“Meine Waffe ist das offene und klare Wort”

Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning, besuchte Argentinien

Von Susanne Franz

Sein Job sei ein Erbe der DDR-Dissidenten, sagt Markus Löning (FDP), Menschenrechtsbeauftragter der deutschen Regierung. Der erste Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechte und humanitäre Hilfe sei der Grünen-Politiker Gerd Poppe gewesen, ehemals ein Bürgerrechtler in der DDR. Der 51-jährige Löning nahm am 5. und 6. Dezember in Buenos Aires an einem der vom deutschen Auswärtigen Amt weltweit organisierten Treffen von mit Menschenrechtsfragen befassten Personen teil. Aus ganz Lateinamerika kamen Nichtregierungsorganisationen zu dem Treffen, das vom Centro de Estudios Legales y Sociales (CELS) mitorganisiert worden war. Dabei ging es um Themen aller Art wie Frauenfragen, die von einer mexikanischen Delegation vorgebracht wurden, oder den Rechten der Mapuche-Indianer, die eine chilenische NGO verteidigte.

In einem Interview am 8. Dezember in Buenos Aires (veröffentlicht im Argentinischen Tageblatt vom 17. Dezember 2011) nahm der Politiker Stellung zu verschiedenen weltpolitischen Themen. So sieht Löning die Entwicklung in China in Bezug auf die Menschenrechte sehr positiv. Natürlich sei China kein freies Land und es sei weiter undenkbar, die Staatsspitze anzugreifen, sagte der Politiker mit Blick auf den Künstler Ai Weiwei. Aber im Gegensatz zu früher sagten die Menschen heute, was sie denken. “Die um die 50-Jährigen erinnern sich heute noch an die Kulturrevolution”, gibt Löning zu bedenken. Selbst in der Familie habe man damals nicht gewagt, sich kritisch zu äußern. Heute sei Bewegung spürbar. In China gebe es heute mehr Wohlstand, mehr Bildung, die grundlegenden Lebensbedingungen seien besser. “Das wirkt sich auch auf die Meinungsfreiheit aus.”

Über Russland hat Markus Löning nicht so viel Positives zu sagen. Demokratischen Parteien sei es fast unmöglich gewesen, zu den gerade abgehaltenen Wahlen zugelassen zu werden, die einzige Oppositionspartei Jabloko sei an der hohen 7%-Hürde gescheitert. “Russland verpasst seine Chance, in die Riege der demokratischen Länder aufgenommen zu werden”, urteilt Löning.

Viele seiner letzten Reisen haben ihn nach Nordafrika geführt. Was die Entwicklung dort betrifft, sei er “ziemlich optimistisch”. In Tunesien habe es freie und faire Wahlen gegeben, und dass sich über 30% für eine religiöse Bewegung ausgesprochen hätten, spiegele das Empfinden der Bevölkerung wider. “Auch in Europa haben wir Parteien mit religiösem Hintergrund”, gibt Löning zu bedenken und nennt z.B. die Unionsparteien in Deutschland. “Ich persönlich plädiere dafür, dass man erst einmal abwartet, was die Islamisten in Tunesien oder die Muslimbrüder in Ägypten machen, ob sie sich auf einen pragmatischen Weg begeben”, sagt Löning. “Als Europäer sollten wir den afrikanischen Gesellschaften eine Chance geben. Warum sollten sich dort keine freien Gesellschaften entwickeln können?” Tatsache sei, dass die Menschen auf die Straße gingen, um für ihre Rechte einzutreten. Er selbst habe mit liberalen Kräften gesprochen, die dort eine Rolle spielten. “Wir sollten nicht wie das Kaninchen auf die Schlange starren”, meint Löning zu übertriebenen Sorgen hinsichtlich der Entwicklung in Nordafrika.

