vierten Stockwerk neben Loft-artigen Räumen und langen Gängen auch viele kleine “Büros” für einzelne Künstler zu gestalten gab, sind die große Küche der Fabrik, die Garage samt eines dort stehenden Autos und die Kellerräume von verschiedenen Graffiti-Künstlern gemeinsam gestaltet worden.
Drei Tage lang arbeiteten die Künstler unablässig an der Fertigstellung ihrer Werke, und auch während der Ausstellungstage kann man einigen Künstler live beim Fertigstellen oder Erweitern ihrer Werke zusehen.

Die Ausstellung ist besonders abwechslungsreich, da naturgemäß bei derart vielen Künstlern vielerlei verschiedene Stile und Medien benutzt werden, so dass es von Fotos über Gemälde, Projektionen, bildende Kunst, bemalte Skateboards, Bleistiftzeichnungen, Collagen etc. alles zu bestaunen gibt.

Es handelt sich mit dem diesjährigen “Open Studio” um die erste Ausstellung von Werken eines Straßenkünstlerkollektivs in Buenos Aires.

Zusammentreffen der Welten

Der besondere Coup des diesjährigen “Open Studios” ist jedoch die Zusammenführung der jungen “artistas callejeros” (Straßenkünstlern) mit den eher etablierten Galeristen und Sammlern der Stadt, da im Erdgeschoss der Fabrik eine Kollektivausstellung renommierter “Galerienkunst” abgehalten wird. Es ergab sich bei der Eröffnung eine interessante Mischung der Besucher, wobei sich Damen und Herren in feiner Abendkleidung neben Skateboardern, Hipstern, eindeutig identifizierbaren Künstlern und 0815-Besuchern durch die Ausstellungsräume bewegten.

Der auch international bekannte Straßenkünstler Christian Riffel, auch als “Poeta” bekannt, freute sich über die Mischung der Klientel: “Ein Event wie das heutige hilft unserer Szene wirklich enorm! Obwohl die Straßenkunst hier in Buenos Aires in den letzten Jahren wirklich einen großen Aufschwung erlebt hat, haben die Künstler vor allem unter den Galeristen nach wie vor ein sehr negatives Image. Es ist schwierig für jemanden wie mich, der Kunst als Ausdruck seines Herzens betreibt, vor solchen Leuten die Art und Weise meines Ausdrucks zu rechtfertigen. Also zu rechtfertigen, wie und wo wir unsere Kunst betreiben. Ich glaube, eine solche Veranstaltung hilft, den Graben zwischen den Kunstwelten zu überwinden, was ich toll finde.”

Und tatsächlich wird es beim Besuch der Ausstellung schnell offensichtlich, dass alle der ausgestellten Künstler, egal welcher Gruppe sie zuzuordnen sind, einen gleich wichtigen Beitrag zur zeitgenössischen Kunst leisten, gerade weil Kunst so viele Dimensionen hat, die darzustellen verschiedene Akteure, Ideen, Philosophien und Stile braucht.

Diese imposante und ausgefallene Ausstellung kann ab Samstag, den 19. November, jeden Samstag bis zum 17. Dezember besucht werden. An Wochentagen können über streetarteba@gmail.com private Termine vereinbart werden.

Foto:

Die Künstlerin AMEBA bei der Arbeit.

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