Auf die jüngsten Ereignisse in Deutschland bezüglich der Neonazi-Morde sei er noch nicht angesprochen worden, sagt Markus Löning. Aber ja, besonders in der Türkei käme es öfter zur Sprache, dass Kinder von Moslems in Deutschland weniger Chancen hätten. “Da herrscht in Deutschland eine Ungerechtigkeit, und es ist anerkannt, dass dort Handlungsbedarf besteht. Trotz allem, was wir erreicht haben, gibt es Defizite, und die muss man anerkennen”, betont der Menschenrechtsbeauftragte.

Mit seinen Reisen, seinen Gesprächen in der ganzen Welt – kann er damit etwas bewirken, eventuelle Missstände verbessern? “Ich werde nicht selbst aktiv”, sagt Markus Löning. Das was er sehe und höre, fließe in seine Berichte ein. Sein Mittel, etwas zu bewirken, sei das offene und klare Wort. Das setze Machthaber unter Druck. “Wenn ich oder der Außenminister oder die Kanzlerin etwas sagen, findet das Gehör”, sagt der Politiker. Deutschland sei eine Wirtschaftsmacht und die meisten Länder wollten Handels- und andere Beziehungen mit der Bundesrepublik vertiefen.

Das Auswärtige Amt betreibe aber auch auf andere Art Demokratieförderung, indem beispielsweise über die deutschen politischen Stiftungen die Journalistenausbildung weltweit unterstützt werde oder Menschen nach Deutschland eingeladen würden, die sich in ihren Ländern für die Menschenrechte einsetzten. “Im letzten Jahr luden wir eine Gruppe aus Afrika ein, die sich für sexuelle Minderheiten einsetzt”, führt Löning als Beispiel an. Ein Foto mit Außenminister Guido Westerwelle, der sich zu seiner Homosexualität bekennt, oder allein die Tatsache, dass es in Deutschland möglich ist, dass ein Homosexueller Minister oder Regierender Bürgermeister von Berlin werden kann, gebe diesen Menschen Hoffnung.

Für den ruhigen, sympathischen Politiker, der auch in Oppositionskreisen in Deutschland beliebt ist, sind die kleinen Erfolge die wichtigsten. “Man fragt sich immer: Macht das Sinn?”, antwortet er auf die Frage von AT-Chefredakteur Stefan Kuhn nach dem größten Lichtblick in seiner Karriere. “Und dann sind da die Leute, die mir schreiben ‘Vielen Dank, dass Ihr Euch für mich eingesetzt habt, ich bin aus dem Gefängnis raus’, wie eine Frau aus dem Iran, oder der Mann aus Aserbaidschan, den wir im Gefängnis besuchen wollten und zu dem wir zwar nicht vorgelassen wurden, dem es aber allein schon nutzte, dass wir unsere Karten hinterlassen haben.”

“Menschen, die in freien Ländern leben, haben eine Verpflichtung, sich für eine gerechtere Welt einzusetzen”, sagt Markus Löning. Auch wenn man vielleicht nicht immer große Veränderungen bewirken könne. Das gelte für Deutschland, aber auch für Argentinien, wo eine Militärdiktatur geherrscht habe und wenig Hilfe von außen gekommen sei.

Im Rahmen seiner ersten Argentinienreise sprach Markus Löning u.a. auch mit Oppositionspolitikern und mit Vertretern des argentinischen Außenministeriums. Lateinamerika werde in der Zukunft eine größere Rolle spielen, ist der Menschenrechtsbeauftragte des Bundesregierung überzeugt. Man habe auf UN-Ebene schon immer stark mit den lateinamerikanischen Ländern zusammengearbeitet. Vor einem Jahr etwa habe man erreicht, dass das Recht auf Wasser und sanitäre Versorgung in einer UN-Resolution als Menschenrecht festgeschrieben worden sei. Die Initiative, die von Bolivien ausging, habe auch Argentinien unterstützt.

“Mit den lateinamerikanischen Ländern verbindet uns Geschichte und Kultur, es herrscht viel mehr gemeinsames Verständnis als beispielsweise mit Afrika und Asien”, so Löning. Und Buenos Aires sah er, trotz der großen geographischen Entfernung, als europäische Stadt. Seine letzte Reise hierher soll es nicht gewesen sein.

(Foto: Stefan Kuhn)

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